Lernen – neuronale Muster

Geht man davon aus, dass auf der Ebene der Nervenzellen das Lernen mit dem Erwerb von neuen neuronalen Mustern einhergeht, so kann man sich vorstellen, dass Sinneswahrnehmungen und auch intern erlangte Information (z.B. Erfahrungen infolge von Überlegungen, körperliche Empfindungen usf.) dazu führen, dass neue bzw. veränderte neuronale Muster entstehen.

Die Erfahrung  lehrt uns, dass insbesondere Eindrücke und Erkenntnisse, die unter starker Emotionalität stattfinden uns tief beeindrucken, sprich nachhaltige Eindrücke hinterlassen.

Mit anderen Worten in diesem Fall kann schon ein einmaliges Erlebnis eine tiefe Prägung hinterlassen. (Weiteres dazu in diesem Beitrag)

Eindrücke, die nicht mit starker Emotionalität verbunden sind, wie beispielsweise das Lernen von Vokabeln benötigt dementgegen vielfache Wiederholungen bis man sich die Vokabeln durch die Übung merkt.

An dieser Stelle ist es erwähnenswert festzuhalten, dass die gute Motivation den Lernvorgang günstig beeinflusst, weil damit wahrscheinlich die neuronalen Muster leichter aufgebaut werden können. Mit anderen Worten: wenn man etwas mit schlechter oder gar mit widerwilliger Motivation lernt, so ist es nicht verwunderlich, wenn man sich den Stoff kaum merken kann. Das heißt es kommt nicht nur auf die Lernbemühung an, sondern auch auf die Motivation zur Materie und auch auf die Rahmenbedingungen unter denen man lernt.

Die Erfahrung lehrt uns weiters, dass wir uns die Sachen leichter merken, wenn sie in einen Zusammenhang eingebunden sind die einen Sinn ergeben. Dies hat wahrscheinlich damit zu tun, dass in diesem Fall der Aufbau eines neuronalen Musters leichter möglich ist, weil sich die Einstiegsmöglichkeiten in das Muster aus dem Kontext heraus leichter ergeben. So wie das Musters eines handgeküpften Teppichs relativ leicht fortentwickelt werden kann, wenn z.B. eine Ecke des Teppichs oder sonst ein Teilstück des Teppichs vorhanden ist und ausgehend von Stücke gleichsam wie von einem „Kristallisationspunkt“ aus das weitere Muster aufgebaut und entwickelt wird. Mit anderen Worten kann man sagen, dass der Kontext die Anknüpfungspunkte für die Assoziation liefert.

Auf dieser Grundlage kann man sich vorstellen, dass es im Nervensystem und hier insbesondere im zentralen Nervensystem – und hier wiederum im Gehirn abgegrenzte Nervenzellverbände gibt, die gewisse Funktionen leisten.

Eine derartiger Nervenzellverband wird durch ein neuronales Netzwerken repräsentiert.

Und so stellt man sich z. B. vor dass das Nervensystem durch derartige Netzwerke aufgebaut ist, die auf dynamische Art und Weise die diversen Funktionen leisten.

So kann z. B. der mentalen Prozess in den frontalen und parietalen Bereichen des Gehirns in derartigen neuronalen Netzwerken entstehen und kann z. B. als Ergebnis des Denkprozesses eine Vorstellung oder sonst ein Inhalt im Bewusstsein der Person erscheinen.

Man kann sich also vorstellen, dass fortlaufend auf diese Art und Weise einerseits „alte“, also schon vorhandene neuronale Muster durchlaufen werden und andererseits durch neu hinzugekommene Eindrücke von außen (Sinneswahrnehmungen) und auch durch neu hinzugekommene Eindrücke von innen (Vorstellungen, Phantasien, Erkenntnisse, Gefühle usf.) einerseits neue neuronale Muster aufgebaut werden und dadurch bestehende neuronale Muster modifiziert werden.

Demgemäß bedeutet lernen neue neuronale Muster erwerben und vorhandene modifizieren bzw. weiter entwickeln.

Auf diese Art und Weise erwerben wir wahrscheinlich ständig neue neuronale Muster bzw. werden wahrscheinlich auf diese Art und Weise die bereits vorhandenen neuronalen Muster ständig überformt bzw. modifiziert.

Man kann sagen, wir entwickeln unsere eigene „software“ auf diese Art und Weise ständig fort – es ist ein Lernen das ganze Leben lang – vom Zeitpunkt des Werdens des Nervensystems an – oder man kann sagen – von der Schwangerschaft an – vor allem aber von der Geburt an bis zum Tode.

Ja es ist zutreffender wenn man sagt man lernt gewisse Dinge bereits während in der Schwangerschaft – weil das werdende Kind schon in dieser Phase Eindrücke aufnimmt die seine Entwicklung beeinflussen.

Es ist also so, dass die bestehenden Muster ständig „überformt“ und modifiziert werden.

Aus der Zeugenbefragung bei Gericht ist beispielsweise hinlänglich bekannt, dass der Faktor Zeit dabei eine wesentliche Rolle spielt, insofern lang zurückliegende Ereignisse von den Personen schlechter und oftmals verfälscht erinnert werden, was wahrscheinlich z.T- auch auf solche – auch unabsichtliche bzw. unbeabsichtigte Überformungen der neuronalen Muster – zurückzuführen ist.

Man kann also auch sagen, dass die alte Kontur der Eindrücke durch die vielfachen updates „verwischt“ und verfälscht werden, und daher das aktuell Erinnerte nicht mehr unbedingt mit dem ursprünglich sinnlich Wahrgenommenen übereinstimmt. Das heißt die ursprüngliche Wahrnehmung stimmt nicht unbedingt mir der gegenwärtigen Erinnerung überein.

Tatsächlich machen wir auch sonst die Erfahrung, dass sehr weit zurückliegende Erlebnisse zwar noch als mehr oder weniger konkrete Inhalte im Gedächtnis vorhanden sind.

An andere Erlebnisse können wir uns jedoch nicht mehr konkret erinnern.

Oder es fehlt die Erinnerung gänzlich – oder sie stimmt nicht mit der Erinnerung von anderen Personen – die damals dabei waren überein.

Es kann also sein dass die persönliche Erinnerung sich nicht mit der persönlichen Erinnerung von anderen Personen deckt.

Dies hat damit zu tun dass sich die Menschen unterschiedliche Dinge einprägen – und die eingeprägten Informationen auch auf unterschiedliche Art und Weise im Laufe der Zeit modifizieren bzw. individuell unterschiedlich „überarbeiten“.

Unwillkürlich kommt es also zur Modifikation der persönlichen Gedächtnisinhalte – man kann unter Umständen auch sagen zur Verfälschung der Erinnerung und kann man sich damit erklären warum die Leute oft eine „abgerundete“ bzw. „verklärte“ Sicht zu zeitlich weit zurückliegenden Dingen entwickelt haben.

Dabei mag es so sein, dass je nach Persönlichkeit die eine Person geneigt ist eher angenehme Inhalte in ihrem Gedächtnis zu behalten, wohingegen eine andere Person geneigt ist sich bevorzugt an das Unangenehme zu erinnern.

Man kann also verstehen dass die persönliche Erinnerung etwas sehr Individuelles ist.

Mit anderen Worten kann man durch diese Betrachtungsweise neuro-biologisch begründet verstehen und neuro-biologisch begründet erklären warum Menschen ein und denselben Sachverhalt unter Umständen unterschiedlich erinnern.

Somit kann man festhalten, dass die Erinnerung etwas ist was vom einzelnen Individuum abhängt. Und selbst die Erinnerung der konkreten Person unterliegt der Entwicklung im Lauf der Zeit.

Neuro-physiologisch begründet würden dem also andere neuronale Muster entsprechen.

Wenn die hier vorgestellte Theorie zutrifft, dann würde dies auch bedeuten, dass die derzeit gängige Theorie zur Funktion des Langzeitgedächtnis – wonach die Information auf dem Niveau der Nervenzellen hardwaremäßig abgespeichert sind – falsch ist. Das heißt ein Langzeit-Gedächtnisinhalt ist nicht an eine fix determinierte neuronale Struktur gebunden.

Sondern vielmehr handelt es sich dabei um ein dynamisches Geschehen – eben um den neuronalen Prozess im Hinblick auf die Funktion des Nervensystems. Beziehungsweise im Hinblick auf die Funktion der Psyche um den mentalen Prozess der den Gedächtnisinhalt rekonstruiert, falls eine bestimmte Information dies veranlasst.

Lernen – Verlernen – Vergessen:

Auf der Grundlage des zuvor Gesagten kann man verstehen wie das Lernen und ebenso das Verlernen und schließlich das Vergessen zustande kommt bzw. funktioniert.

Wenn etwas nicht mehr wiederholt wird, wie z.B. die Vokabeln einer Fremdsprache, das heißt wenn sich keine Gelegenheit mehr bietet die Fremdsprache zu sprechen, und wenn auch in der „inneren Konferenz“, im Selbstgespräch die Fremdsprache nicht mehr praktiziert wird, so ist es nicht weiter verwunderlich, wenn uns die Vokabeln abhanden kommen bzw. sie nicht sofort zur Hand sind wenn sie benötigt werden.

Andererseits machen wir die Erfahrung, dass etwas was wir früher gekonnt haben relativ schnell wieder aktiviert werden kann. Dies gilt für Nützliches und Schädliches. Ein nützliches Beispiel wäre z.B. das Auffrischen einer Fremdsprache, ein schädliches Beispiel ist das Wiederhineingeraten in die Alkoholabhängigkeit oder in eine sonstige Sucht. Wenn ein Suchtproblem in der Vorzeit bestanden hat und es nach einer längeren Abstinenzphase nach nur kurzzeitigem Wiederkonsum des Mittels sehr schnell zum Rückfall und zur neuerlichen Manifestation der Sucht kommt, so ist dies ein solch negatives Beispiel. Aus diesem Grunde ist es tatsächlich ratsam keine einzige Likörpraline nach erfolgreicher Alkoholentwöhnung zu essen oder auch sonst keinen einzigen Schluck Alkohol zu trinken, weil allein diese minimale Menge an „Stoff „im Gehirn, die alten Muster wiedererweckt. Gerade weil der Konsum des Suchmittels mit einer starken Aktivierung der Gefühlssphäre einhergeht, ist es nicht verwunderlich, dass schon ein „Tropfen“ oder ein „Funke“ den „Steppenbrand“ wieder entfachen kann. Es ist also nicht die Giftigkeit der kleinen Alkoholmenge die dem Körper schadet – denn was sollte eine so kleine Menge an Alkohol dem Körper schon schaden – dies ist tatsächlich nicht das Problem – das wirkliche Problem ist jedoch, dass die sofortige Wiederaktivierung der alten neuronalen Mustern dazu führt, dass es umgehend zum schweren Rückfall in die Sucht kommt und die alte Dynamik wieder abläuft wie dies vor der Entwöhnung der Fall war.

So gesehen handelt es sich also um eine Reaktivierung eines unvorteilhaften neuronalen Musters das man in der Vorzeit erlernt hat.

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(letzte Änderung 27.02.2023, abgelegt unter: lernen, neuronale Muster, Nervensystem)

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