Kraepelin Zitat 5 : körperliches Geschehen – psychisches Geschehen – gesetzmäßige Beziehungen

“  … Aus diesen Erwägungen ergibt sich die Nothwendigkeit, ausser den körperlichen Zuständen der Hirnrinde auch die psychischen Erscheinungsformen jener letzteren gesondert zu erforschen. Wir erhalten auf diese Weise zwei Reihen innig mit einander verbundener, aber ihrem Wesen nach unvergleichbarer Thatsachen, das körperliche und das psychische Geschehen. Aus den gesetzmäßigen Beziehungen beider zu einander geht das klinische Bild hervor. Wir müssen es daher als unsere Aufgabe betrachten, auch jene Gesetze kennen zu lernen, welche den Ablauf der psychischen Vorgänge beherrschen, namentlich aber auf das sorgfältigste den Abhängigkeitsverhältnissen nachzugehen, die zwischen körperlichen und seelischen Zuständen bestehen. Glücklicherweise hat sich aus dem Schoosse der Physiologie heraus, namentlich in den letzten Jahrzehnten, auch die Psychologie zu einer Erfahrungswissenschaft entwickelt, die auf dem Wege der Naturforschung ihren Gegenstand erfolgreich zu bearbeiten begonnen hat. Es ist, wie schon die bisherige Arbeit gezeigt hat, nicht unmöglich, mit Hülfe jener jungen Wissenschaft zu einer Physiologie der Seele zu gelangen, die auch der Psychiatrie eine brauchbare Grundlage zu liefern vermag.“ (Ende des Zitats)

aus:

Emil Kraepelin, Psychiatrie, Ein Lehrbuch für Studierende und Aerzte, Sechste Auflage (1899), 1. Band. Allgemeine Psychiatrie, Mit einer Einführung von Paul Hoff, Einleitung Seite 6 -7,  Nachdruck, Arts & Boeve Verlang, Niederlande, ISBN 90 75341 16 4

Anmerkung zum Zitat:

Emil Kraepelin war also von der Zuversicht erfüllt, dass man alsbald gesetzmäßige Beziehungen zwischen dem körperlichen und psychischen Geschehen finden wird. Tatsächlich ist dies wegen des großen Unterschieds zwischen den Erkenntnisobjekten bzw. wegen des großen Unterschieds zwischen einem Gegenstand schlechthin und einem Gegenstand in der Idee (vgl. mit Kant Zitat 7) grundsätzlich nicht möglich. Dies ist so, weil eine faktische Einheit eine ganz andere Einheit als eine systematische Einheit ist. Daher kann man das Eine nicht durch das Andere erkennen und bestimmen.*

Daher kann man keine gesetzmäßigen Beziehungen zwischen dem körperlichen und psychischen Geschehen finden.

Diesen Sachverhalt hat Karl Jaspers auf der Grundlage der Philosophie von Immanuel Kant realisiert, wenn er zwischen einer Gattung und einem Typus unterscheidet, und er in seinem Buch „Allgemeine Psychopathologie“ (ab der 4. Auflage) aufzeigt, dass die psychische Erscheinung in Bezug auf den (definierten) Typ durch das Schema der Idee angenähert erkannt wird   (vgl. mit Jaspers Zitat). (Weiteres dazu auf Poster 6: Diagnosis in Psychiatry – the Role of Biological Markers – an investigation in the light of Immanuel Kant`s philosophy)

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Weiteres * dazu in meinem Buch:

Diagnostik, Klassifikation und Systematik in Psychiatrie und Medizin

erschienen im April 2019 im Verlag tredition

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(letzte Änderung 09.12.2019, abgelegt unter Zitate)

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