neurologisches Phänomen

Ein neurologisches Phänomen ist ein Phänomen das infolge der gestörten Funktion des Nervensystems entsteht.

Man kann daher auch sagen: ein neurologisches Phänomen ist ein Phänomen das sich infolge der beeinträchtigten neurologische Funktion manifestiert.

Ebenso kann man sagen: ein neurologisches Phänomen ist ein Phänomen das sich durch die klinische Erscheinung der beeinträchtigten neurologischen Funktion manifestiert.

Es ist das neurologische Phänomen also oftmals ein Zeichen bzw. ein Merkmal eines neurologischen Symptomenkomlexes, der sich durch das klinische Erscheinungsbild der neurologische Störung manifestiert.

In der Neurologie ist z. B. eine schlaffe Lähmung ein neurologisches Phänomen, ebenso ein auffälliges Zittern, oder ein Krampfanfall wie er bei der Epilepsie auftritt.

Es handelt sich dabei also um eine auffällige bzw. um eine gestörte neurologische Funktion, die in der Form eines körperlichen Phänomens (gr. phenomenon – das was erscheint, das Erscheinende) sich  manifestiert.

Ein neurologisches Phänomen kann von der Art sein, dass man beim Auftreten dieses Phänomens einen objektiven neurologischen Befund erheben kann, etwa eine abnorme Hirnstromkurve bei einem Krampfanfall. Oder es kann sich um ein neurologisches Phänomen handeln, das nicht objektivierbar ist und bei dem kein physischer Parameter objektiv gültig feststellbar ist bzw. bei dem kein physischer bzw. kein körperlicher Parameter physikalisch demonstrierbar ist und daher nur ein subjektiv gültiger neurologischer Befund erhebbar ist.

Es kommt zum Beispiel bei epileptischen Anfällen vor, dass man in der Hirnstromkurve im Nachhinein keine Auffälligkeiten nachweisen kann, weil man an der Oberfläche des Kopfes zu dieser Zeit keine elektrischen Auffälligkeiten mehr messen kann.

Oder es handelt sich beim Krampfanfall um einen funktionellen Anfall im Sinn einer funktionellen Störung. In einem solchen Fall handelt es sich bei der klinischen Erscheinung um ein Phänomen, das nur auf der Ebene der Vorstellungen erfasst werden kann und das daher nicht auf der Ebene der physischen Objekte allgemein gültig, sprich nicht objektiv gültig bestimmt werden kann. Ein solches Phänomen kann also nur subjektiv gültig bzw. nur subjektiv gewiss im Sinn von subjektivem Wissen festgestellt werden. Das bedeutet, dass ein solches Phänomen nicht objektiviert werden kann.

Erkenntnistheoretisch bzw. philosophisch betrachtet handelt es sich bei einem Phänomen, das nur auf der Ebene der Vorstellungen auf der Grundlage einer Idee, erfasst werden kann, um eine systematische Einheit, die in der Form des Begriffs der Idee im Bewusstsein der erkennenden Person erscheint, wenn die erkennende Person die charakteristischen Merkmale (der Idee) durch das Schema der Idee geistig auffasst (vgl. mit Kant Zitat 7).

Im zuerst genannten Fall – etwa beim im EEG demonstrierbaren abnormen Hirnstrombild – kann das Phänomen in der Form eines physischen Parameters physisch bzw. physikalisch gemessen und daher objektiv gültig demonstriert werden. Ein solches Erkenntnisobjekt ist uns als Gegenstand schlechthin gegeben, wohingegen ein Erkenntnisobjekt, das uns nur auf der Ebene der Vorstellungen als Gegenstand in der Idee gegeben ist, nur meta-physisch und daher nur durch den Begriff der Idee erfasst werden kann (vgl. mit Kant Zitat 7).

Einen Gegenstand schlechthin bzw. das Zeichen von einem solchen Gegenstand kann man also in der Regel objektiv gültig bestimmen, hingegen kann man einen Gegenstand in der Idee nicht objektiv gültig bestimmen, sondern nur auf der Ebene der Vorstellungen subjektiv gültig durch eine geistige Messung erfassen. Das heißt ein solches Erkenntnisobjekt kann nur durch den Vergleich der Ideen ermittelt werden, in dem Ideen miteinander verglichen werden und letztendlich subjektiv gültig entschieden wird, ob ein solches Merkmal vorhanden ist oder nicht. (vgl. mit Kant Zitat 7)

Wegen dem großen Unterschied zwischen den Erkenntnisobjekten bzw. wegen dem großen Unterschied in der Erkenntnisbasis auf deren Grundlage man ein neurologisches Phänomen bestimmt, kann manch ein Phänomen in der Neurologie objektiv gültig bestimmt werden, wohingegen andere neurologische Phänomene bzw. andere neurologische Merkmale nur subjektiv gültig bestimmt werden können.

Neurologisches Phänomen – neurologisches Symptom

Man unterscheidet in der Neurologie ein neurologisches Phänomen von einem neurologischen Symptom.

Ein neurologisches Phänomen kann von einer außen stehenden Person beobachtet werden. Im Gegensatz dazu kann ein neurologisches Symptom in der Regel nicht von einer außen stehenden Person beobachtet werden, sondern wird ein solches Symptom von der betroffenen Person erlebt, ohne dass dies in der Regel von außen sichtbar ist.

Es gibt neurologische Phänomene, die man objektiv bestimmen kann, und solche die man nicht objektiv gültig bestimmen kann.

Zum Beispiel ist ein Krampfanfall, bei dem man typische Auffälligkeiten in der Hirnstromkurve – also im EEG (Elektroencephalogramm) findet, ein neurologisches Phänomen bei dem man objektive Zeichen erkennen und in der neurologischen Diagnostik nachweisen kann.

Im Gegensatz dazu kann man bei einem sogenannt psychogenen Anfall keine objektiven Zeichen nachweisen.

Auch bei einem neurologischen Symptom kann man in der Regel kein objektives Zeichen nachweisen – eben weil ein solches Symptom bzw. ein solches Phänomen nur vom Subjekt – also von der betroffenen Person (subjektiv) erlebt wird.

Genau genommen kann man auch ein neurologisches Phänomen, bei dem man ein objektives Zeichen nachweisen kann nicht objektivieren.

Man kann nämlich im Zweifelsfall nicht auf der Grundlage eines physischen Objekts bzw. auf der Grundlage eines Faktums nachweisen und objektiv gültig entscheiden, ob ein gewisses neurologisches Phänomen als Folge dieses Objekts bzw. dieser faktischen Ursache auftritt – was zum Beispiel in einem neurologischen Gutachten von Relevanz sein kann.

Wenn man z.B. in der Bildgebung im CCT (Computertomographie) oder im MRT (Magnetresonanztomographie) das Abbild eines Meningeoms findet, so kann man nicht sicher sein, ob dieses Meningeom etwa einen Krampfanfall ausgelöst hat. Man kann im Zweifelsfall auch nicht wissen, ob dieses Meningeom für den angegebenen Kopfschmerz verantwortlich bzw. kausal ist. Man kann aus diesem Objekt bzw. aus dem bildgebenden Befund nicht erkennen, ob ein aufgetretenes neurologisches Phänomen – etwa einen Krampfanfall – oder ein neurologisches Symptom etwa Kopfschmerzen – durch diese faktisch nachweisbare Tatsache hervorgerufen wird. Es ist möglich, dass das Meningeom die Ursache des Krampfanfalls war – genau genommen – kann man dies jedoch nicht wissen. In gleicher Weise kann man im Zweifelsfall auch nicht wissen, ob etwa ein geklagter Kopfschmerz als Folge eines Meningeoms zu erklären ist.

In diesem Sinn kann man ein neurologisches Phänomen nicht objektivieren. Man kann aus einem körperlichen Objekt nicht die Kausalität des neurologischen Phänomen erkennen. Man kann aus dem körperlichen Objekt nicht allgemein gültig erkennen, ob es das Phänomen hervorruft. Man kann nur, wenn man ein neurologisches Phänomen bereits festgestellt hat – und man im Rahmen der Abklärung eine mögliche körperliche Ursache gefunden hat – das Auftreten des Phänomens als Folge dieser körperlichen Auffälligkeit – bzw. also als Folge dieser körperlichen Ursache erklären und das Auftreten des Phänomens durch diese Erklärung verstehen.

Einen objektiven Beweis dafür kann man jedoch nicht liefern. Man kann nicht allgemein gültig durch die Demonstration von irgendwelchen Befunden beweisen, dass diese mögliche (körperliche) Ursache die tatsächliche Ursache des neurologischen Phänomens ist. Die Kausalität kann man in diesem Sinn nicht objektiv gültig beweisen. Im Zweifelsfall kann man keinen objektiven Beweis liefern, der unzweifelhaft aufzeigt, dass diese körperliche Auffälligkeit die Ursache des beobachteten neurologischen Phänomens ist.

Der tiefer liegende Grund warum man dies nicht objektiv und damit nicht allgemein gültig beweisen kann, findet sich in der Tatsache, dass es zwischen dem Phänomen auf der einen Seite und der Ursache auf der anderen Seite keine definierte und bestimmbare Relation gibt.

Es ist also bei den neurologischen Phänomenen so, wie bei den psychischen Phänomenen.

Auch bei den psychischen Phänomenen gibt es keine definierte und bestimmbare Relation zwischen dem psychischen Phänomen auf der einen Seite und der neuronalen Funktion auf der anderen Seite, in deren Folge das psychische Phänomen entsteht (Weiteres dazu auf Poster 6: Diagnosis in Psychiatry – the Role of Biological Markers – an investigation in the light of Immanuel Kant`s philosophy).

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(letzte Änderung 22.02.2022, abgelegt unter: Phänomen, neurologisches Phänomen, Neurologie, Definition, Diagnostik)

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