virtuelle Einheit

Eine virtuelle Einheit ist eine Einheit von der man denkt, dass es sie tatsächlich gibt.

Diese erscheint jedoch nur auf der Ebene der Vorstellungen bzw. nur als Begriff der Idee  im Bewusstsein der denkenden Person als tatsächlich existente bzw. als tatsächlich abgegrenzte Einheit.

Mit anderen Worten: diese vermeintliche Einheit erscheint infolge des schlussfolgernden Denkens im Bewusstsein der erkennenden Person als tatsächlich abgegrenzte Einheit, weil man als Mensch nicht anders als in Begriffen sinnvoll denken kann.

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Erkenntnistheoretisch bzw. philosophisch betrachtet kann man zeigen, dass die virtuelle Einheit der Begriff der transzendentalen Idee ist.

Es handelt sich dabei nämlich um eine nur problematisch zum Grund gelegte Einheit (vgl. mit Kant Zitat 8).

Diese Einheit ist also der Begriff der bloßen Idee der als systematische Einheit der Idee im Bewusstsein der erkennenden Person erscheint, falls diese die Merkmale der Idee durch das Schema der Idee geistig auffasst (vgl. mit Kant Zitat 7).

Man kann auch sagen, dass es sich dabei um ein Konzept handelt. Oder man kann auch sagen, dass dies ein regulativer Begriff im Sinne von Immanuel Kant ist, um dadurch die Erscheinungen, die man beobachtet hat, sinnvoll verstehen und erklären zu können.

Mit nochmals anderen Worten, kann man sagen, dass dies eine projektierte Einheit ist (vgl. mit Kant Zitat 5).

Die virtuelle Einheit ist also eine Einheit, die als (systematische) Einheit infolge der mentalen Prozesses, somit auf der „Ebene der Ideen“ im Bewusstsein der erkennenden bzw. der denkenden Person erscheint. (Anmerkung: griechisch phenomenon – das was erscheint, das Erscheinende)

Es ist dies also keine wirklich existente Einheit respektive keine faktische Einheit die auf der „Ebene der Objekte“ erkannt und bestimmt werden kann.

Man kann daher auch sagen, dass z.B. in der Biologie bei einem Organismus eine solche Einheit nicht auf der Ebene der physischen Funktion, etwa als biochemische Einheit, oder auf der Ebene des Nervensystems etwa als scharf abgegrenzte Funktionseinheit gefunden und bestimmt werden kann.

Sondern, es handelt sich bei einer virtuellen Einheit um eine Einheit, die auf der Ebene der Vorstellungen als der Begriff der Idee als systematische Einheit erscheint, falls die Merkmale dieser Idee, vermittelt durch das Schema der Idee aufgefasst werden (vgl. mit Kant Zitat 7).

Nachfolgend einige Beispiele für virtuelle Einheiten

Zum Beispiel ist in der Psychologie eine psychologische Einheit eine virtuelle Einheit, etwa die: Intelligenz, oder die Einheit Zuverlässigkeit, oder die Einheit Fröhlichkeit, oder die Trauer, oder die Fähigkeit usf. sind virtuelle Einheiten.

In der Psychiatrie eine psychiatrische Einheit eine virtuelle Einheit. Der Psychiater und Philosoph Karl Jaspers spricht daher davon, dass das Schema der Idee ein methodischen Hilfsmittel ist das grenzenlos korrigierbar und verwandelbar ist (vgl. mit Jaspers Zitat). Oder an anderer Stelle spricht Karl Jaspers davon, dass in der Psychiatrie die Idee der Krankheitseinheit als Einheit zwar nicht erreichbar ist, dass dies aber ein fruchtbarster Orientierungspunkt ist (vgl. mit Jaspers Zitat 6). Wie man sich überzeugt sind all die psychiatrischen Begriffe und damit all die Begriffe in Phänomenologie und der Psychopathologie in diesem Sinn  „fruchtbarste Einheiten“ bzw. fruchtbarste Orientierungspunkte um psychische Phänomene zu erfassen. Man kann also mit der Hilfe dieser fachlichen Begriffe die Sachverhalte unter gewissen Gesichtspunkten nach gewissen Typen systematisch erfassen und diagnostisch bestimmen und diese sodann in der psychiatrischen Wissenschaft systematisch studieren.

So sind in der Psychiatrie zum Beispiel die Einheiten: Psychose, Neurose, Persönlichkeitsstörung, Demenz, Organisches Psychosyndrom (OPS), Schizophrenie, Depression, ADHS, Manie, Autismus usf. virtuelle Einheiten.

Eine solche Einheit erscheint also lediglich auf der Ebene der Vorstellungen bzw. auf der Ebene der Ideen als scharf abgegrenzte Einheit (vgl. mit Jaspers Zitat 6). Auf der Ebene der Objekte bzw. auf der Ebene der neuronalen Funktion kann man bei einer psychischen Störung und somit bei einer psychiatrischen Diagnose keine wirklich abgegrenzte Einheit finden, die mit dieser mental definierten Einheit korreliert. (Weiteres dazu auf Poster 6: Diagnosis in Psychiatry – the Role of Biological Markers – an investigation in the light of Immanuel Kant`s philosophy).

Diesem Sachverhalt sind im Übrigen Robert Kendell und Assen Jablensky näher gekommen. Vergleiche mit Robert Kendell, M.D., and Assen Jablensky, M.D. Distinguishing Between the Validity and Utility of Psychaitric Diagnoses.

In der Medizin sind zum Beispiel die Einheiten: Schmerz, Migräne, Spannungskopfschmerz virtuelle Einheiten. Oder es ist die Einheit Fibromyalgie oder die Einheit Somatoforme Schmerzstörung, oder die Einheit Fatigue Syndrom eine virtuelle Einheit. Man erkennt damit, dass auch ein Teil der medizinischen Diagnosen, nämlich die syndromalen Diagnosen im engeren Sinn virtuelle Einheiten sind, wohingegen die objektiv bestimmbaren medizinischen Diagnosen keine virtuellen Einheiten sondern faktische Einheiten sind.

Oder es ist die Einheit Burnout bzw. Burnout Syndrom eine virtuelle Einheit.

In der Psychosomatik sind die Einheiten: Anorexie, Bulimie usf. virtuelle Einheiten.

Man erkennt, dass dass die Begriffe der virtuellen Einheiten regulative Begriffe im Sinn von Immanuel Kant sind, weil sie die Relation von gleichartigen Einheiten auf der Ebene der Ideen zueinander durch die unterschiedlichen Definitionen „regeln„. (vgl. mit Kant Zitat 4)

Auch im Gutachterwesen gibt es viele virtuelle Einheiten, etwa die Einheiten: Arbeitsfähigkeit, Invalidität, Berufsunfähigkeit, verminderte Erwerbsfähigkeit, Dispositionsfähigkeit, Diskretionsfähigkeit, Schuldfähigkeit, Testierfähigkeit, Geschäftsfähigkeit usf. Oder es ist die Einheit „Lenkereignung“ bei der Überprüfung der Fähigkeit ein Fahrzeug hinreichend sicher zu lenken eine virtuelle Einheit. All diese Einheiten sind nur auf der Ebene der Vorstellungen abgegrenzte Einheiten, die hier in der Form der Begriffe der Ideen erscheinen wenn die entsprechenden Merkmale unter dem jeweiligen Schema der Idee aufgefasst werden (vgl. mit Kant Zitat 7). Dabei sind all diese systematischen Einheiten nützliche und damit zweckmäßige Einheiten im Sinn von Immanuel Kant.

Auch in anderen Bereichen gibt es in diesem Sinn virtuelle Einheiten, die nur auf der Ebene der Vorstellungen als abgegrenzte Einheiten erscheinen und es sind daher – philosophisch gesprochen – all diese Einheiten die Einheiten von transzendentalen Ideen im Sinn von Immanuel Kant (vgl. mit Kant Zitat 8a).

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(letzte Änderung 22.06.2024, abgelegt unter: Definition, Diagnostik, Einheit)

zuvor pos. 1 am 24.10.2013

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