richtiger und falscher Gebrauch der medizinischen und psychiatrischen (psychologischen) Erkenntnisse

Es geschieht leicht, dass aus medizinischen und psychiatrischen (psychologischen) Erkenntnissen falsche Schlussfolgerungen abgeleitet werden.

Philosophisch betrachtet sind medizinische Erkenntnisse – inklusive der psychiatrischen (psychologischen, psychotherapeutischen) Erkenntnisse vorerst Ideen, also Vorstellungen, die die jeweils erkennende Person gewonnen hat.

In diesem Beitrag wird in Bezug auf das Kant`sche Gedankengut dargestellt und diskutiert, was beachtet werden sollte, damit keine falschen Schlussfolgerungen aus diesen Ideen abgeleitet werden.

Dabei ist zu beachten, dass bei Ideen, die nicht unmittelbar an der Erfahrung geprüft werden können, zusätzlich noch Besonderes zu berücksichtigen ist, worauf nachfolgend hingewiesen wird.

(Anmerkung: Immanuel Kant nennt Ideen, die nicht unmittelbar an der Erfahrung geprüft werden können: bloße Ideen. Zum Beispiel sind psychologische Ideen und psychiatrische Ideen  „bloße Ideen“.)

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Ideen sind nicht konstitutiv, sondern nur regulativ, schreibt Immanuel Kant (siehe Kant Zitat 3a). Sehr leicht geschieht es jedoch, dass Ideen konstitutiv gebraucht werden und infolge des falschen Gebrauchs aus diesen Ideen falsche Schlussfolgerungen abgeleitet werden.

Was damit in Bezug auf medizinische und psychologische (psychiatrische) Erkenntnisse gemeint ist, wird im Folgenden allgemein und an anderer Stelle anhand von Beispielen im Besonderen aufgezeigt und erläutert.

Gesetz der Fall: es sei eine gewisse Erkenntnis gewonnen worden, z.B. eine gewisse Diagnose festgestellt worden. So soll man nicht hergehen und aus dieser Diagnose, aus diesem festgestellten Begriff Schlussfolgerungen ableiten, wie sie allgemein mit diesem Begriff assoziiert werden, sondern sind solche Schlußfolgerungen nur relativ gültig.

Es kann sein, dass auf den konkreten Fall zutrifft, was allgemein in Bezug auf diese Diagnose gedacht und ausgesagt wird. Es kann aber auch sein, dass für den konkreten Fall, nicht unbedingt zutrifft, was generell mit diesem Begriff assoziiert wird. Die konkrete Aussage ist also jeweils der realen Situation gemäß anzupassen bzw. zu relativieren.

So ist zum Beispiel die Diagnose: Karzinom-Erkrankung sicherlich eine ernsthafte Diagnose. In Einzelfall ist aber mit der festgestellten Diagnose „Krebs“ (Karzinom-Erkrankung) noch in keiner Weise ausgesagt und gewiss, von welchem Schweregrad die Erkrankung im konkreten Fall ist, wenngleich das Wort „Krebs“ im Volksmund schon die schlimmsten Befürchtungen anklingen lässt.

Gewiss ist in einem solchen Fall lediglich die Diagnose die objektiv gewiss festgestellt werden konnte. Was jedoch den weiteren Verlauf betrifft, nämlich was die Prognose betrifft, so kann man noch nicht aus dem Begriff ableiten wie der weitere Verlauf sein wird.

Man soll sich also dessen bewusst sein, dass die Subsumption unter das Schema (und jede diagnostische Kategorie ist ein Schema, nicht gleichzeitig auch zur Folge hat, dass das, was mit diesem Schema mit diesem Begriff allgemein assoziiert wird, auf den konkreten Fall zutrifft.

Vielmehr soll man sich dessen bewusst sein, dass eine solche Erkenntnis eine relative Erkenntnis ist und nur relative Aussagen in Bezug auf das jeweilige Schema zulässt bzw. rechtfertigt.

Immanuel Kant sagt:

            “Gehen wir aber von dieser Restriktion der Idee auf den bloß regulativen Gebrauch ab, so wird die Vernunft auf so mancherlei Weise irre geführt …..” (das ganze Kant Zitat finden Sie hier)

Sehr leicht unterlaufen einem die Fehler, die Immanuel Kant die: “faule Vernunft” (ignava ratio) und die: ”verkehrte Vernunft” (perversa ratio) nennt (siehe Kant Zitat 3a ).

Der Fehler der “faulen Vernunft” (ignava ratio) kann einem sowohl bei somatischen Diagnosen, wie auch bei psychiatrischen Diagnosen (und psychologischen und psychotherapeutischen Erkenntnissen) leicht unterlaufen. Am Beispiel der Kerbs-Diagnose ist dies obenstehend ansatzweise schon diskutiert worden. 

In diesem Beitrag finden Sie weitere Beispiele, anhand derer der richtige und falsche Gebrauch der gewonnenen Ideen bzw. Erkenntnisse aufgezeigt und diskutiert wird.

Bei psychiatrischen Diagnosen (und bei psychologischen und psychotherapeutischen Erkenntnissen) und bei somatisch medizinischen Diagnosen, die nicht objektiviert werden können, kann einem in der Praxis auch leicht der Fehler unterlaufen den Immanuel Kant den Fehler der “verkehrten Vernunft” (perversa ratio) nennt (siehe Kant Zitat 3a, letzter Absatz.)

Bei diesen Diagnosen ist es so, dass die diagnostische Einheit nur “problematisch zum Grunde gelegt worden ist“. Es handelt sich also bei einer solchen Einheiten um eine hypothetisch angenommene, eine nur ”projektierte Einheit”, eine bloße Idee, die an sich selbst nicht „als etwas Wirkliches angenommen“ wird, sondern dient uns eine solche projektierte Einheit (bloße Idee) als Schema um “andere Gegenstände” (z.B. Symptome und Phänomene)  unter diesem Schema durch „reine Synthesis gemäß einer Regel der Einheit nach Begriffen“ geistig aufzufassen.

Mit anderen Worten: wir können über gewisse Dinge nur denken und nachdenken, wenn wir den Denkinhalt unter einem Begriff auffassen.

Es handelt sich also bei den so gewonnen Diagnosen (den Diagnosen in der Psychiatrie und den nicht objektivierbaren Diagnosen in der somatischen Medizin, z.B. der Diagnose Fibromyalgie) um Erkenntnisse, die in Bezug auf ”bloße Ideen“ gewonnen werden.

(Anmerkung: Im Gegensatz dazu werden objektivierbare Diagnosen in der somatischen Medizin in Bezug auf „Nicht-bloße-Ideen“ gewonnen, weil die jeweilige Idee an der Realität unmittelbar geprüft werden kann. So kann z.B. die Verdachtsdiagnose „Herzinfarkt“ durch den Nachweis von gewissen EKG Zeichen und Enzymwerten im Blut nachgewiesen das heißt objektiviert bzw. geprüft oder ausgeschlossen werden.)

In den Fällen, in denen die diagnostische Erkenntnis in Bezug auf eine “bloße Idee” gewonnen wird, ist es so, dass diese Einheit (Kategorie) nicht objektiviert werden kann. Eine solche Erkenntnis ist nicht durch ”physische Grenzen” definiert – sondern werden die Grenzen einer solchen Einheit im professionellen und wissenschaftlichen Gebrauch dogmatisch (dogma gr. Meinung, Denkart) also durch eine Übereinkunft (Konvention) definiert. So werden z.B. die derzeit gültigen psychiatrischen Kategorien im entsprechenden Abschnitt der ICD-10 Klassifikaton durch die dort beschriebenen Konventionen definiert.

Angemerkt sei an dieser Stelle, dass bezüglich der bloßen Ideen, wie wir sie in der Umgangsprache verwenden (z. B. den Begriffen „depressiv“, „traurig“, „glücklich“, „intelligent“, etc. …. ) keine expliziten Begriffsgrenzen bekannt bzw. definiert worden sind, sondern ergeben sie die jeweiligen „Grenzen“ dieser Begriffe aus der praktischen sprachlichen Verwendung (siehe dazu auch das Kant Zitat 10 und diesen Beitrag). Im Gegensatz dazu ist es jedoch beim professionellen Gebrauch dieser Begriffe notwendig – um die Sachen so gut als möglich kommunizierbar zu machen – dass Begriffsgrenzen festgelegt werden. Mit anderen Worten damit Fachleute wissen von was sie reden, müssen sie die Begriffsinhalte – soweit als möglich – definieren und beschreiben.

Philosophisch gesprochen sind solche diagnostischen Schemata also  transzendentale Schemata (vgl. mit Kant Zitat 13, letzter Absatz), welche nach teleologischen Gesichtspunkten systematische Einheiten bilden.

Vereinfacht ausgedrückt kann man sagen, dass solche diagnostischen Schemata „geistige Bezugspunkte“ darstellen, unter denen wir andere „Dinge“ auffassen können um sodann in weiterer Folge mit diesen Begriffen Überlegungen anstellen zu können.

So fassen wir zum Beispiel die Symptome die den Symptomenkomplex: „Migräne“ bilden unter diesem Begriff auf. In der Psychiatrie fassen wir z.B. die Phänomene die die Einheit  „Schizophrenie“ bilden unter diesem Begriff auf. In beiden Fällen handelt es sich bei diesen Einheiten um „geistige Bezugspunkte“, deren Grenzen wir nicht „physisch“ aufzeigen können, wenn gleich vieles dafür spricht, dass diesen gesundheitlichen Störungen ein organisches Korrelat zugrunde liegt. Die Diagnose als solche stellen wir bei beiden gesundheitlichen Störungen nicht in Bezug auf „physische“ Parameter fest – weil wir bis dato bei beiden gesundheitlichen Störungen keine „physischen“ Parameter kennen – sondern wir stellen diese Diagnosen auf der Grundlage der vorliegenden Symptome bzw. Phänomene fest.

Mit anderen Worten es handelt sich also in diesen diagnostischen Einheiten um projektierte Einheiten – die per Konvention, also gemäß einer Übereinkunft, auf der Grundlage von Erfahrungen zustande gekommen sind.

Man kann auch sagen, dass es sich bei einer solchen konventionellen Festlegung um eine dogmatische Festlegung handelt, weil die Fachleute, die sich auf diese Festlegung geeinigt haben, der Meinung sind, dass diese Definition so richtig ist.

Die Geschichte der Psychiatrie lehrt, dass die Fachleute in der jeweiligen Zeit,  jeweils auf der Grundlage ihres Wissens in der Zeit verschiedene „Meinungen“ bzw. fachliche Festlegungen getroffen und verwendet haben um psychische Störungen bzw. psychische Auffälligkeiten unter systematischen Einheiten aufzufassen.

Diese dogmatische  Basis der psychiatrischen Erkenntnisse ist also der Grund, warum in der Psychiatrie im Laufe der Zeit psychische Auffälligkeiten zu verschiedenen Zeit verschieden aufgefasst wurden, weil infolge der jeweils unterschiedlichen Ideen sich unterschiedliche bzw. verschiedene Auffassungsweisen ergaben. 

Kurz gesagt: zu verschiedenen Zeiten sind psychisch auffällige Personen unter verschiedenen Kategorien diagnostisch erfasst worden.

(An dieser Stelle darf angemerkt werden, dass erst ab der Zeit der Aufklärung überhaupt psychische Auffälligkeiten als krankheitsbedingte Störungen erkannt und aufgefasst wurden, wogegen vorher – unter Umständen – solche Auffälligkeiten durch „Verhextsein“, „Bessessenheit“, oder sonstige dämonische Einflüsse erklärt worden sind. Wie bekannt ist hat der franz. Arzt Philippe Pinel (*1745-1826) sich große Verdienste erworben in dem er die psychischen Störungen als Krankheitszustände erkannte und – wie man sagt die „Patienten von den Ketten befreite“. 

So gesehen wurden die psychiatrischen Kategorien, entsprechend dem jeweiligen Verständnis in der jeweiligen Zeit weiter entwickelt- und entwickeln sie sich auch heute noch weiter.

Diese Weiterentwicklung erfolgte also auf der Grundlage der Entwicklung der Ideen bzw. als Folge der Entwicklung des Verständnisses, wie es sich als Folge des jeweiligen „Wissens“ in der Zeit ergab. Man kann auch sagen dass sich dieses Wissen infolge der Kenntnisse der Grundlagen (der psychologischen, biologischen, physiologischen, soziologischen, genetischen und sonstigen Grundlagen) ergab bzw. auch heute noch ergibt.

Insofern hat sich das Wissen in der Psychiatrie auf der Grundlage der Kenntnisse aus der Psychologie, Biologie, Physiologie, Soziologie, Genetik und in den sonstigen Disziplinen fortentwickelt.

Ungeachtet dieses sich fortentwickelnden Wissens bzw. Verständnisses gilt jedoch nach wie vor, dass in der Psychiatrie die psychiatrischen Erkenntnisse nicht unmittelbar an der Erfahrung („am Probierstein der Erfahrung“ vgl. mit Kant Zitat 10) prüfen können, sondern gelangen wir zu den psychiatrischen Erkenntnissen auch heute noch allein auf der Grundlage der psychischen Phänomene bzw. psychopathologischen Phänomene .

Wir können also weiterhin die psychiatrischen (psychologischen und psychotherapeutischen) Erkenntnisse nur im „Geiste“, also auf der Ebene der unserer Vorstellungen mental prüfen, in dem wir Ideen gegeneinander „geistig abwägen“ und so – subjektiv gewiss – feststellen (entscheiden) was im konkreten Fall zutrifft und was nicht zutrifft.

Es handelt sich also bei den empirisch-psychiatrischen Erkenntnissen um Wahrnehmungsurteile und nicht um Erfahrungsurteile im Kant`schen Sinne.

Aus den zuvor genannten Gründen hat das „Wissen“, welches, mit Hilfe derart „projektierter Einheiten“, bzw. bloßer Ideen empirisch gewonnen wird, in doppelter Hinsicht einen nur relativen Erkenntniswert.

Erstens: ist eine solche Erkenntnis relativ, weil sie in Bezug auf eine Idee gewonnen wird. (Anmerkung: was auf für viele somatisch- medizinische Erkenntnisse gilt, z.B. für die Diagnose „Herzinfarkt“ oder die Diagnose „Tuberkulose“. Im Gegensatz zu psychiatrischen Diagnosen können jedoch diese Diagnosen bzw. Verdachtsdiagnosen an der Erfahrung geprüft werden – am Probierstein der Erfahrung – geprüft werden, was für die psychiatrischen Diagnosen nicht gilt.)

Zweitens ist eine solche Erkenntnis relativ, insofern sie sich auf eine bloße Idee womit gemeint ist dass eine solche Erkenntnis mit Hilfe einer Kategorie gewonnen wird, welche per Konvention also dogmatisch festgelegt worden ist. (vgl. mit Kant Zitat 3a, letzter Absatz „perversa ratio„)

Dies hat Auswirkungen auf die Praxis und auch Auswirkungen für die Wissenschaft zur Folge bzw. sollten diese Unterschiede in der Erkenntnisbasis in der Praxis und Wissenschaft berücksichtigt werden. (weiteres dazu finden Sie im Beitrag: Konsequenzen – Teilaspekte 3. Teil und in anderen Beiträgen siehe dazu die Links am Ende der Seite Medizinische Diagnose)

In der psychiatrischen Praxis hat die Tatsache, dass sich die Erkenntnisse nur auf Symptome (psychische Symptome / Phänomene) gründen, zur Folge dass die jeweilige Erkenntnis nur subjektiv gewiss ist und „verschieben“ sich die diagnostischen Erkenntnisse, wenn die Konvention geändert wird – wie dies beispielsweise der Schweizer Psychiater Jules Angst in der Zürcher Kohortenstudie aufgezeigt hat (siehe dazu auch die Beiträge: wissenschaftliche Studie A / wissenschaftliche Studie B).

Das heißt die nicht objektivierbaren somatisch-medizinischen Erkenntnisse und die psychiatrischen (psychologischen und psychotherapeutischen) Erkenntnisse sind in doppelter Hinsicht relativ.

Man kann auch sagen dass die nicht objektivierbaren somatisch-medizinischen Erkenntnisse und die psychiatrischen (psychologischen und psychotherapeutischen) Erkenntnisse nicht so „fix“ und „verankert“ sind, wie die objektivierbaren somatisch-medizinischen Erkenntnisse.

(Anmerkung: bei den somatisch medizinischen Erkenntnissen ist es so, dass diese infolge der „Verankerung“ durch die organischen Befunde (die „physischen“ Parameter) diese Erkenntnisse unabhängig von der Zeit, dem Ort und der Person und damit auch unabhängig von einer Konvention von fachkundigen Personen in gleicher Weise auf der Grundlage von objektiven Parametern erkannt werden. Die hat zur Folge dass am Grundsätzlichen der objektiven somatisch medizinischen Kategorien sich im Laufe der Zeit nichts mehr ändert und es kommen lediglich noch zusätzliche Erkenntnisse – im Sinne einer weiteren Spezifizierung und Differenzierung – hinzu.

Im Gegensatz dazu sind die psychiatrischen (psychologischen und psychotherapeutischen) Erkenntnisse nicht in diesem Sinne physisch „verankert“ – und wäre es auch der Natur einer Idee zuwider – sie „künstlich“ – also dogmatisch – zu „verankern“.

(Anmerkung: In diesem Sinne darf man auch froh sein, dass es gegenwärtig neben der psychiatrischen ICD Klassifikation auch noch die DSM Klassifikation gibt – weil sonst durch die ideologische Verabsolutierung noch gänzlich bei der Allgemeinheit – und auch bei vielen Fachleuten Anschein erweckt würde – dass es sich bei den psychiatrischen Erkenntnissen in gleicher Weise um „objektive“ allgemeingültige Erkenntnisse handelt, weil eine vollständige Mono-Ideologie per Konvention zustande gekommen ist – wie dies fallweise in totalitären Staaten versucht worden ist.)

Die Bemühungen in der Psychiatrie als Wissenschaft sollten also nicht dahin gehen eine Mono-Ideologie herzustellen, sondern sollten vielmehr die Bestrebungen in der Psychiatrie in die Richtung gehen, dass die psychiatrischen (psychologischen) Ideen angemessen, das heißt unter Bedachtnahme auf die vorgenannte Erkenntnisbasis und die daraus resultierende „doppelte“ Relativität entsprechend relativ verwendet werden.

Man soll also die Ideen so verwenden, wie es der Natur einer Idee entspricht (vgl. mit Kant Zitat 3a), das heißt man soll die Ideen nur regulativ und nicht konstitutiv gebrauchen.

Daher kann ein wissenschaftliches Wissen, welches auf der Basis von „Gegenständen in der Idee„, respektive „bloßen Ideen“ gewonnen worden ist in der Praxis nur als „Orientierungspunkt“ für weitere Entscheidungen dienen bzw. haben die, auf solcher Basis wissenschaftlich gewonnenen Erkenntnisse, nicht einen so hohen Erkenntniswert, wie wissenschaftlich gewonnene Erkenntnisse in anderen medizinischen Fächern, in denen die Erkenntnisse auf der Grundlage von „physischen“ Parametern bzw. „Gegenständen schlechthin“ gewonnen werden.

Als Folge dieses Sachverhalts sollte in der psychiatrischen Praxis besonders auf die richtige Verwendung der Ideen geachtet werden und sollte daher die richtige Verwendung der Ideen auch gelehrt werden.

Man kann daher auch sagen dass in der Psychiatrie die Beschränktheit und  Relativität der psychiatrischen Erkenntnisse besonders beachtet werden sollte, weil wir diese Erkenntnisse nur in unserer Vorstellung „prüfen“ können und wir keine Möglichkeit haben, diese unsere Vorstellungen anderweitig am „Probierstein der Erfahrung“ zu prüfen.

Konkret sollte daher bei der Verwendung der diagnostischen Termini auch die (dogmatische) Konvention bzw. die Klassifikation angeführt werden – weil nur in Bezug auf die jeweilige Konvention eine sinnige Aussage möglich ist – womit auch eingestanden wird, dass eine allgemeingültige (konventionsunabhängige) Aussage nicht möglich ist.

Last but not least sollte die Relativität und Begrenztheit der diagnostischen psychiatrischen Erkenntnisse im Gespräch mit dem Patienten beachtet werden und soll man nicht mit angemaßter Autorität Aussagen treffen welche in keiner Weise gerechtfertigt sind. (Stichwort: iatorgene Stigmatisierung in der Psychiatrie, weiteres dazu finden Sie in den Beiträgen: Diskussion der Frage: besteht eine Schizophrenie? und Diskussion der Frage: besteht weiterhin eine psychotische Störung?)

(Anmerkung: an dieser Stelle darf darauf hingewiesen werden, dass es auch in der somatischen Medizin leicht passiert, dass Ideen falsch verwendet werden, wenn prognostische Aussagen gemacht werden und im „spekulativen Gebrauch der Vernunft“ nicht auf die Grenzen der Erkenntnis geachtet wird – siehe dazu die Fallbeispiele.)

Von den wissenschaftlich tätigen Psychiatern, insbesondere denjenigen, die mit der Weiterentwicklung der psychiatrischen ICD-Klassifikation befasst sind, sollten die Erkenntnisgrundlagen und die „Grenzen der Erkenntnis“ beachtet und berücksichtigt werden, wenn Änderungen an den bisherigen psychiatrischen Kategorien vorgenommen und neue Kategorien in die Klassifikation aufgenommen werden. Das heißt bei Änderung der Konvention ändern sich nicht nur die Erkenntnisse als solche, sondern kommt es auch zu einer anderen Aufteilung der psychisch auffälligen Personen zu den einzelnen Kategorien. Daher können – genau genommen – psychiatrische Studien, welche z.B. unter Anwendung der ICD-10 Kategorien gewonnen worden sind, zukünftig nicht mit Studien verglichen werden, welche nach den Kriterien der zukünftigen ICD-11 Konvention erstellt werden.

Man sollte also die psychiatrisch-diagnostischen Einheiten, welche bloße Ideen im Kant`schen Sinne sind nicht missverstehen und mißdeuten und sie als konstitutive Prinzipien ansehen, weil einem sonst der Fehler der „verkehrten Vernunft (perversa ratio)“ unterläuft. (vgl. mit Kant Zitat 3a, letzter Absatz)

 (der Beitrag ist noch in Arbeit, die letzte Änderung erfolgte am 30.9.2009)

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 weiter zum Beitrag: Sondersituation der Psychiatrischen (Psychologischen) Wissenschaft

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weiter zum Beitrag: Fallbeispiele zum richtigen und falschen Gebrauch der medizinischen und psychiatrischen (psychologischen) Kategorien

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