„§ 13 VON DEN PRINZIPIEN EINER TRANSZENDENTALEN DEDUKTION ÜBERHAUPT
Die Rechtslehrer, wenn sie von Befugnissen und Anmaßungen reden, unterschieden in einem Rechtshandel die Frage über das, was Rechtens (quid juris), von der, die die Tatsache angeht (quid facti), und indem sie von beiden Beweis fordern, so nennen sie den erstern, der die Befugnis oder auch den Rechtsanspruch dartun soll, die Deduktion. Wir bedienen uns einer Menge empirischer Begriffe ohne jemandes Widerrede, und halten uns auch ohne Deduktion berechtigt, ihnen einen Sinn und eingebildete Bedeutung zuzueignen, weil wir jederzeit die Erfahrung bei der Hand haben, ihre objektive Realität zu beweisen. Es gibt indessen auch usurpierte Begriffe, wie etwa Glück, Schicksal, die zwar auch mit fast allgemeiner Nachsicht herumlaufen, aber doch bisweilen durch die Frage: quid juris, in Anspruch genommen werden, da man alsdenn wegen der Deduktion derselben in nicht geringe Verlegenheit gerät, indem man keinen deutlichen Rechtsgrund, weder aus der Erfahrung, noch der Vernunft anführen kann, dadurch die Befugnis seines Gebrauchs deutlich würde.
Unter den mancherlei Begriffen aber, die das sehr vermischte Gewebe der menschlichen Erkenntnis ausmachen, gibt es einige, die auch zum reinen Gebrauch a priori (völlig unabhängig von aller Erfahrung) bestimmt sind, und dieser ihre Befugnis bedarf jederzeit einer Deduktion; weil zu der Rechtmäßigkeit eines solchen Gebrauchs Beweise aus der Erfahrung nicht hinreichend sind, man aber doch wissen muß wie diese Begriffe sich auf Objekte beziehen können, die sie doch aus keiner Erfahrung hernehmen. Ich nenne daher die Erklärung der Art, wie sich Begriffe a priori auf Gegenstände beziehen können, die transzendentale Deduktion derselben, und unterscheide sie von der empirischen Deduktion, welche die Art anzeigt, wie ein Begriff durch Erfahrung und Reflexion über dieselbe erworben worden, und daher nicht die Rechtmäßigkeit, sondern das Faktum betrifft, wodurch der Besitz entsprungen.“
(Ende des Zitats)
Zitat aus Band III, Gesammelte Werke, Immanuel Kant: “Kritik der reinen Vernunft”, Seite 125-126, Suhrkamp Taschenbuchausgabe, herausgegeben von Wilhelm Weischedel, 1. Auflage 1974, ISBN 3-538-27653-7
.
(letzte Änderung 12.08.2019, abgelegt unter: Zitate)
.
Weiteres zur Bedeutung der transzendentalen Deduktion für die Diagnostik in Psychiatrie und Medizin in meinem Buch:
Diagnostik, Klassifikation und Systematik in Psychiatrie und Medizin
erschienen im Verlag tredition, April 2019
.
……………………………………..
weiter zu alle Kant Zitate
……………………………………………………………………..
weiter zur Seite: medizinische Diagnose – psychiatrische Diagnose
……………………………………………………………………..Sorry, this entry is only available in German.