relativieren

Unsere Erkenntnisse bzw. unsere Aussagen sind oftmals nur relativ gültig.

Daher sollten wir die Aussagen, je nach Sachverhalt angemessen relativieren.

Man sollte daher die Begriffe in der Schwebe halten wie dies Karl Jaspers in Bezug auf psychologische (psychiatrische) Erkenntnisse formuliert hat. (vgl. Jaspers Zitat 2)

In der Psychiatrie (Psychologie, Psychotherapie) sind die Aussagen praktisch immer nur relativ gültig. Daher sollte man die Aussagen relativieren. Ein psychiatrischer Begriff trifft relativ gut zu, oder er trifft relativ weniger gut zu, oder er hat in der Vorzeit gut zugetroffen, trifft nun aber – nach dem sich das klinische Erscheinungsbild geändert hat – nicht mehr gut zu und so fort.

Auch in der Medizin sind viele Aussagen nur relativ gültig, und sollten daher auch in der Medizin gewisse Aussagen relativiert werden.

Zum Beispiel ist ein Kopfschmerz vom klinisches Erscheinungsbild einer Migräne oder es entspricht das klinische Erscheinungsbild diesem Typ nicht gut zu und spricht man dann von einer migränoiden Cephalea usf.

Hingegen hat man einen Herzinfarkt erlitten oder man hat keinen Herzinfarkt erlitten. Der Begriff Herzinfarkt oder der Begriff Knochenbruch trifft absolut zu oder er trifft nicht zu.

Wir machen Aussagen durch Begriffe. Der angewandte Begriff ist allerdings oftmals jedoch nur relativ zutreffend. In diesem Sinne sollten wir daher gewisse Begriffe in der Schwebe halten und im Bedarfsfall den Begriff angemessen relativieren.

Wenn man z.B. sagt: jemand ist krank, so kann die Person schwer krank, oder (mittelschwer) krank sein, oder sie kann nur leicht krank sein. Vielleicht war sie früher schwer krank, inzwischen ist sie aber schon fast wieder gesund und ist sie daher gegenwärtig nur noch leicht krank usf.

In gleicher Weise soll man bei einer Person, bei der in der Vorzeit eine Psychose aufgetreten ist den Begriff relativieren. Wenn die Psychose inzwischen schon weitgehend abgeklungen sein, einer anderen Person, die diese Person zum ersten mal sieht keine psychischen Auffälligkeiten mehr auffallen den Begriff angemessen relativieren.

Weil also psychiatrische Begriffe bzw. psychologische Begriffe generell nur relativ und nicht absolut gültig sind sollte man sie nur relativistisch verwenden.

Demgemäß sollte man dem Patienten auch einen psychiatrischen Begriff im Bedarfsfall angemessen erklären.

Nimmt man sich diese Mühe nicht, und glaubt man irrtümlicherweise sogar, dass der Begriff (absolut) zutreffend ist, nur weil er zu einer anderen Zeit relativ besser zutreffend war – so wird man dadurch dem Patienten nicht selten schaden.

Tatsächlich wird der Patient dadurch mit einer Bezeichnung konfrontiert die der Sache nach veränderter Situation nicht mehr entspricht. Ein kritischer Patient bemerkt dies und wird in Opposition gehen. Ein Patient der sich nicht ausreichend wehren kann wird still darunter leiden.

In der Psychiatrie sollten also die fachlichen Begriff kritisch angewandt werden – und sollten die Begriffe angemessen relativiert werden. In diesem Sinne sollten Psychiater und Psychiaterinnen sich die Mühe machen die Begriffe angemessen zu erläutern weil für die Patienten viel davon abhängt. Das richtige Begriffsverständnis wird entscheiden, ob der Patient den Begriff akzeptieren kann oder er die Bezeichnung – die ja nur eine Benennung (ein Etikett) ist – berechtigt zurückweist.

Falls diese, dem individuellen Sachverhalt angemessene Erläuterung nicht erfolgt wird dadurch nicht selten eine Stigmatisierung bewirkt.

Diese Stigmatisierung erfolgt zwar unabsichtlich – nichts desto trotz ist es für den Patienten eine Belastung wenn er mit einer Vorstellung leben muss, von der er zwar ahnt, dass sie so keine Berechtigung hat und nicht zutreffend ist – gegen die er sich aber gegen die Fachperson nicht wehren kann.

Oftmals wird der Patient die nicht mehr zutreffende Bezeichnung nicht mehr los, weil man ja nicht „physisch“ beweisen kann, dass der psychiatrische Begriff nicht oder nicht mehr zutrifft.

Ein solches Problem tritt in der körperlichen Medizin nicht auf, wo man auf der Grundlage von objektiven Befunden beweisen kann, dass die Krankheit nicht mehr besteht, etwa dass eine Infektionskrankheit nicht mehr besteht.

Hingegen besteht in der Psychiatrie nicht selten das Problem, dass ein Patient die Bezeichnung für eine psychische Störung, die bei ihm irgendwann einmal aufgetreten ist, und die zu dieser Zeit durch die psychiatrische Diagnose benannt worden ist, nicht mehr los wird.

Es ist also in der Psychiatrie (Psychologie, Psychotherapie) eine vordringliche Aufgabe die verwendeten Fachbegriffe angemessen nämlich relativistisch zu verwenden.

Das heißt man sollte die fachlichen Begriffe der individuellen Situation gemäß verwenden – das heißt man sollte die Begriffe entsprechend relativieren.

Man sollte also in der Psychiatrie und Psychologie die fachlichen Begriffe mit der angemessenen Zurückhaltung verwenden und nicht mit ungerechtfertigter Autorität auftreten.

Nur dann kann man von aufgeklärtem Handeln in der psychiatrischen Praxis und psychiatrischen Wissenschaft sprechen. (vgl. mit Kant Zitat 11 zur Frage: Was ist Aufklärung?)

Immanuel Kant zeigt auf, dass eine Idee nur regulativ und nicht konstitutiv ist. (vgl. mit Kant Zitat 3a)

Wenn man in der Vorzeit glücklich gewesen ist bedeutet dies nicht, dass man immer glücklich ist und immer glücklich sein wird. Im umgekehrten Fall wenn man einmal traurig war, oder depressiv war, oder psychotisch war, bedeutet dies nicht, dass man immer so sein wird, bzw. wird der jeweilige Begriff nicht immer zutreffend sein. (vgl. mit Kant Zitat 4)

Man soll also einen psychologischen (psychiatrischen) Begriff in der Schwebe halten – wie dies Karl Jaspers formuliert hat. (vgl. mit Jaspers Zitat 2)

 

(letztes update 26.4.2011) (1-)

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