Im Rahmen der psychiatrischen Praxis hat man entdeckt, dass psychologische Zusammenhänge von Bedeutung für die Entwicklung von psychischen Störungen sind.
In gleicher Weise hat man entdeckt, dass gewisse Substanzen sich auf den Verlauf von psychischen Störungen vorteilhaft auswirken, und hat man nach der Erprobung der Substanzen begonnen diese therapeutisch einzusetzen.
Auf der Grundlage dieser Erfahrungen sind in der Psychiatrie verschiedene psychologische bzw. psychiatrische und psychotherapeutische Theorien und Therapiemethoden entwickelt worden.
Diese Theorien sind also auf der Grundlage der klinischen Erfahrung enstanden, die man mit einzelnen Patienten gemacht hatte bzw. die man in weiterer Folge mit mehreren bzw. vielen Fällen gemacht hatte. Auf diese Art und Weise konnte man diese Theorien indirekt bestätigen, wenn gleich es nicht möglich ist, im konkreten Fall eine psychiatrische Theorie am konkreten Fall objektiv gültig zu überprüfen.
Es sind also in der Psychiatrie auf der Grundlage der Erfahrung einerseits die psychologischen Theorien (z.B. die kognitiven Theorien) entstanden und auch die psychotherapeutischen Theorien – wie man sie in den einzelnen Schulen der Psychotherapie findet, nämlich in der Psychoanalyse, in der Verhaltenstherapie, in der Gesprächstherapie usf.
Dabei lehrt die klinische Erfahrung, dass im konkreten Fall, je nach den individuellen Gegebenheiten und dem konkreten Sachverhalt, mehr die eine, oder mehr die andere Theorie passend ist, und dass dem gemäß in der Behandlung mehr die eine, oder mehr die andere, oder ein kombinierte Vorgehensweise angezeigt ist und Anleitungen für die Therapie im konkreten Fall liefert. Im konkreten Fall kann man jedoch nicht auf der Grundlage von physischen Befunden bzw. auf der Grundlage objektiven und allgemein gültigen Kriterien entscheiden und überprüfen welche Theorie bzw. welche Methode die geeignetste ist, sondern man kann dies nur auf der Ebene der Vorstellungen (Ideen) entscheiden welche Vorgehensweise momentan die beste ist. (vgl. mit Kant Zitat 2)
In gleicher Weise, wie man empirisch die Möglichkeit der psychischen Einflussnahme auf die psychischen Vorgänge entdeckt hatte, hat man in der Psychiatrie auch empirisch entdeckt, dass gewisse Substanzen bei der Behandlung von psychischen Störungen wirkungsvoll eingesetzt werden können.
Auf der Grundlage dieser Erfahrungen sind die sogenannten Psychopharmaka entdeckt und deren Wirkung auf die Psyche und den Körper in weiterer Folge empirisch erforscht worden. So hat man beispielsweise Substanzen entdeckt, die sich günstig auf depressive Zustände auswirken, die als Antidepressiva bezeichnet werden. Bei psychotischen Störungen vom Typ der Schizophrenie hat man entdeckt, dass gewisse Substanzen, die als Neuroleptika bezeichnet werden, sich günstig auf diese psychischen Störungen auswirken. In gleicher Weise hat man auch andere Substanzen und Substanzgruppen entdeckt, die je nach dem sich auf gewisse psychische Phänomene vorteilhaft auswirken.
In gleicher Weise hat man in der Neurologie die Antiepileptika entdeckt, oder in der organisch körperlichen Medizin die Entzündung hemmenden Substanzen, die Blutdruck senkenden Mittel, oder die Mittel, die bei Migräne wirksam sind usf.
All diese Substanzen hat man empirisch, also auf der Grundlage der Erfahrung entdeckt, und fanden diese Mittel nach eingehender Prüfung und Erprobung den Eingang in die allgemeine klinisch-therapeutische Praxis.
Die Theorien, die die Wirkmechanismen dieser Substanzen erklären entstanden in zweiter Linie nach dem diese wirksamen Substanzen entdeckt worden waren.
Bezüglich der Antidepressiva haben sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass diese Substanzen auf die Botenstoffe (Transmitter) wirken. Daraus ergab sich die Theorie, dass die antidepressiv wirksamen Substanzen sich bezüglich der Impulsübertragung von Nervenzelle zu Nervenzelle im Bereich der Synapsen vorteilhaft auswirken. In gleicher Weise fand man Erklärungen für die Wirkung der Neuroleptika, die gewisse Auswirkungen auf die Rezeptoren auf der Nervenzelloberfläche haben. Auf diese Art und Weise fand man also sekundär Erklärungen für die Wirkungsweisen der verschiedenen therapeutisch wirksamen Substanzen.
Primär entscheidend war jedoch die Erfahrung, dass eine Substanz mehr oder weniger spezifisch wirkt, bei gleichzeitig möglichst wenig Nebenwirkungen (=unerwünschten Wirkungen). Letztlich ist es aber nicht so wichtig den genauen Wirkmechanismus zu kennen – da dieser tatsächlich im konkreten Fall auch gar nicht bekannt ist und daher auch nicht überprüfbar ist – sondern genügt es die wesentlichen therapeutischen Wirkungen zu kennen – und natürlich soll man auch mögliche Nebenwirkungen und Unverträglichkeiten kennen, um eine allenfalls auftretende nachteilige Wirkung nicht zu übersehen.
So wie man beispielweise auch heute noch nicht genau weiß wie die Substanzen des Kamillentees oder des Fencheltees bei Bauchbeschwerden wirken- so es genügt zu wissen, dass ein solcher Tee bei gegebener Indikation wirkt und wissen und wussten dies die Mütter, die diese Tees ihren kleinen Kindern geben schon seit urdenklichen Zeiten.
So wie Menschen schon vor Jahrtausenden empirisch die Wirkung von gewissen Pflanzen und Pflanzenextrakten entdeckt haben – ohne im Einzelnen zu wissen – auf welche Art und Weise die Pflanzenstoffe wirken – so hat man ebenfalls empirisch entdeckt, dass gewisse künstlich hergestellte Stoffe (chemisch synthetisch oder biochemisch hergestellte Stoffe) therapeutisch positiv wirksam sind.
In dritter Linie hat man dann im Rahmen der Forschung weitere ähnliche Substanzen erzeugt und erprobt und auf diesem Weg zum Teil noch besser wirksame Substanzen gefunden und Substanzen gefunden, die weniger Nebenwirkungen verursachen. Im Rahmen der Forschung und Erprobung noch weitere therapeutisch wirksame Substanzen entdeckt und diese nach deren Erprobung in die klinische Praxis eingeführt.
Bezüglich der Überprüfung der Theorien, die die jeweiligen Wirkungsweisen erklären, sowohl der psychologischen Theorien wie auch bezüglich der biologischen Theorien ist es allerdings so, dass man im einzelnen Fall nicht auf der Grundlage von objektiven Kriterien prüfen kann, wie und warum etwas wirkt. Man kann z.B. nicht unmittelbar „physisch“ am Wirkort, etwa am Rezeptor oder an der Synapse der Nervenzelle beim Patienten überprüfen was dort durch die Substanz bewirkt wird, sondern kann man nur auf indirekte Art und Weise, etwa in einer Zellkultur, oder indirekt durch sichtbare Veränderungen in der funktionellen Bildgebung Hinweise erlangen, dass wahrscheinlich gewisse Wirkungen durch gewisse Substanzen oder durch gewisse therapeutische Unternehmungen im Rahmen einer Therapie gewisse Wirkungen zur Folge haben. Es gibt also keine Möglichkeit direkt am Patienten den Zusammenhang zwischen der Psyche und dem Körper „physisch“ experimentell zu prüfen, wie etwas im konkreten Fall wirkt. Man kann daher diese Theorien – aus der Erfahrung abgeleitete Theorien sind – nicht empirisch am Prüfstein der Erfahrung prüfen. (vgl. mit Kant Zitat 10)
Daher handelt es sich:
Philosophisch gesprochen bei all diesen Theorien um regulative Prinzipien im Sinne von Immanuel Kant. (vgl. mit Kant Zitat 26)
Regulative Prinzipien in dem Sinne, dass durch die jeweilige Theorie der Zusammenhang der klinischen Erscheinungen (Phänomene) mit den zu Grunde liegend gedachten Ursachen nach der Analogie der Erfahrung erklärt wird. (vgl. mit Kant Zitat 26)
Im Fall einer psychologischen Theorie oder psychotherapeutischen Theorie wird der Zusammenhang von psychischen Erscheinungen (Phänomenen) im Sinn von psychischen Ursachen und psychischen Wirkungen nach der Analogie der Erfahrung erklärt. (vgl. mit Kant Zitat 26)
Im Fall der biologischen Theorie in der Psychiatrie wird der Zusammenhang von psychischen Erscheinungen (Phänomenen) mit zu Grunde liegend gedachten körperlichen (biologischen) Ursachen und deren Wirkungen auf die Psyche nach der Analogie der Erfahrung erklärt. (vgl. mit Kant Zitat 26)
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(Beitrag in Arbeit, letztes update 13.6.2013, abgelegt unter biologische Psychiatrie)
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