psychische Störung – Diagnostizieren nach Typen

Psychische Störungen werden nach Typen diagnostiziert. Karl Jasper hat erkannt, dass psychische Störungen bzw. deren diagnostische Einheiten, nämlich die psychiatrischen Diagnosen nach unterschiedlichen Typen diagnostiziert werden (vgl. mit Jaspers Zitat).

Ein Typus ist eine Idee bzw. ein Ideal welches von Menschen definiert worden ist. In der psychiatrischen Praxis und auch in der psychiatrischen Wissenschaft sieht man in einem konkreten Fall zu, ob man im Sachverhalt die charakteristischen psychischen Merkmale, also die charakteristischen psychopathologischen Phänomene findet. In diesem Sinn  schaut man in der Psychiatrischen Diagnostik, ob diese psychischen Merkmale mit den charakteristischen Merkmalen eines gewissen Typus bzw. einer gewissen psychiatrischen Kategorie übereinstimmen. Wenn dies der Fall ist, dann wird die entsprechende psychiatrische Diagnose festgestellt.

In diesem Sinn wird in der Psychiatrischen Diagnostik auf der Ebene der Vorstellungen subjektiv gültig entschieden, ob ein klinisches Erscheinungsbild einem Ideal hinreichend entspricht, das heißt es wird verglichen, ob der psychische Befund mit  dem Ideal – also mit dem Typus – hinreichend übereinstimmt oder nicht übereinstimmt.

Das heißt es stellt sich in der Psychiatrie in der psychiatrischen Praxis (und so auch in der Forensischen Psychiatrie) und auch in der psychiatrischen Wissenschaft die Frage, ob ein klinisches Erscheinungsbild mit einem Typus ausreichend übereinstimmt oder nicht übereinstimmt. Auf diese Art und Weise wird auf der Grundlage des Vergleichs von Vorstellungen (Ideen) entschieden, ob eine psychiatrische Diagnose zu stellen ist oder nicht. Das heißt wenn eine hinreichende Übereinstimmung der Ideen gefunden wird, dann wird die psychiatrische Diagnose festgestellt, sonst jedoch nicht. Man sieht damit, dass diese Entscheidung von Kriterien abhängt, die im erkennenden Subjekt gelegen sind.

Im Gegensatz dazu wird in der Medizin, dort wo medizinische Diagnosen objektivierbar sind, vorerst auch eine Idee entwickelt. Aus dem klinischen Erscheinungsbild ergibt sich auch in der körperlichen Medizin eine Vorstellung (Idee) – eine Verdachtsdiagnose. Diese Idee (Verdachtsdiagnose) kann aber, wenn es sich um eine tatsächlich objektivierbare körperliche Diagnose handelt nicht nur an einer Idee gemessen und auf dieser Grundlage  „geprüft“ werden, sondern an körperlichen Kriterien (Merkmalen) geprüft werden, ob die vermutete Diagnose zutrifft oder nicht. (Weiters dazu auf Poster 4: EMPIRICISM IN PSYCHIATRY VERSUS EMPIRICISM IN MEDICINE – IN THE LIGHT OF THE PHILOSOPHIES OF JOHN LOCKE, DAVID HUME AND IMMANUEL KANT)

Es wird also in diesem Fall nicht auf der Grundlage von Kriterien, die vom Subjekt abhängen entschieden, sondern gründet sich eine solche Diagnose auf Kriterien die durch ein real existentes Objekt bestimmt werden. (vgl. mit Kant Zitat 7)

Daher schreibt Karl Jaspers, dass eine solche Diagnose an einer Gattung geprüft wird (vgl. mit Jaspers Zitat). Es kann in einem solchen Fall auf der Ebene der real existenten, körperlichen Objekte bzw. physischen Befunde objektiv gültig entschieden werden, ob eine solche medizinische Diagnose bzw. eine solche gesundheitliche Störung (Krankheit) vorliegt oder nicht. In diesem Fall kann also objektiv gültig und damit allgemein gültig – unabhängig von einer Ideologie – erkannt und entschieden werden, ob die vermutete Krankheit (gesundheitliche Störung) vorliegt oder nicht vorliegt. Es wird in einem solchen Fall auf der Ebene der real existenten Objekte entschieden, ob eine entsprechende medizinische Diagnose vorliegt.

Hingegen kann beim Diagnostizieren einer psychischen Störungen in der Psychiatrie und beim Diagnostizieren einer nicht objektivieren funktionellen Diagnose in der Medizin nicht auf der Grundlage von real existenten Objekten bzw. nicht auf der Grundlage von objektiven Befunden (objektiven Kriterien) entschieden werden, ob eine gewisse psychische Störung vorliegt bzw. wie die psychiatrische Diagnose zu benennen ist, sondern es kann in einem solchen Fall lediglich auf der Ebene der Ideen im Hinblick auf einen Typus subjektiv gültig entschieden werden welche psychiatrische Diagnose zutreffend ist. Diesen Sachverhalt der Psychiater und Philosoph Karl Jaspers erkannt (vgl. mit Jaspers Zitat).

Man erkennt damit den grundsätzlichen Unterschied zwischen einer objektivierbaren Diagnose und einer nicht objektivierbaren Diagnose.

Eine objektivierbare Diagnose wird auf der Grundlage von körperlichen Objekten – die Immanuel Kant als Gegenstand schlechthin bezeichnet entschieden bzw. auf der Grundlage von Beschaffenheiten (Zeichen) und objektiven Merkmalen, die davon stammen, während in der Psychiatrie und bei den nicht objektivierbaren medizinischen Diagnosen die Erkenntnis (Diagnose) auf der Grundlage von nicht objektivierbaren Ideen entschieden wird. Immanuel Kant spricht in einem solchen Fall von einem Erkenntnisobjekt das uns nur als Gegenstand in der Idee zur Erkenntnis gegeben ist.

Tatsächlich handelt es sich daher bei den Ideen in der Psychiatrie um bloße Ideen im Sinn von Immanuel Kant (vgl. mit Kant Zitat 4), die die Grundlage der diagnostischen Entscheidung bilden. Es handelt sich also bei den diagnostischen Einheiten in der Psychiatrie  um definierte Typen auf deren Grundlage eine Diagnose erkannt wird (vgl. mit Jaspers Zitat).

Es kann also in der Psychiatrie und im vorgenannten Teilbereich der nicht-objektivierbaren medizinischen Diagnosen nur auf der Ebene der Vorstellungen entschieden werden was für eine Diagnose zu stellen ist.

Daher spricht Karl Jaspers bei den psychiatrischen Schemata bzw. den psychiatrischen Kategorien von methodischen Hilfsmitteln mit deren Hilfe wir die psychischen Störungen erfassen. Wie Karl Jasper gesagt hat können solche methodische Hilfsmittel grenzenlos korrigiert und verwandelt werden. (vgl. mit Jaspers Zitat)

Aus der Geschichte der Psychiatrie bzw. der Geschichte der psychiatrisch diagnostischen Einheiten ist ersichtlich, dass in diesem Sinn die psychiatrisch diagnostischen Einheiten grenzenlos korrigiert und verwandelt bzw. angepasst und modifiziert worden sind – wie dies den Fachleuten passend bzw. nützlich erschien. (vgl. mit Bleuler  Zitat). Tatsächlich sind in diesem Sinn die psychiatrischen Kategorien, etwa die der psychiatrischen ICD-10 Klassifikation oder die der DSM-IV Klassifikation durch fortlaufende Anpassungen und Modifikationen entstanden. Das heißt die psychiatrische Klassifikation hat sich auf der Grundlage von bloßen Ideen im Sinne von Immanuel Kant entwickelt. (vgl. mit Kant Zitat 4)

Im Gegensatz dazu hat in der Medizin, nach dem der objektive Grund die objektive Ursache erkannt worden ist, keine derartige Entwicklung der diagnostischen Einheiten mehr stattgefunden. Die Diagnose ist damit gleichsam objektiv „verankert“ worden (vgl. mit den Figuren auf Poster 5: CLASSIFICATION IN PSYCHIATRY).

Im Gegensatz dazu kann in der Psychiatrie eine Diagnose nicht in diesem Sinn auf der Ebene der Objekte „verankert“ werden, sondern kann eine psychiatrische Diagnose – und eine sonst nur auf der Grundlage von Symptomen und nicht-objektivierbaren Phänomenen festgestellte Diagnose nur auf der Grundlage von mental definierten Kriterien erfasst werden (vgl. mit den Figuren auf Poster 5: CLASSIFICATION IN PSYCHIATRY).

Im einen Fall kann also die Diagnose nur auf ideologischer bzw. nur auf mentaler Basis festgestellt werden, im anderen Fall auf „physischer“ Grundlage, auf der Basis von real existenten „physischen“ Objekten bzw. deren objektiven Zeichen. Dies macht den großen Unterschied zwischen den objektivierbaren (medizinischen) Diagnosen und den nicht objektivierbaren Diagnosen aus.

Der Unterschied resultiert aus der unterschiedlichen Erkenntnisbasis, also aus den unterschiedlichen Erkenntnisobjekten – wie dies Immanuel Kant aufgezeigt hat (vgl. mit Kant Zitat 7). Die einen Erkenntnisobjekte können objektiv bestimmt werden, weil es sich dabei um real existente Objekte bzw. um demonstrierbare Objekte handelt. Die anderen Erkenntnisobjekte können nicht objektiv bestimmt werden, weil es sich dabei – wie Kant es formuliert um die Schemata von Ideen handelt. Tatsächlich sind in der Psychiatrie die psychiatrischen Kategorien derartige Schemata bzw. sind dies die Schemata von nicht objektivierbaren psychiatrischen Ideen.

Daher befindet sich die Psychiatrie in einer grundsätzlich anderen Situation als die Medizin, soweit damit die objektivierbaren medizinischen Diagnosen gemeint sind. Dies hat Karl Jaspers erkannt und im Wesentlichen bereits in seinem Buch „Allgemeine Psychopathologie“ beschrieben. (vgl. mit Jaspers Zitat)

Psychische Störungen werden also immer nach Typen diagnostiziert. Man unterscheidet daher zum Beispiel in der DSM-IV Klassifikation die verschiedenen Typen der Schizophrenie (paranoider Typus, desorganisierter Typus, katatoner Typus, undifferenzierter Typus, residualer Typus). In der ICD-10 Klassifikation wird der Begriff Typus zwar nicht explizit verwendet im Grunde genommen werden jedoch ebenso Typen unterschieden, und kennt man z.B. die verschiedenen Formen der Demenz die ebenfalls nach Typen unterschieden werden (Demenz bei Alzheimer-Krankheit mit frühem Beginn (Typ 1) mit spätem Beginn (Typ 2) usf. Sowie verschiedene Typen bei diversen anderen psychiatrischen Diagnosen.

Immer kann eine psychiatrische Diagnose nur auf der Grundlage eines Typus – sprich einer Idee – festgestellt werden und es kann die psychiatrische Diagnose durch körperliche Zusatzbefunde allenfalls noch weiter spezifiziert und erläutert bzw. erklärt und (besser) verstanden werden. Wohingegen objektiv feststellbare körperliche Diagnosen auf der Grundlage der Körperlichkeit festgestellt werden. (Weiteres dazu auf Poster 6: Diagnosis in Psychiatry – the Role of Biological Markers – an investigation in the light of Immanuel Kant`s philosophy)

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(letzte Änderung 13.11.2015, abgelegt unter psychische Störung, Psychiatrie, Diagnostik)

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