Die psychiatrische ICD-10 Klassifikation ist die psychiatrische Klassifikation der psychischen Störungen wie sie von Fachleuten der WHO definiert worden ist (-> ICD-10-WHO Version 2013).
Dabei haben diese Fachleute versucht die verschiedenen psychischen Symptomenkomplexe der unterschiedlichen psychischen Störungen bestmöglich aufeinander abzustimmen, sodass die psychiatrischen Diagnosen in der Praxis und in der psychiatrischen Wissenschaft bestmöglich bestimmt werden können.
Die psychiatrische ICD Klassifikation ist ausgehend von anderen, bereits früher in Verwendung befindlichen psychiatrischen Klassifikationen entstanden.
Es sind bei der Entwicklung der psychiatrischen ICD-10 Klassifikation also im Rahmen der Revisionen durch die Operationalisierung der psychiatrischen Diagnosen die psychiatrischen Kategorien der unterschiedlichen psychischen Störungen bestmöglich aufeinander abgestimmt worden.
Erkenntnistheoretisch bzw. philosophisch betrachtet erkennt man, dass die krankheitswertigen psychischen Phänomene der unterschiedlichen psychischen Störungen auf Grundlage der unterschiedlich definierten psychiatrischen Ideen erfasst werden. Es werden in der psychiatrischen ICD-10 Klassifikation – so wie in jeder anderen psychiatrischen Klassifikation – die unterschiedlichen psychiatrischen Einheiten auf der Grundlage von definierten Ideen unter Führung von Ideen (vgl. mit Jaspers Zitat) durch das psychopathologische Denken in der psychiatrischen Diagnostik erkannt und in der psychiatrischen Klassifikation bestimmt. Diesen Sachverhalt hat der Psychiater und Philosoph Karl Jaspers realisiert und in seinem Buch „Allgemeine Psychopathologie“ und unter Verweis auf die Philosophie von Immanuel Kant aufgezeigt. Dabei sind die unterschiedlichen psychiatrischen Kategorien durch die Schemata der psychiatrisch-diagnostischen Ideen definiert, und man erkennt als Fachperson infolge der Veränderungen, wie sie im Rahmen der Revision und Operationalisierung durchgeführt worden sind, dass es sich hierbei um die Schemata von Ideen handelt, die grenzenlos korrigierbar und verwandelbar sind, weil sie sich auf definierte Typen beziehen – wie dies ebenfalls Karl Jaspers erkannt und treffend geschrieben hat (vgl. mit Jaspers Zitat).
In der Psychiatrie werden nämlich die unterschiedlichen psychischen Störungen durch die systematischen Einheiten der Ideen erkannt (vgl. mit Kant Zitat 7).
Dabei bilden diese diagnostischen Einheit – weil es systematische Einheiten sind auf der „Ebene der Ideen“ infolge der unterschiedlich definierten Begriffe dieser Ideen in ihrer Gesamtheit ein Ganzes und daher ein definiertes System.
Während man in der Medizin viele diagnostischen Einheiten der körperlichen Störungen (Krankheiten) durch objektive Befunde erkennen und allgemein gültig bestimmen kann, und so in vielen Fällen die gesundheitliche Störung (Krankheit) auf der Grundlage der Zugehörigkeit zu einer Gattung (auf der „Ebene der Objekte“) objektiv gültig bestimmen kann, ist dies in der Psychiatrie grundsätzlich nicht möglich und kann hier die psychische Erscheinung durch den Begriff der Idee nur subjektiv gültig erkannt und bestimmt werden.
Es sind in der Psychiatrie diese auf der „Ebene der Ideen“ definierten diagnostischen Einheiten also phänomenologische Einheiten. Und es können diese, weil sie sämtliche systematische Einheiten sind (vgl. mit Kant Zitat 7) nur in Bezug auf definierte Typen erkannt werden (vgl. mit Jaspers Zitat).
Während in der Heilkunde die einen gesundheitlichen Störungen durch objektive Befunde auf der „Ebene der Objekte“ allgemein gültig erkannt und bestimmt werden können, ist dies bei den psychischen Störungen grundsätzlich nicht möglich. Man kann daher sagen, dass die krankheitswertigen Erscheinungen der Psyche nur auf Grundlage von definierten psychiatrischen Konzepten erkannt werden können, die ihrerseits auf der Basis der klinischen Erfahrung und vernünftigen Überlegung von in der Psychiatrie tätigen Fachleuten als ideologisch abgegrenzte Einheiten durch die denkende Anschauung und unter Führung von Ideen (vgl. mit Jaspers Zitat) erkannt worden sind.
Weil es sich hierbei also um ideologische Einheiten handelt können diese nur auf der „Ebene der Ideen“, je nach dem angewandten Gesichtspunkt, unterschiedlich definiert und daher grenzenlos korrigiert und verwandelt werden, wie dies ebenfalls Karl Jaspers erkannt und geschrieben hat (vgl. mit Jaspers Zitat).
Demgemäß haben die Fachleute in der Psychiatrie im Rahmen der Revisionen der psychiatrischen ICD-Klassifikation diese Schemata in Bezug auf ihre Grenzen modifiziert und verändert, wie es ihnen passend schien. (griechisch: φαινόμενο (Phänomen) – das was erscheint, das Erscheinende)
Damit konnte aufgezeigt werden, dass es sich bei den psychiatrischen Diagnosen der ICD-10 Klassifikation um phänomenologische Diagnosen handelt und dass diese somit ganz andere Diagnosen als die faktischen Diagnosen in der Medizin sind.
Dabei sei erwähnt, dass es auch in der Medizin phänomenologische Diagnosen gibt und zwar sind dies die medizinischen Diagnosen, die auf der Grundlage der von nicht-objektivierbaren körperlichen Symptomenkomplexen erkannt werden.
Man sollte also in der Psychiatrie den großen Unterschied der nur subjektiv bestimmbaren psychiatrischen Diagnosen zu den objektiv bestimmbaren medizinischen Diagnosen beachten und dies in der Praxis und in der psychiatrischen Wissenschaft berücksichtigen.
Dies bedeutet: man sollte auch die Konsequenzen beachten und berücksichtigen, wie sie sich aus dem großen Unterschied in der Erkenntnisbasis ergeben (vgl. mit Kant Zitat 7), weil man sonst in ewige Widersprüche und in Streitigkeiten (vgl. mit Kant Zitat 2a) gerät – was ebenfalls schon Karl Jaspers erkannt hat, wenn er hier in seinem Buch „Allgemeine Psychopathologie“ schreibt, dass bei falscher Verwendung einer Idee Antinomien auftreten ( vgl. mit Jaspers Zitat).
In der psychiatrischen Diagnostik sollte man also beachten und berücksichtigen, dass man auch in der Psychiatrischen ICD-10 Klassifikation – so wie in jeder anderen psychiatrischen Klassifikation – etwa in der DSM-V Klassifikation die verschiedenen psychischen Störungen nur auf der Grundlage der unterschiedlichen psychischen Erscheinungen durch die verschieden definierten Begriffe der Ideen mit der philosophischen Methode der Dialektik – auf der Ebene der Ideen – in Bezug auf definierte Typen erfassen kann, wohingegen in der Medizin gewisse diagnostische Einheiten auf der Grundlage von körperlichen Fakten bzw. auf der Grundlage von körperlichen objektiven Befunden in Bezug auf die Zugehörigkeit zu Gattungen erkannt und in der Diagnostik daher allgemein gültig bestimmt werden können.
Es werden dabei in der Psychiatrie die verschiedenen psychischen Symptomenkomplexe der unterschiedlichen psychischen Störungen also völlig unabhängig von der Ätiologie, somit nur symptomatologisch auf der Ebene der Ideen geordnet, gemäß den verschieden definierten Idealen auf der Grundlage der unterschiedlichen psychiatrischen Kategorien nach einem definierten System von systematischen Einheiten erfasst.
Weil also die psychiatrischen Einheiten die Einheiten von Ideen sind und diese somit ganz andere Einheiten als die faktischen Einheiten in der Medizin sind, ist es grundsätzlich nicht möglich eine psychiatrische Diagnosen zu objektivieren. Es ist auch nicht möglich durch körperliche Befunde bzw. durch physische Befunde eine psychische Störung und damit eine psychiatrische Diagnose im Hinblick auf ihre Validität und ihre Reliabilität „physisch“ (biologisch) zu überprüfen; respektive kann man psychische Befunde durch biologische Befunde nicht valide und damit auch nicht reliabel bestimmen.
Dies bedeutet, dass durch „physische“ Befunde (biologische Befunde), wie diese z. B. mit den Methoden der Systemischen Neurowissenschaften, etwa mit der Methode der Funktionellen Magnetresonanztomographie gewonnen werden nicht validiert und auch nicht reliabel bestimmt werden können. Es ist zwar möglich durch derartige biologische Befunde gewisse psychische Störungen besser zu erklären und besser zu verstehen. In der psychiatrischen Diagnostik kann dadurch eine psychische Störung jedoch nicht physisch (biologisch) bestimmt werden. (Weiteres dazu auf Poster 6 – als PDF Datei)
Es wird damit deutlich, dass eine integrative Diagnostik – wie sie von der Biologischen Psychiatrie angestrebt wird – in der Psychiatrie grundsätzlich nicht möglich ist, sondern, dass in der Psychiatrie die verschiedenen psychischen Störungen nach wie vor nur auf der Grundlage der psychischen Anomalie und somit nur psychologisch bzw. nur psychopathologisch erkannt werden können, wie dies im Prinzip bereits Wilhelm Griesinger erkannt hat (vgl. mit Griesinger Zitat), der andererseits allerdings geglaubt hat, dass in Zukunft die psychischen Krankheiten auf der Grundlage der anatomischen Veränderungen des Gehirns bestimmt werden können (vgl. mit Griesinger Zitat).
Man kann also in der Psychiatrie die verschiedenen psychischen Störungen, nach wie vor, nur auf der Grundlage der Psychopathologie bzw. nur auf der Grundlage der Phänomenologie und somit nur mit der philosophischen Methode der Dialektik erkennen und in der psychiatrischen Diagnostik bestimmen, wenn gleich in der Psychiatrie der Gegenwart davon – und hier konkret in der psychiatrischen ICD-10 Klassifikation – nicht die Rede ist.
Vielmehr ist die Psychiatrie der Gegenwart weiterhin (vergeblich) bemüht ein kräftiger Zweig der medicinischen Wissenschaft zu sein – bzw. zu werden, wie Emil Kraepelin geglaubt hat, dass dies möglich ist und sie ein solcher Zweig sein kann (vgl. mit Kraepelin Zitat 2).
Wegen dem großen Unterschied zwischen einem Gegenstand schlechthin und einem Gegenstand in der Idee (vgl. mit Kant Zitat 7) bzw. wegen dem großen Unterschied zwischen einer faktischen Einheiten und einer systematischen Einheit respektive einer ideologischen Einheit ist dies jedoch grundsätzlich nicht möglich.
In den Worten von Karl Jaspers kann man sagen: wegen des großen Unterschieds zwischen einem Typus und einer Gattung ist dies grundsätzlich nicht möglich und kann man daher in der Psychiatrie selbst mit der operationalisierten Psychiatrischen ICD-10 Klassifikation – so wie mit jeder anderen psychiatrischen Klassifikation – auf der Grundlage von definierten Ideen nur angenähertes Wissen in Bezug auf definierte Typen erlangen und es handelt sich daher in der Psychiatrie beim psychiatrischen Wissen immer um subjektives Wissen das immer auch beschränktes Wissen ist.
Ich kann als Psychiater das Ganze als Idee nicht geradezu erkennen – sondern ich kann mich diesem Ganzen als Idee durch das Schema der Idee nur nähern – wie dies Karl Jaspers formuliert hat (vgl. mit Jaspers Zitat).
Und weil dies so ist sollten in der psychiatrischen Praxis und in der psychiatrischen Wissenschaft die Konsequenzen beachtet und berücksichtigt werden, wie sie sich aus dem Unterschied in der Erkenntnisbasis ergeben (Weiteres zu den Konsequenzen hier).
Kritische Anmerkungen zur ICD-10 Klassifikation:
In der „Allgemeinen Einleitung“ der offiziellen deutschen Übersetzung der ICD-10 Klassifikation (9. Auflage 2014, Seite 23, ISBN 978-3-456-85386-4) steht: „Wenn die in den diagnostischen Leitlinien beschriebenen Voraussetzungen vollständig erfüllt sind, kann die Diagnose als „sicher“ betrachtet werden. Sofern die Voraussetzungen nur teilweise erfüllt sind, ist es in den meisten Fällen dennoch sinnvoll, eine Diagnose zu stellen.“
Man erkennt an diesem Text, dass hier versucht wird den Widerspruch (die Antinomie) zu bewältigen, der auftritt, wenn eine psychiatrische Diagnose wie eine objektiv bestimmbare medizinische Diagnose angesehen wird, die eine faktische Diagnose ist. Kritisch betrachtet wird deutlich, dass man in der Psychiatrie eine Diagnose nur in Bezug auf ein definiertes Ideal mehr oder weniger sicher subjektiv gültig feststellen kann.
Es handelt sich bei den diagnostischen Einheiten in der Psychiatrie um wahre Orientierungspunkte (vgl. mit Jaspers Zitat 6), die unter Anwendung von definierten Ideen erkannt werden. In der Terminologie von Immanuel Kant und Karl Jaspers kann man auch sagen, dass es sich hierbei um zweckmäßige Einheiten (Immanuel Kant) handelt, mit deren Hilfe die Zusammenhänge von gewissen psychopathologischen Phänomenen durch diese fruchtbaren Orientierungspunkte (Karl Jaspers) erkannt werden.
Man kann also in der Psychiatrie mit der Hilfe dieser Schemata, in dem man diese wahren Orientierungspunkte auf die psychischen Auffälligkeiten anwendet, einerseits die einzelnen psychopathologischen Phänomene erkennen und es erkennt eine Fachperson in der Psychiatrie etwa durch die Anwendung der Psychiatrischen ICD-10 Klassifikation die einzelnen psychischen Störungen und damit die psychiatrischen Diagnosen gemäß dieser Klassifikation.
Durch die Anwendung eines solchen Schemas gelangt eine Fachperson in der Psychiatrie also zur Feststellung einer psychiatrischen Diagnose in Bezug auf einen definierten Typus. Gerade deswegen gibt es in der Psychiatrie eine psychiatrische ICD-Klassifikation neben der DSM Klassifikation (und gab es früher mehrere unterschiedliche psychiatrische Klassifikationen nebeneinander) und es gab eine ICD-9 Klassifikation vor der ICD-10 Klassifikation und wird es eine ICD-11 Klassifikation und dann eine ICD-12 Klassifikation usf. in Zukunft geben). Immer werden hier die gesundheitlichen Störungen der Psyche in Bezug auf (vorläufge) definierte Typen erkannt, die fruchtbarste Orientierungspunkte bzw. wahre Orientierungspunkte sind – die aber niemals faktische Einheiten sind.
Könnte man eine psychiatrische Diagnose tatsächlich „sicher“ feststellen, dann dürfte es nicht zwei diagnostische Möglichkeiten auf der Grundlage einer DSM Klassifikation und einer ICD Klassifikation nebeneinander geben und es dürfte dann auch nicht eine ICD-9, dann eine ICD-10 usf. Klassifikation geben. (Weiteres dazu im Sinn einer Erläuterung zum hier gesagten auf den Folien des Vortrags: Zur Diagnostik des Grenzfalls in der psychiatrischen Forensik – Untersuchung auf der Grundlage der „Allgemeinen Psychopathologie“ von Karl Jaspers und der „Kritik der reinen Vernunft“ von Immanuel Kant als PDF-Datei).
Es wird damit deutlich, dass die Psychiatrie keine Wissenschaft wie die Medizin sein kann bzw. die Psychiatrie als Wissenschaft mit der Hilfe der Biologischen Psychiatrie vergeblich versucht ein kräftiger Zweig der medicinischen Wissenschaft zu sein (vgl. mit Kraepelin Zitat 2), sondern, dass man in der Psychiatrie die diagnostischen Einheiten auf der Grundlage von psychiatrischen Konzepten auf der Ebene der Idee nur angenähert erkennen kann (vgl. mit Jasper Zitat) und sollte man eben in der psychiatrischen Praxis und in der psychiatrischen Wissenschaft die damit verbundenen Konsequenzen beachten und berücksichtigen um nicht in ewige Widersprüche und Streitigkeiten (vgl. mit Kant Zitat 2a und Kant Zitat 10) zu geraten. All dies sollte die Psychiatrie als Wissenschaft sich eingestehen, ganz einfach weil es so ist und weil das kritische Publikum zum Beispiel bei der Einführung von neuen psychiatrischen Diagnosen im Rahmen der DSM-V Revision bemerkt hat, dass die Psychiatrie eine ganz andere Wissenschaft als die Medizin ist – wie dies durch die Diskussionen in den Medien (im Internet und in den Printmedien) in der jüngeren Vergangenheit deutlich geworden ist.
Versuch der Psychiatrischen ICD-10 Klassifikation „atheoretisch“ zu sein:
Die Psychiatrische ICD-10 Klassifikation versucht „atheoretisch“ zu sein, wie dies im Vorwort der deutschen Übersetzung (9. Auflage 2014, Seite 10, letzter Absatz) steht.
Wie man anhand der Kapitel und der einzelnen psychiatrischen Kategorien innerhalb eines Kapitels der Psychiatrischen ICD-10 Klassifikation erkennen kann ist dies jedoch praktisch nicht möglich, weil man ohne den Unterschied zwischen den Ideen und damit zwischen den Begriffen in der Psychiatrie nicht psychiatrisch Denken und nicht sinnvoll argumentieren kann. Mit anderen Worten: man muss die Unterschiede der Ideen in der Psychiatrie nützen um auf der Grundlage der Gegensätze der Ideen – somit dialektisch – denken und argumentieren zu können, und man erkennt damit, dass die Psychiatrie eine ganz andere Disziplin der Heilkunde als die Medizin ist, wo diese ihre diagnostischen Einheiten auf der Ebene der Objekte durch objektive Befunde – völlig unabhängig von einer Theorie erkennen und bestimmen kann.
Wenn man in der Psychiatrie die psychiatrischen Einheiten missversteht und diese im Irrtum befangen so ansieht wie faktische Einheiten in der Medizin, dann gerät man dadurch in Widersprüche (Antinomien) wie dies Karl Jaspers erkannt hat (vgl. mit Jaspers Zitat).
Überhaupt führt das falsche Verstehen der psychiatrischen Ideen und damit das falsche Verstehen der diagnostischen Einheiten in der Psychiatrie zur Verarmung im psychiatrischen Denken, wie dies leider durch die Einführung der ICD Klassifikation weitgehend eingetreten ist, weil seither viele Fachleute in der Psychiatrie die psychiatrischen Einheiten so ansehen und handhaben, wie faktische Einheiten in der Medizin.
Damit kommt es zum Stillstand im psychiatrischen Denken, weil gleichsam die geistige Bewegung und damit die Dialektik in Folge des Fehlens der angemessenen Unterschiede der Ideen zum Stillstand kommt. Eben, weil die Fachleute in der Psychiatrie infolge des nicht mehr Beachtens der Grundlage des Wissens diesen Unterschied in den Ideen gar nicht mehr beachten und berücksichtigen.
Man glaubt dann im Irrtum befangen schon alles erkannt zu haben, nur weil man die psychischen Erscheinungen unter einem bestimmten Begriff auffassen konnte. Es werden die Sachverhalte sodann nicht mehr unter verschiedenen Gesichtspunkten gesehen und relativistisch betrachtet und es ist der Untersucher mit seinem Denken gleichsam „fertig“, wenn er eine gewisse Sichtweise gewonnen hat, die zu einer psychiatrischen Diagnose im Sinn der psychiatrischen ICD-10 Klassifikation geführt hat.
Der Umstand dass durch die Operationalisierung der psychiatrischen Kategorien der Psychiatrischen ICD-10 Klassifikation die diagnostischen Einheiten noch besser aufeinander abgestimmt worden sind, hat den Glauben und den Anschein bestärkt, dass man in der Psychiatrie nun fast so „klar“ abgegrenzte Einheiten hat, wie in der körperlichen Medizin und es wird dieser Glaube natürlich auch durch die Art der Präsentation der psychiatrischen Diagnosen von Seiten der psychiatrischen Lehre und der psychiatrischen Wissenschaft der Gegenwart bestärkt, die gerne eine Wissenschaft wie die medizinische Wissenschaft sein möchte.
Es dominiert in der Psychiatrie der Gegenwart also nach wie vor sehr stark das Verständnis von Emil Kraeplin die Sichtweise, insofern viele Fachleute in der Psychiatrie glauben, dass die Psychiatrie sich zu einem kräftigen Zweig der medicinischen Wissenschaft fortentwickelt (vgl. mit Kraepelin Zitat 2), obwohl dies kritisch betrachtet niemals möglich ist und an Stelle dessen zutreffend ist was Karl Jaspers in seinem Buch „Allgemeine Psychopathologie“ geschrieben hat, dass ich das Ganze als Idee nicht geradezu erkennen kann, sondern ich mich diesem Ganzen als Idee durch das Schema der Idee nur nähern kann (vgl. mit Jaspers Zitat).
Ergebnis der kritischen Untersuchung:
In der Psychiatrie kann man die krankheitswertigen psychischen Erscheinungen unter verschiedenen Gesichtspunkten in der Diagnostik geistig auffassen, wie dies Karl Jaspers auf der Grundlage der Philosophie von Immanuel Kant erkannt hat. Daher können psychiatrische Klassifikationen bzw. deren Kategorien verschieden definiert werden. In diesem Sinn ist die Psychiatrische ICD-10 Klassifikation eine nützliche Klassifikation wenn man beachtet, dass es sich hier bei den diagnostischen Einheiten um zweckmäßige Einheiten handelt, die völlig unabhängig von der Ätiologie der einzelnen psychischen Störung als systematische Einheiten innerhalb des definierten Systems erkannt werden.
Nur sollte man dabei die Grundlage des Wissens nicht aus den Augen verlieren um nicht in Probleme (Widersprüche) und in Schwierigkeiten zu geraten. Wenn also die psychiatrischen Ideen und damit die Begriffe der psychiatrischen Diagnosen richtig verwendet werden, wenn man beachtet, dass die psychiatrischen Diagnosen relativ in Bezug auf die jeweils angewandten Ideen gültig sind, dann gerät man nicht in Probleme und nicht in Widersprüche. Man sollte also beachten, dass eine Idee grundsätzlich nicht konstitutiv, sondern nur regulativ ist (vgl. mit Kant Zitat 3a).
Daher sollte man psychiatrisches Wissen und damit auch die psychiatrischen Diagnosen nur relativistisch verwenden und die Begriffe der Ideen deren Bedeutung und Stellenwert im konkreten Fall angemessen auslegen und erklären. Dann gerät man als Psychiater / Psychiaterin nicht in Schwierigkeiten und man kann sodann sagen, dass eine solche Fachperson eine im Sinn der Aufklärung aufgeklärte Person ist.
Nachfolgend werden die verschiedenen Gruppen der unterschiedlichen psychischen Störungen der psychiatrischen ICD-10 Klassifikation mit den Links zu den entsprechenden Wikipedia Beiträgen aufgelistet:
- 1 F00–F09 Organische, einschließlich symptomatischer psychischer Störungen
- 2 F10–F19 Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen
- 3 F20–F29 Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen
- 4 F30–F39 Affektive Störungen
- 5 F40–F48 Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen
- 6 F50–F59 Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren
- 7 F60–F69 Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen
- 8 F70–F79 Intelligenzminderung
- 9 F80–F89 Entwicklungsstörungen
- 10 F90–F98 Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend
- 11 F99 Nicht näher bezeichnete psychische Störungen
.
(letzte Änderung 28.02.2020; abgelegt unter Klassifikation, Medizin, Psychiatrie, Diagnostik, Psychopathologie, Definition)
…………………………….
weiter zum Beitrag: Klassifikation
……………………………..
weiter zum blog: Klassifikation
………………………………
weiter zur Seite: medizinische Diagnose – psychiatrische Diagnose
……………………………….Sorry, this entry is only available in German.