Man sollte die Ideen in der Psychiatrie flexibel verwenden

Man sollte die Ideen in der Psychiatrie flexibel verwenden. Man sollte sich dessen bewusst sein, dass eine psychiatrische Idee eine relative Sache ist. Eine psychiatrische Idee ist als Konzept entstanden, und ist etwas, das nur auf der Ebene der Ideen erfasst werden kann. Daher sollte man eine psychiatrische Idee flexibel verwenden.

Missversteht man eine psychiatrische Idee und glaubt man eine solche Idee fix bestimmen zu können. Glaubt man z.B. fix entscheiden zu können, ob ein Patient diese oder jene psychische Störung „hat“ –  so wie er vielleicht ein Magengewschür „hat“ – dann hat man eine psychiatrische Idee – und auch eine psychologische Idee und auch eine psychotherapeutische Idee – falsch verstanden (vgl. mit Kant Zitat 3a). Dann sucht man nach einer Erkenntnis die man letztlich nicht erlangen kann – dann gerät man in Widersprüche.

Dann beschäftigt man sich z.B. mit der Frage: „hat der Patient wirklich eine Schizophrenie“ – wenn sich der Symptomenkomplex zurück gebildet hat, und wird man dann vielleicht entscheiden, dass der Patient weiterhin eine Schizophrenie „hat“ – nur weil eine gewisse Rückfallgefahr besteht dass eine solche psychische Störung wieder auftritt. Dann wird man dem Patienten Unrecht tun – dann wird man ihm schaden – dann wird man ihn stigmatisieren – auch wenn man von Entstigmatisierung redet.

Man kann eine psychiatrische Idee nicht so bestimmen wie man ein körperliches Faktum bestimmen kann. Eine psychiatrische Idee – und auch eine psychologische Idee und auch eine psychotherapeutische Idee – ist etwas ganz anderes als eine körperliche Sache. (vgl. mit Kant Zitat 7 und mit Kant Zitat 4)

Eine psychiatrische Idee – und auch eine psychologische und auch eine psychotherapeutische Idee – ist ein psychisches Phänomen – es ist also etwas, das nur im Bewusstsein einer Person erscheint – es ist eben nur eine Idee. (vgl. mit Kant Zitat 7 und Jaspers Zitat)

Wenn man sich dieses Unterschieds zwischen einer solchen Idee und einer Idee, die man allgemein gültig bestimmen kann – weil sie sich auf eine wirklich existente Sache bezieht – nicht bewusst ist und nicht nicht beachtet – dann kann man nicht sagen, dass man die Sache richtig verstanden hat – dann kann man nicht sagen, dass man in dieser Hinsicht aufgeklärt ist.

Dann forscht man – wenn man z.B. in der psychiatrischen Wissenschaft tätig ist vielleicht weiterhin nach Grenzen von Einheiten die es nicht gibt. Dann versucht man vergeblich die Psychiatrie auf eine Basis zu stellen wie die Medizin, wo man tatsächlich gewisse Erkenntnisse objektiv gewiss feststellen kann. Dann hat man eine solche Idee noch nicht richtig verstanden. Dann sucht man etwas fixes oder glaubt etwas fixes gefunden zu haben oder finden zu können, wo man niemals etwas fixes finden kann – und vor allem wird man in diesem Fall die Ideen falsch verwenden. (vgl. mit Kant Zitat 3a)

Was nützt dann die gesamte Wissenschaft wenn man die Ideen falsch versteht und falsch verwendet? Kann man jemandem wirklich bestmöglich helfen wenn man die Erkenntnisbasis dieser Sache falsch versteht? Glaubt jemand, dass man dann trotzdem das Bestmögliche im Rahmen der psychiatrischen Forschung herausfinden kann und sodann die bestmöglichen Schlussfolgerungen daraus ziehen kann?

Man erkennt damit dass es in der Psychiatrie einen großen Bedarf nach kritischer und richtiger Verwendung der Ideen gibt. Man wird nicht sagen können, dass die Psychiatrie sich und ihre Disziplin richtig versteht, so lange sie ihre Ideen nicht richtig versteht und nicht richtig verwendet.

Man wird in der psychiatrischen Wissenschaft unendlich lang auf empirischem Wege – also auf statistischem Weg weiter forschen können und keine Grenzen der psychiatrischen Einheiten finden – weil man die Ideen falsch versteht.

In der Erkenntnisbasis findet sich der tiefer liegende Grund warum ein mentales Erkenntisobjekt etwas ganz anderes ist als ein Erkenntnisobjekt, das sich direkt auf ein real existentes Objekt bezieht. (vgl. mit Kant Zitat 7) Diesen Unterschied in der Erkenntnisbasis sollte man beachten, weil man sich ansonsten selbst täuscht – weil man ansonsten umgehend in Widersprüche (Antinomien) gerät (vgl. mit Jaspers Zitat) – ohne dies zu bemerken – und man auf der Grundlage des falschen Verstehens dieser Ideen die Ideen fix anstelle flexibel verwendet.

In dieser Hinsicht ist die Psychiatrie – und auch die Psychologie in den letzten Jahrzehnten in große Schwierigkeiten geraten. Weil man aus administrativen und wissenschaftlichen Gründen klar zuordenbare Begriffe gesucht hat. Dabei hat man sich aber getäuscht – damit hat man sich die Sache zu „einfach“ gemacht – man hat sich damit erlaubt die Erkenntnisbasis zu ignorieren.

Aber die Folgen dieses Missverständnisses sind nicht ausgeblieben. Die Psychiatrie ist seit geraumer Zeit im Begriff wiederum in einen „veralteten wurmstichigen Dogmatismus“ zu verfallen- und es passt hier das was Immanuel Kant vor mehr als 200 Jahren in der Einleitung zur „Kritik der reinen Vernunft“ geschrieben hat:

“ … In neueren Zeiten schien es zwar einmal, als sollte allen diesen Streitigkeiten durch eine gewisse Physiologie des menschlichen Verstandes (von dem berühmten Locke) ein Ende gemacht und die Rechtmäßigkeit jener Ansprüche völlig entschieden werden;  es fand sich aber daß, obgleich die Geburt jener vorgegebenen Königin, aus dem Pöbel der gemeinen Erfahrung abgeleitet wurde und dadurch ihre Anmaßung mit Recht hätte verdächtig werden müssen, dennoch, weil diese Genealogie ihr in der Tat fälschlich angedichtet war, sie ihre Ansprüche noch immer behauptete, wodurch alles wiederum in den veralteten wurmstichigen Dogmatism und daraus in die Geringschätzung verfiel, daraus man die Wissenschaft hatte ziehen wollen. Jetzt, nach dem alle Wege (wie man sich überredet) vergeblich versucht sind, herrscht Überdruß und gänzlicher Indifferentism, die Mutter des Chaos und der Nacht, in Wissenschaften, aber doch zugleich der Ursprung, wenigstens das Vorspiel einer nahen Umschaffung und Aufklärung derselben, wenn sie durch übel angebrachten Fleiß dunkel, verwirrt und unbrauchbar geworden.

Es ist nämlich umsonst, Gleichgültigkeit in Ansehung solcher Nachforschungen erkünsteln zu wollen, deren Gegenstand der menschlichen Natur nicht gleichgültig sein kann. Auch fallen jene Indifferentisten, so sehr sie sich auch durch Veränderung der Schulsprache in einem populären Ton unkenntlich zu machen gedenken, wofern sie nur überall etwas denken, in metaphysische Behauptungen unvermeidlich zurück, gegen die sie doch so viel Verachtung vorgaben. Indessen ist diese Gleichgültigkeit, die sich mitten in dem Flor aller Wissenschaften eräugnet und gerade diejenige trifft, auf deren Kenntnisse, wenn dergleichen zu haben wären, man unter allen am wenigsten Verzicht tun würde, doch ein Phänomen, das Aufmerksamkeit und Nachsinnen verdient. Sie ist offenbar die Wirkung nicht des Leichtsinns, sondern der gereiften Urteilskraft des Zeitalters, welches sich nicht länger durch Scheinwissen hinhalten läßt, und eine Aufforderung an die Vernunft, das beschwerlichste aller ihrer Geschäfte, nämlich das der Selbsterkenntnis aufs neue zu unternehmen und einen Gerichtshof einzusetzen, der sie bei ihren gerechten Ansprüchen sichere, dagegen aber alle grundlose Anmaßungen, nicht durch Machtsprüche, sondern nach ihren ewigen und unwandelbaren Gesetzen, abfertigen könne, und dieser ist kein anderer als die Kritik der reinen Vernunft selbst.“

(Zitat: Ausschnitt aus Kant Zitat 10 vorletzter Absatz)

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Weiteres, insbesondere über die Konsequenzen, finden Sie im blog: Konsequenzen.

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(Beitrag in Arbeit, letztes update 5.8.2011)

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