Neuroplastizität

Die Neuroplastizität ist das Vermögen des Nervensystems sich plastisch den Anforderungen anzupassen.

Dies bedeutet, dass die veränderte Situation zur Anpassung der neuronalen Struktur führt, die ihrerseits die angepasste neuronale Funktion ermöglicht bzw. diese zur Folge hat.

Es kommt hier also auf der Ebene der Nervenzellen zur Anpassung der neuronalen Struktur beim ausgewachsenen Individuum vor allem im Bereich der neuronalen Feinstruktur. Hier kommt es z. B. beim heranwachsenden Lebewesen  etwa im Rahmen des natürlichen Lernen (spielerisches Lernen bei Mensch und Tier – zur natürlichen neuronalen Entwicklung der neuronalen Struktur.

Oder es kommt nach einer offenen Kopfverletzung mit Gehirnverletzung zur Abheilung des Hirngewebe und dabei infolge der  Neuroplastizität auch zu Veränderungen der neuronalen Grobstruktur und natürlich im Rahmen Rehabilitation auch zu Veränderungen der neuronalen Feinstruktur (Dendritenaussprossung, Synapsenvermehrung usw.).

 

Zur Neuroplastizität beim Lernen:

Die Neuroplastizität ist beim Lernen ein entscheidender Faktor der Entwicklung. Die Neuroplastizität geht hier Hand in Hand mit der Entwicklung der Funktion in jeglicher Hinsicht. Man denke etwa an das Lernen in der Schule sowohl im Hinblick auf das Denken (in den einzelnen Fächern: Rechnen, Lesen, Schreiben, das Sprechen (Rede-Übung) also im Rahmen jeglicher Übung.

Dabei entwickelt sich Dank der Neuroplastizität auch das Nervensystem bzw. die neuronale Struktur – hier vor allem die neuronale Feinstruktur. Selbstverständlich entwickeln sich in diesem Zusammenhang auch die anderen Strukturen. Vermehrte Durchblutung bei erhöhter Anforderung.

Die positive Stimulation mit entsprechender lokaler Änderung im elektro-biochemischen Gewebe-Milieu bewirkt, die die lokale Aussprossung der Nervenzellmembran an einer Stelle (Dendritenbildung); gleichzeitig kommt es zur Synapsenvermehrung. Das heißt die Anzahl der Synapsen nimmt zu. Es kommt zur Änderung der Kontaktsituation zur benachbarten Nervenzellmembran. Weitere neuronale Muster bzw. neuronale Programme der durch das Lernen etabliert.

Unter einem anderen Gesichtspunkt betrachtet kann man sagen, dass dadurch neue neuronale Netzwerke in der sich entwickelnden neuronalen Struktur entstehen. Die Vielfältigkeit der Funktion und generell der Möglichkeiten zur Aktion nimmt zu. Also bezügliche der körperlichen Funktion (Turn-Unterricht, Schulung der Bewegung der Bewegungsabläufe in Sport und Spiel).

Es kommt hier bei positiver Stimulation also zur lokalen Aussprossung von Dendriten/Axonen im Sinn der lokalen Anpassung bei gleichzeitiger Anpassung der Kontaktsituation (Vermehrung oder Verminderung der Synapsen).

Auf diesem Weg kann infolge der Neuroplastizität das Nervensystem sich fortlaufend den Anforderungen bzw. gemäß den aktuellen Gegebenheiten anpassen und es kommt dadurch zur ständigen Modifikation der neuronalen Feinstruktur was entsprechende Auswirkungen auf die neuronale Funktion hat bzw. sich auf der Ebene der Aktion bzw. der Funktion auswirkt.

 

Neuro-biologisch-dynamisch-betrachtet kommt es hier also zur Modifikation der neuronalen Struktur im Feinbereich.

Man kann also davon ausgehen, dass es im Feinbereich des Nervengewebes auf der „Ebene der Nervenzellen“ und hier insbesondere an deren Fortsätzen zu Veränderungen kommt, die die optimierte bzw. die angepasste neuronale Funktion bewirken bzw. mit dieser korrelieren. Demgemäß kann man sagen, dass die Neuroplastizität die Entwicklung der neuronalen Feinstruktur im jeweiligen Bereich des Nervensystems bewirkt.

Man kann somit sagen, dass es dadurch im Fall der positiven Entwicklung bei vermehrter Stimulation es zum weiteren Aufbau von zusätzlicher/erweiterter neuronaler Struktur – im Sinn der individuellen Entwicklung kommt, hingegen im Fall der Passivität respektive der Inaktivität – aus welchen Gründen auch immer – etwa weil Maschinen die „Arbeit“ übernehmen (Künstliche Intelligenz – nicht der Schüler löst das Problem sondern der PC in Verbindung mit dem Internet!) kommt es zum Rückbau bereits vorhandener neuronaler Strukturen. Man erkennt damit die Gefahr der Verdummung (Verblödung) – Abnahme der Leistungsfähigkeit, der Kreativität usw.

Die verminderte Stimulation führt also zum Rückbau.

(Von Lehren hört man dass Kinder im Turnunterricht nicht mehr rückwärts gehen können, verschiedene Übungen nicht mitmachen können).

Der Mangel an Praxis führt also regelrecht zu einer Behinderung. Aus der Tierwelt ist ja bekannt dass Jungtiere die gewisse Fähigkeiten nicht rechtzeitig lernen – bei Auswilderung zu Grunde gehen, dass sie in der Natur auf sich gestellt nicht lebensfähig sind. Und dies auch nicht mehr lernen können.

In diesem Fall handelt es sich entweder um Involution infolge von Inaktivität im jungen Alter. Oder man kennt andererseits die Involution im Rahmen der natürlichen Alterung und schließlich kennt man auch noch die pathologische Involution in Folge von Krankheit, Verletzung, Zellverlust etwa nach Meningo-Encephalitis. In einem derartigen Fall kann man von pathologischer Degeneration – auf der Ebene des Nervensystems sprechen. Beziehungsweise auf der Ebene der Funktion von pathologischer Involution.

 

Neuroplastizität ermöglicht Entwicklung in positive und negative Richtung:

Die Neuroplastizität ermöglicht somit die Entwicklung in beide „Richtungen“ in die positive Richtung und in die negative Richtung bzw. kommt es entsprechend jeweils zur „Fein-Modifikation“ der jeweiligen neuronalen Strukturen.

Dies hat je nach Sichtweise Auswirkungen auf die neuronalen Netzwerke oder auf die neuronalen Aktivität oder auf die neuronale Funktion.

Diskussion Neuroplastizität – und ihre Auswirkung –  unter verschiedenen Bedingungen:

Oben stehend wurde die Neuroplastizität und ihre Wirkung unter den Bedingungen diskutiert, wie sie etwa bei normaler Aktivität – bei verminderter Aktivität und bei gesteigerter/vermehrter Aktivität auftreten.

(Beispiele dazu: in Wildnis unter natürlichen Bedingungen aufgewachsenes Tier  – im Vergleich dazu „unter-stimuliertes“ Tier in Gefangenschaft – etwa im Zoo – aufgewachsen).

Analoge Situation bei normal gefördertem Kind – und bei wenig gefördertem Kind.

Monotone Arbeit – versus stimulierende/fordernde – aber nicht überfordernde Arbeit.

Diskussion Neuroplastizität – und ihre Auswirkung –  im Rahmen von gesundheitlicher Störung:

Mangelhafte Ernährung hat sicherlich negative Auswirkungen auf die Neuroplastizität – mit klinisch sich manifestierenden Symptomen und Phänomenen. Man denke an die dadurch reduzierte bzw. beeinträchtigte körperliche Funktion und die entsprechenden Auswirkungen auf die psychische Funktion und die geistige Funktion.

Auswirkung eines akuten Traumas – eines Psychotraumas:

Unter Umständen kann ein außergewöhliches Ereignis eine Traumatisierung zur Folge haben die auch auf der Ebene des Nervensystems zu mehr oder weniger lang anhaltenden Auswirkungen führt. Ein derartiger Fall kann mit Hilfe des Konzepts der Neuroplastizität diskutiert und allenfalls neuro-biologisch begründet erklärt und verstanden werden. Man kann dadurch als den Sachverhalt auch unter dem Blickwinkel der Veränderungen auf der Ebene des Nervensystems diskutieren. um Beispiel die Auswirkung eines Psychotraumas.

Ebenso können sonstige Störungen insbesondere lang anhaltende gesundheitliche Störungen – also vor allem chronische Krankheitszustände – etwa chronische Schmerzen zu gewissen Modifikation an der neuronalen Struktur führen.

Da derartige Veränderungen immer unter dem Gesichtspunkt der relativen Veränderung – bei Berücksichtigung der Gesamtstruktur zu sehen sind, gibt es hier fließende Übergänge, wie man sie etwa von der normalen Entwicklung her kennt. Und andererseits gibt es Veränderungen wie sie als Folge von mehr oder weniger lang vorhandenen Ausnahmezuständen auftreten können. Derartige Einflüsse können eine Wesensänderung mit sich bringen (Auswirkung von Krieg, Gefangenschaft unter sehr schlechten Bedingungen etc.)

Neuronale Entwicklung anhand von drei Beispielen diskutiert:

Als exemplarisches Beispiel für die normale neuroplastische Veränderung bzw. Entwicklung sei die normale Prägung im Rahmen der normalen Entwicklung als erstes Beispiel (1) genannt.

Als Beispiel (2): sei die neuroplastische Veränderung genannt, wie sie etwa nach psychischer Traumatisierung auftreten kann.

Als Beispiel (3) sei die Auswirkung der Inaktivität genannt, die zum Rückbau der neuronalen Feinstruktur führt – unter dem Motto: „wer rastet der rostet“.

Man kann also festhalten, dass das Konzept Neuroplastizität eine biologischen Erklärung für unterschiedliche Formen von Entwicklung am Nervensystem im Hinblick auf die Funktionalität liefert.

Gezielte Förderung der neuronalen Funktion: 

Die Erfahrung in Bezug auf die Förderung der Entwicklung der normalen Funktion beim Menschen – und auch die klinische Erfahrung in Bezug auf die Entwicklung der gestörten Funktion – etwa nach Organschaden am Nervensystem – hat gezeigt, dass die Entwicklung durch gezielte Aktivität gefördert und befördert werden kann. Es kommt dadurch offensichtlich zur Beförderung der neuronalen Funktion.

Daraus kann man schließen, dass die neuronale Aktivität durch die gezielte Anforderung bzw. durch die gezielte Aktivierung, sowohl im Rahmen der normalen Entwicklung wie auch im Rahmen der Rehabilitation, etwa nach Verletzung des Nervensystems, und hier insbesondere nach Verletzung des Gehirns gefördert bzw. befördert werden kann (etwa bei gezielte Aktivierung bei Zustand nach Schlaganfall/Hirnorganisches Psychosyndrom (OPS) etc.).

Mit anderen Worten: der erwähnte Sachverhalt lässt darauf schließen, dass im Nervensystem die biologische Entwicklung vor sich geht, die man als „plastische“ Anpassung der neuronalen Funktion bezeichnen kann – und dies kann man treffend als Neuroplastizität bezeichnen.

Mit nochmals anderen Worten kann man sagen, dass das Nervensystem durch neuroplastische Veränderungen sich an die neue Situation anpasst und dass sich dies in der Verbesserung der Funktion zeigt.

Durch diese Erfahrungen und Vorstellungen angeregt, entstand also das Konzept der Neuroplastizität.

Erkenntnistheoretisch bzw. philosophisch betrachtet handelt es sich beim Begriff Neuroplastizität um eine Idee bzw. um ein Konzept durch das man die Veränderungen in Bezug auf die Funktion durch diese Theorie biologisch begründet verstehen und erklären kann.

Man kann auch sagen, dass man durch das Konzept der Neuroplastizität den Zusammenhang der beobachteten Phänomene retrospektiv sinnvoll verstehen, erklären und interpretieren kann.

Man kann auch sagen: es beschreibt die Theorie der Neuroplastizität im Hinblick auf die gegebenen Aufgaben/Anforderungen/Notwendigkeiten/Bedürfnisse/Belastungen die Fähigkeit des Nervensystems, sich durch die biologische und funktionelle Anpassung, angemessen zu entwickeln, um dadurch die Funktion bzw. die Funktionalität bestmöglich zu entwickeln, oder nach Schädigung so weit als möglich wieder zu erlangen.

Es lassen die Erfahrungen im Rahmen der normalen Entwicklung eines Individuums also darauf schließen, dass es so etwas wie die Neuroplastizität geben muss, weil man erkannt hat, dass durch gezielte Förderung bzw. Aktivität die jeweilige Leistungsfähigkeit gesteigert werden kann (Beispiel: Förderung der Bewegungsfähigkeit durch gezielte Übungen im Sport). Ebenso kann man sich vorstellen, dass nach eingetretenem Organschaden am Nervensystem günstig sich auswirkende Veränderungen stattfinden, die die verbesserte Funktion ermöglichen – wie dies etwa im Rahmen der Rehabilitation bei optimaler Aktivierung und Beanspruchung beobachtet werden kann.

Letztlich wird durch diesen Prozess der Anpassung also die Funktionalität des Organismus gesteigert.

Weitere Erläuterungen zur Neuroplastizität aus neurobiologischer bzw. aus neurophysiologischer Sicht betrachtet: die Neuroplastizität ist aus der Sicht des Nervensystems die Fähigkeit sich auf der Ebene der Nervenzellen zu verbessern.

Beim in Entwicklung befindlichen Organismus – insbesondere intrauterin kann dies einerseits durch die Vermehrung der Nervenzellen geschehen. Weiters kann dies durch die Verbesserung der Verknüpfung der Nervenzellen geschehen die in einem neuronalen Netzwerk zusammen wirken. Man kann sich diesbezüglich vorstellen dass Anforderungen zu vermehrter elektrischer Aktivität in Bereichen des Nervensystems führen. Durch diese Aktivität angeregt können an den Kontaktstellen zwischen Nervenzellen bzw. ihren Fortsätzen – den Dentriten und Axonen – neue Synapsen gebildet werden. Auf diese Art und Weise kann sich das Nervensystem anpassen und entwickeln – auch wenn keine Nervenzellvermehrung mehr möglich ist. Es ist dies also die Fähigkeit des Nervensystems sich weiter zu differenzieren um durch diese lokale Entwicklung die neuronale Funktion zu steigern. Daher vermehrt die Neuroplastizität die Fähigkeit des Nervensystems – und letztlich die Funktion des Organismus – sich an neue oder veränderte Aufgaben anzupassen, um etwa im Rahmen der normalen Entwicklung im Laufe des Lebens, oder nach massiver Störung, oder nach Schädigung zum Beispiel nach Verletzung des Gehirns (etwa nach Kopfverletzung oder nach Schlaganfall) die geforderte Funktion wieder besser leisten zu können.

Neuroplastische Entwicklung im Hinblick auf die Funktion: Im Hinblick auf die

neuronale Aktivität kann man sagen, dass durch die Neuroplastizität der Organismus seine Funktion erweitern/verbessern/anpassen kann und dass sich damit seine Leistungsfähigkeit steigert. Es wird dadurch also etwa das Lernen und generell das Funktionieren des Nervensystems und damit die Funktionalität des Organismus gesteigert. So kann etwa nach einer eingetretenen gravierenden Störung – so zum Beispiel nach einer Entwicklungsstörung nachfolgend an ein psychisches Trauma – nach einer Phase der Erholung die neuronale Funktion des Lebewesen sich in gewissen Teilbereichen oder im Ganzen erholen, sich also schrittweise adaptieren, um Schritt für Schritt wieder eine bessere Funktion zu erlangen. Es kommt infolge der Neuroplastizität also zum Beispiel zur Steigerung der psychischen Funktion und ebenso zur Steigerung der körperlichen Funktion. Auf diesem Weg kann zum Beispiel nach einem Schlaganfall infolge der Neuroplastizität im Rahmen der Rehabilitation die neurologische Funktion wesentlich gebessert werden. Die Neuroplastizität bewirkt hier also eine natürliche Funktionssteigerung falls durch bestimmte Übungen gewisse Funktionen angeregt werden, und dadurch bedingt die erwähnte Entwicklung auf biologischer Ebene in Gang kommt. Genauso kann auch im Rahmen der natürlichen Wachstums des Lebewesens durch die angemessene Stimulation die Entwicklung von Bereichen des Gehirns und anderer Bereiche des zentralen Nervensystems gefördert werden, wie dies etwa aus dem Sport, insbesondere dem Spitzensport bekannt ist (Beginn der sportlichen Aktivität ab dem frühen Kindesalter) und wie es aus der Neurologie in Bezug auf neurologische Störungen bekannt ist, und im Rahmen der Rehabilitation genützt wird.

Oder wie bereits oben stehend ausgeführt, können etwa nach einer Verletzung des Gehirns infolge der irreversiblen Nervenzellverluste (Beispiel: nach Schlaganfall) benachbarte Nervenzellen die Funktion der ausgefallenen Nervenzellen teilweise übernehmen, und es kann dadurch die Funktionalität wieder gesteigert werden. Man erkennt, wie hier im Rahmen der Genesung und Rehabilitation durch eine Überforderung einerseits Probleme auftreten können, und andererseits durch die Unterforderung die notwendige Stimulation und Entwicklung und damit die optimale Wirkung der Neuroplastizität ausbleibt. Es ist hier also, die dem Individuum  in seiner jeweiligen Situation angemessene Beanspruchung und Förderung anzustreben. Mit anderen Worten: Durch angemessene Aktivierung/Mobilisierung/Belastung/Aktivität im weitesten Sinn kann die neuronale Entwicklung positiv stimuliert und gefördert werden, sodass das bestmögliche Ergebnis erzielt wird. Es ist hier im Rahmen der Rehabilitation also das rechte Maß in jeglicher Hinsicht gefordert und es hat daher bei der therapeutischen Tätigkeit die ärztliche bzw. therapeutische Kunst und damit das subjektive Wissen bzw. die subjektive Einschätzung des Arztes/Therapeuten einen höheren Stellenwert als das Wissen das die Wissenschaft hervorbringen kann, weil  nur der Therapeut vor Ort die individuellen Gegebenheiten der betroffenen Person berücksichtigen kann.

Neuroplastische Entwicklung im Rahmen von gesundheitlicher Störung: So wie in positiver Hinsicht die natürliche neuroplastische Entwicklung stattfindet, so können als Folge von gesundheitlicher Störung neuroplastische Entwicklungen eintreten, die sich nicht unbedingt positiv auswirken. Es kann im Nervensystem unter ungünstigen Einflüssen also auch zu einer nachteiligen Entwicklung der neuronalen Strukturen kommen.  Etwa durch lang andauernde Störung kann eine nachteilige Entwicklung des Nervensystems in Gang kommen, die nachhaltig die Funktionalität des Organismus beeinträchtigt. So geben etwa die klinischen Erfahrungen Anlass davon auszugehen, dass etwa nach langer Überbelastung des Organismus durch Stress (mangelhafte Entspannung und Erholung nach Belastung) bleibende Änderungen im Nervensystem auftreten. Hier kommt es wahrscheinlich infolge des lange andauernden unvorteilhaften Verhaltes zu nachteiligen Prägungen im Sinn von unvorteilhafter Konditionierung. Dies wiederum bewirkt eine plastische Anpassung auf der Ebene des Nervensystems im Sinn der Neuroplastizität sodass selbst nach Verhaltensänderung in Richtung Normalität die abnorme Reaktion fortbesteht, weil die biologische Struktur, hier die des Nervensystems sich unvorteilhaft entwickelt hat. Derartige Änderungen auf der Ebene des Nervensystems finden wahrscheinlich auch bei einem Teil der schweren psychischen Störungen statt. Man kennt hier etwa den Begriff des Residualzustandes der den anhaltenden Zustand bzw. die bleibende Zustandsänderung im Wesen der Persönlichkeit beschreibt. Dieses Phänomen ist insbesondere zu beobachten falls in der Vorzeit eine Psychose – insbesondere vom Typ der Schizophrenie – aufgetreten ist. Auf diesem Weg kann es wahrscheinlich durch die neuroplastische Entwicklung zu nachteiligen Änderungen im Feinbereich des Nervensystems gekommen sein, und hat sich dadurch bedingt die Funktionalität grundlegend geändert. Man kennt in diesem Zusammenhang die psychopathologischen Begriffe, etwa den Begriff der „Versandung“ (man meint damit einen Verlust an seelischer Empfindsamkeit und Reaktion des Gemüts: der Affekt bzw. die Affizierbarkeit ist vermindert. Auch die Leistungsfähigkeit im Hinblick auf die Kognititon, das Vermögen zur Konzentration und damit die Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit der psychischen Funktion und auch der körperlichen Funktion können dadurch anhaltend reduziert sein. Es können durch derart nachteilige Entwicklungen also nachhaltig unvorteilhafte Änderungen in der Persönlichkeit und damit im Wesen eintreten.

Weiteres zur Neuroplastizität aus Sicht der Biologie: Zur Biologie des Nervensystems kann man sagen, dass durch die Neuroplastizität die Entwicklung der einzelnen Nervenzellen und die des ganzen Nervensystems in einem gewissen nicht näher bestimmbaren Umfang von statten geht. Es kommt auf der Ebene der Nervenzellen infolge der Neuroplastizität zur Aussprossung und Entwicklung der Dentriten. Damit kommt es auf diesem Weg zur Entstehung von zusätzlichen synaptischen Verbindungen zu anderen Nervenzellen, sodass im positiven Fall die Funktionalität des Nervensystems zunimmt. Dabei wird diese Entwicklung durch den angemessenen Reiz bzw. Anreiz befördert. Es hat hier also die Aktivität und damit die wiederholte Übung/Praxis/Aktivierung, somit die Aktivität, die zur Routine wird einen hohen Stellenwert (Übung/Gewöhnung/Gewohnheit).

Man erkennt damit, dass die Gewöhnung, die zur Gewohnheit wird weitreichende Folgen hat (Beispiel: ein Person macht wiederholt eine unvorteilhafte Bewegung – es kommt zur Entwicklung eines Tic`s).

Oder in positiver Hinsicht ein Kind hört älteren Kindern oder Erwachsenen zu und lernt neue Worte und deren Verwendung – und es entwickelt sich damit das Vermögen etwa sich in der Muttersprache oder in einer anderen Sprache zu verständigen.

Auf dieser Basis können auch neue Bewegungsmuster und damit „neue“ neuronale Muster, teils vorteilhafte, teils allerdings auch unvorteilhafte entstehen. Es kommt hier also auf der Ebene des Nervensystems zu neuen oder veränderten neuronalen Prozessen im positiven Sinn – unter Umständen auch im negativen Sinn. Man denke hier etwa an die Entstehung und Entwicklung einer Sucht. Oder an die positive Entwicklung die durch den Unterricht, die gezielte Förderung und generell durch das positive Lernen entsteht.

Deswegen positive Stimulation aber nicht zu viel – eben dem Leben und den persönlichen Möglichkeiten gemäß. Es gilt insbesondere für den älteren Menschen der Leitspruch: aktiv sein und aktiv bleiben – auch im Alltag, weil Inaktivität und Passivität zur gegenteiligen Entwicklung führen.

Die erweiterte Funktionalität infolge der Neuroplastizität geht also mit der Entwicklung der individuellen neuronalen Muster einher.

Man kann sagen, dass es infolge der Biologie und Aktivität es zur Entwicklung der hardware und der software des Nervensystems kommt und dieser Vorgang wird durch den Begriff bzw. durch das Konzept der Neuroplastizität beschrieben wird.

Die Neuroplastizität führt somit durch die organische Entwicklung zur Fortentwicklung und Ausformung der biologischen Struktur des Nervensystems und infolge davon zur Entwicklung der Funktion.

Erkenntnistheoretisch bzw. philosophisch betrachtet ist die Neuroplastizität – wie bereits oben ausgeführt – ein Konzept das die zuvor beschriebenen Vorgänge und Veränderungen im Organismus, und hier insbesondere im Nervensystem beschreibt. Dieses Konzept wurde infolge der klinischen Erfahrung entwickelt. Dabei gründet sich die Vorstellung und somit die Theorie  auf die Empirie in der Neurologie und in der Psychiatrie bzw. überhaupt auf Erfahrungen in Bezug auf gesundheitliche Störungen im Zusammenhang mit dem zentralen Nervensystem und seiner Funktion.

Ferner kann man sagen, dass philosophisch betrachtet die Neuroplastizität der Begriff der Idee ist der als systematische Einheit der Idee im Bewusstsein der (denkenden) Person erscheint, wenn diese infolge des oben beschriebenen und definierten Verständnisses eine solche Vorstellung entwickelt (vgl. mit Kant Zitat 7).

Es ist die Neuroplastizität also ein Konzept bzw. eine Theorie die die zuvor genannten Phänomene biologisch begründet erklärt und verständlich macht. Durch das Konzept der Neuroplastizität kann man also diese Zusammenhänge zwischen dem Nervensystem und der Funktion des Organismus insgesamt verstehen und erklären.

Durch das Konzept Neuroplastizität kann man die Vorgänge, wie sie in der Natur (etwa in der Zoologie) oder gemäß der klinischen Erfahrung in der Medizin, und hier insbesondere in der Neurologie (Neurorehabilitation) im Hinblick auf die neurologischen Störungen und deren Besserung eintreten durch dieses Konzept erklären und verständlich machen.

Auch in der Psychologie und Pädagogik kann man diverse Phänomene etwa im Hinblick auf das Lernen und dessen Förderung und in Bezug auf die geistige Entwicklung der Psyche dadurch biologisch begründet erklären und verstehen.

Ebenso kann man in der Psychiatrie etwa nach dem Auftreten einer schweren psychischen Störungen vom Grad einer Psychose die sodann zu beobachtende Besserung, sei diese vollständig oder teilweise durch das Konzept der Neuroplastizität erklären.

In anderer Richtung kann man das Auftreten eines Residalzustandes nach schwerer Störung der Psyche und damit die eingeschränkte psychische Funktion durch die organische Veränderung auf der Ebene des Nervensystems durch das Konzept der Neuroplastizität erklären, wenn zum Beispiel nach einer psychischen Störung vom Typ der Schizophrenie anhaltende Veränderungen bezüglich der Persönlichkeit sich manifestieren und persistieren.

So kann man auch gewisse anhaltende und nur langsam sich verändernde Störungen nach einem sogenannten Burnout Syndrom durch das Konzept der Neuroplastizität erklären und damit verstehen, warum es nur langsam zu einer Rückbildung der Störung kommt. Dies trifft auch auf andere Symptomenkomplexe zu, die mit einer ausgeprägten vegetativen Störung einher gehen, die oftmals als vegetative Dystonie bezeichnet wird.

Dabei ist die Vorstellung Neuroplastizität auf der Grundlage der Erfahrung infolge der biologischen Veränderungen respektive der Funktionsänderung entstanden bzw. haben die Erfahrungen zu dieser biologischen Theorien geführt.

Es ist die  Neuroplastizität also eine Vorstellung mit deren Hilfe man verschiedene neurologische Phänomene und auch psychische Phänomene unter diesem Gesichtspunkt – somit durch diese Theorie – verstehen und erklären kann.

Man kann durch den Begriff der Neuroplastizität unter anderem verstehen und erklären warum es nach einem Schlaganfall im Rahmen der Genesung bzw. der Rehabilitation zur Zunahme der neuronalen Funktion und damit zur Steigerung der psychischen Funktion und der neurologischen Funktion kommt.

Man hat hier also guten Grund anzunehmen, dass infolge der Neuroplastizität es zur Abnahme der Funktionsstörung kommt und damit die psychische Funktion respektive die Leistung der Psyche und auch die sonstige neuronale Funktion in körperlicher Hinsicht wieder zunimmt.

Man erklärt sich dies so, dass die Nervenzellen, die im Randbereich des Infarkts überlebt haben und auch benachbarte Zellen des Infarkt-Areals die Funktion der im Kernbereich des Infarkt-Areals gelegenen und dort abgestorbenen Zellen, im Laufe der Zeit teilweise kompensieren können. Es haben also beim Infarkt die Zellen in der Peripherie des Infarkt-Areals – gleichsam im Koma-Stadium den Infarkt überlebt – und es können diese Nervenzellen im Verbund mit anderen benachbarten Nervenzellen die frühere Aktivität und damit die frühere Funktionalität im Lauf der Erholung und Genese wieder mehr oder weniger aufnehmen, und damit die früheren Funktionen mehr oder weniger ersetzen. Dies ist die Folge der Entwicklungen auf der Ebene der Nervenzellen und der Nervenzellverbindungen. Es ist diese Funktionszunahme nach dem Koma-Stadium der Nervenzellen im Infarkt-Areal also möglich, weil gewisse Zellen durch die Sauerstoffzufuhr per Diffusion aus der benachbarten Region überlebt haben, und diese und andere Nervenzellen aus benachbarten Bereichen durch die Aussprossung der Nervenzellfortsätze, also durch die weitere Ausbildung der Dendriten und durch die Bildung von neuen Synapsen die neuronale Funktion steigern können, und damit partiell (mehr oder weniger) insgesamt die Funktion wieder – mehr oder weniger – bis weitgehend – leisten können, obwohl gewisse Nervenzellen im Zentrum des Infarkt-Areals irreversibel abgestorben sind.

In diesem Sinn kann man sich bei verschiedener Ätiologie der Störung und pathologischer Beeinträchtigung der neuronalen Funktion – in der Neurologie und auch in der Psychiatrie – sei die Störung herdförmig oder mehr oder weniger diffus aufgetreten – vorstellen, dass durch derartige (partiell) regenerative Prozesse im Sinn der Neuroplastizität die neuronale Funktion wieder verbessert werden kann.

Neuroplastische Anpassungsfähigkeit im Laufe des Lebens

Grundsätzlich ist das Nervensystem während des ganzen Lebens in der Lage sich den Gegebenheiten anzupassen. Aus der allgemeinen Erfahrung weiß man allerdings, dass beim jungen Menschen die Anpassungsfähigkeit höher ist, letztlich jedoch auch noch im hohen Lebensalter Personen noch vorhanden ist. Vor allem in Teilbereichen können im fortgeschrittenen Alter noch Fortschritte gemacht werden. Es können also auch hier noch neuroplastische Anpassungen stattfinden (z.B. bei Zustand nach Schlaganfall). Die betroffene Person bzw. deren Nervensystem ist also weiterhin lernfähig, wohingegen grundsätzliche Eigenheiten der Person in diesem Lebensalter in der Regel nicht mehr wesentlich im positiven Sinn geändert werden.

Schließlich ist noch festzuhalten dass gewisse organische Veränderungen am Nervensystem zur Änderung am Wesen führen und kann auch dieser Sachverhalt unter dem Aspekt bzw. unter Anwendung der Theorie der Neuroplastizität entsprechend diskutiert werden.

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(letzte Änderung 09.02.2024 abgelegt unter: Biologie, Definition, Gutachten, Konzept, Nervensystem, Neurologie, Psyche, Psychiatrie, biologischer Begriff)

zuvor pos 1 am 19.03.2023,

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