diagnostisches Schema

Ein diagnostisches Schema ist das Schema mit dessen Hilfe die Diagnose gestellt wird.

Dabei zeigt das diagnostische Schema die Merkmale der diagnostischen Einheit, die erfüllt sein müssen, damit diese Diagnose gestellt werden kann.

Erkenntnistheoretisch betrachtet kann man auch sagen, dass das diagnostische Schema die diagnostischen Merkmale der (diagnostischen) Kategorie zeigt.

Daher kann man die Diagnose durch die Merkmale der Kategorie bestimmen.

Dies trifft etwa auf eine histopathologische Diagnose zu.

Durch diese (diagnostischen) Merkmale kann die (diagnostische) Einheit, die eine systematische Einheit ist, als Entität mit Hilfe dieses (diagnostischen) Schemas in in der Diagnostik gestellt werden.

Beziehungsweise kann man die diagnostische Einheit dadurch in der entsprechenden Klassifikation klassifizieren.

Es zeigt das (diagnostische) Schema (der diagnostischen Idee) also die typischen Merkmale dieser diagnostischen Einheit (vgl. mit Kant Zitat 7).

Demgemäß bilden, die durch die klinische Erfahrung und per Konvention in Bezug auf die Grenzen erkannten und festgelegten respektive die definierten Kriterien der (diagnostischen) Idee die Merkmale der (diagnostischen) Kategorie bzw. die Merkmale des (diagnostischen) Schemas der Idee – und man kann daher sagen: es sind dies die diagnostischen Kriterien der Entität.

Diese Merkmale bestimmen somit die Position der Entität/der Diagnose in der Klassifikation, in Relation zu den anderen Entitäten/Diagnosen dieser Art, weil es sich hierbei um ein rational begründetes (diagnostisches) System bestehend aus systematischen Einheiten handelt.*

Man kann daher auch sagen, dass es sich hier bei der Diagnose um eine Einheit handelt, die nicht als faktische Einheit, sondern nur als systematische Einheit erkannt werden kann, weil die Einheit als Ganzes nur durch ein (klinisches) Bild – und daher nur auf der Ebene der Vorstellungen vom Untersucher durch die klinische Erscheinung „erfasst“ und in der Diagnostik bestimmt werden kann.

Man kann auch sagen: es handelt sich hier bei der Einheit um eine begriffliche Einheit – also eine Einheit, die durch den Begriff (der Idee) erkannt/erfasst/bestimmt wird, insofern alle relevanten Merkmale (der Einheit) durch das Schema (der Idee) erkannt/erfasst/bestimmt werden (vgl. mit Kant Zitat 7).

So erkennt etwa ein Histopathologe die histopathologische Entität und damit die zutreffende histopathologische Diagnose, falls die aufgefundenen Merkmale im histopathologischen Schnitt/Schnittbild den Kriterien des diagnostischen Schemas hinreichend genügen.

Oder es erkennt ein Neurologe aufgrund der klinischen Erscheinung  – respektive durch das klinische Erscheinungsbild der neurologischen Störung – hier also durch den neurologischen Symptomenkomplex ob es sich beim Kopfschmerz um eine Migräne, um einen Spannungskopfschmerz oder um sonst eine Form eines primären Kopfschmerzes handelt.

Es ist die Diagnose hier also eine Natureinheit von der man als Arzt denkt bzw. sich vorstellt, dass es tatsächlich eine solche scharf abgegrenzte Einheit im Sinne einer natürlichen Krankheitseinheit gibt. In Tat und Wahrheit konnte man in der Natur bzw. in der Klinik und daher in Forschung und Wissenschaft bis anhin jedoch keine solche physisch scharf abgegrenzte Einheit finden, und man muss daher die Grenzen der Einheit/der Entität durch das (diagnostische) Schema  der Idee (vgl. mit Kant Zitat 7definieren – sprich, man muss die Grenzen der Einheit per Konvention festlegen.

Dies bedeutet, die Fachperson kann nur auf der Ebene ihrer Vorstellungen – bzw. nur auf der „Ebene der Ideen“ – auf Grundlage von subjektiver Evidenz durch die Subsumption der aufgefundenen Kriterien unter das (diagnostische) Schema der (diagnostischen) Idee (vgl. mit Kant Zitat 7) den zutreffenden Begriff (der Idee) und damit die systematische Einheit (der Idee) subjektiv gültig erkennen und dadurch etwa in der Diagnostik subjektiv gültig entscheiden, ob die Einheit (Entität) vorhanden ist bzw. ob der (diagnostische) Begriff zutreffend ist.

Diagnostische Schemata in der Medizin:

In der Neurologie zeigt ein diagnostisches Schema die Merkmale bzw. die Kriterien auf, die erfüllt sein müssen damit die entsprechende neurologische Diagnose gestellt wird.

So wird etwa die neurologische Diagnose: Multiple Sklerose klinisch gestellt, falls die McDonald-Kriterien hinreichend erfüllt sind.

Oder es zeigt in der Inneren Medizin oder in der Rheumatologie ein diagnostisches Schema auf, welche Kernsymptome vorhanden sein müssen, damit zum Beispiel die medizinische Diagnose Fibromyalgie gestellt wird.

Ebenso zeigt in der Pathologie/Histopathologie ein diagnostisches Schema auf, welche klinischen Erscheinungen bzw. welche klinischen Merkmale im histopathologischen Bild (Schnittbild) und damit im histopathologischen Präparat unter dem Mikroskop betrachtet vorhanden sein müssen, damit eine Fachperson, also ein Pathologe/Histopathologe zum Beispiel ein follikuläres Schilddrüsenkarzinom oder ein papilläres Schilddrüsenkarzinom diagnostiziert.

Ebenso wie bei der Schilddrüse gibt es in der histopathologischen Diagnostik der Prostata (und in Bezug auf andere histopathologische Präparate) Sachverhalte, die klar ein Grading in die eine, oder in die andere diagnostische Kategorie ermöglichen, und es kann demgemäß die jeweilige Diagnose von der Fachperson gestellt werden, falls die jeweiligen Kriterien dem diagnostischen Schema gemäß hinreichend vorhanden sind.

In diesem Sinn gibt es in der Medizin diagnostische Sachverhalte die eindeutig und damit unzweifelhaft diagnostiziert werden können. Andererseits gibt es jedoch auch diagnostische Grenzfälle  in den der Sachverhalt nicht eindeutig und unzweifelhaft entschieden werden kann.

Es gibt also Fälle in denen mikroskopisch sichtbare klinische Bild/klinische Erscheinungsbild der Art des Tumors, etwa in der Histopathologie oder in der Zytopathologie nicht eindeutig einer diagnostischen Einheit zugeordnet werden kann.

Ebenso kann in der Klinik der gesundheitlichen Störungen (Krankheiten), die durch den Symptomenkomplex erkannt werden, unter Umständen ein Sachverhalt vorliegend sein, wo die klinische Erscheinung nicht eindeutig einer bestimmten diagnostischen Einheit zuordenbar ist, eben weil der Symptomenkomplex sowohl die Kriterien der einen Einheit, wie auch die einer anderen, mehr oder weniger erfüllt. Man spricht in der Heilkunde bekanntlich in einem solchen Fall von einem wenig typischen klinischen Bild oder von einem untypischen klinischen Bild/klinischen Erscheinungsbild.

Weil eine solche diagnostische Einheit also nur auf Grundlage einer Idee bzw. nur auf der Grundlage der Merkmale der Idee entschieden werden kann – ist es in einem solchen Grenzfall nicht möglich den Sachverhalt valide und reliabel zu entscheiden.

Da man eine solche diagnostische Einheit also nicht auf der Grundlage von Fakten allgemein gültig bzw. objektiv gültig entscheiden kann, bleibt die Diagnose in einem solchen Fall unter Umständen unklar bzw. kann man in Bezug auf die in Erwägung gezogene Differenzialdiagnose – hier eben die vorliegende Verdachtsdiagnose den Sachverhalt grundsätzlich nur subjektiv gültig entscheiden, eben, weil der Sachverhalt nur auf Grundlage einer definierten Idee entschieden wird (vgl. mit Kant Zitat 7) – und im gegebenen Grenzenfall nur unsicher entscheiden.*

Nachfolgend werden diagnostische Schemata in anderen Bereichen diskutiert:

Zu diagnostischen Schemata in der Psychiatrie:

In der Psychiatrie beruht die Diagnostik von allen psychischen Störungen auf diagnostischen Schemata, weil hier jede psychische Störung nur durch den charakteristischen psychischen Symptomenkomplex erfasst und bestimmt werden kann.

Es wird die jeweilige psychiatrische Diagnose also gestellt, falls die diagnostischen Kriterien gemäß der angewandten psychiatrischen Klassifikation, etwa die gemäß der  psychiatrischen ICD-10 Klassifikation oder die gemäß der DSM-V Klassifikation, hinreichend erfüllt sind. Dies gilt zum Beispiel für die Diagnostik einer psychischen Störung vom Typ einer Schizophrenie oder für eine psychische Störung vom Typ einer Depression (depressive Störung) für ein ADHS, ebenso für eine Demenz oder für sonst eine psychische Störung.

Immer müssen die Kriterien des diagnostischen Schemas erfüllt sein, und es kann nur dann die entsprechende psychiatrische Diagnose von der Fachperson, also von einem Psychiater oder einer Psychiaterin subjektiv gültig gestellt werden.

Zu diagnostischen Schemata in der Neurologie:

In der Neurologie können viele neurologische Störungen und damit die neurologischen Diagnosen nur mit Hilfe des diagnostischen Schemas gestellt werden. So kann etwa nicht aus dem bildgebenden Befund – etwa aus dem CT-Befund oder dem MRT-Befund erkannt und gewusst werden, ob etwa die betroffene Person an einer bestimmten neurologischen Störung leidet. (Ein Beispiel: allein aus dem bildgebenden Befund kann nicht gewusst werden ob die im MRT-Bild sichtbaren Läsionen klinisch relevante Symptome oder Phänomene verursachen).

Vielmehr kann durch den bildgebenden Befund nur sekundär – falls ein relevantes neurologisches Phänomen oder, ein in Frage kommendes neurologisches Symptom vorhanden ist, oder ein entsprechender neurologischer Symptomenkomplex vorhanden ist – gesagt werden, dass es sich hier beim bildgebenden Befund um die sichtbare Läsion, also um die Ursache dieser neurologischen Störung handelt. Mit anderen Worten: man kann den Sachverhalt durch den physischen Befund nur erklären, in der neurologischen Diagnostik aber nicht bestimmen.

Dies ist so, weil die Relation der klinischen Erscheinung zu ihrer Ursache nicht bekannt und grundsätzlich nicht bestimmbar ist. (Weiteres dazu in meinem Buch).

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(letzte Änderung 05.12.2020, abgelegt unter: Definition, Diagnostik, Diagnostizieren, Gutachten, Heilkunde, Medizin, Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik, Schema, Wissenschaft)

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