Psychiater Psychotherapie

Dr. med. Othmar Mäser

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Psychiater Psychotherapie

Dr. med. Othmar Mäser

Auf dieser Seite finden Sie von mir verfasste Informationen zum Themenkreis medizinisches Gutachten und psychiatrisches Gutachten. In den Beiträgen des blog Gutachten werden spezielle Themen behandelt. Die Thematik wird unter besonderer Berücksichtigung der Philosophie von Immanuel Kant behandelt.


In einem Gutachten gibt ein Sachverständiger seine fachliche Expertise zu einem Sachverhalt ab. (Anmerkung: selbstverständlich gibt es weibliche und männliche sachverständige Fachleute, der  Einfachheit halber wird diese Unterscheidung jedoch im Weiteren nicht gemacht.)

Ein Sachverständiger beurteilt einen Sachverhalt, im gegenständlichen Fall, einen medizinischen oder psychiatrischen Sachverhalt auf der Grundlage seines Fachwissens und auf der Grundlage seiner klinischen und gutachterlichen Erfahrung. Damit wird deutlich, dass hinter dem Gutachten in der Regel eine subjektive Einschätzung eines Sachverhalts steht. Könnte ein Sachverhalt und damit ein Gutachten allein auf der Grundlage von objektiven Kriterien erstellt werden – so wäre keine gutachterliche Stellungnahme/Beurteilung/Bewertung erforderlich. In der Regel ist jedoch immer, ausgehend von irgend welchen fachlichen Befunden eine Wertung bzw. eine Bewertung eines Sachverhalts auf der Grundlage der persönlichen gutachterlichen Sachkenntnis und fachlichen Erfahrung gefordert.

Ein medizinisches und auch ein psychiatrisches Gutachten basiert also immer auf einer persönlichen fachlichen Sichtweise bzw. Meinung somit auf subjektivem Wissen das sich auf subjektive Befunde und zum Teil auch auf objektive Befunde gründet. Wäre bei einem Gutachten keine subjektive Wertung erforderlich, so würden alle Sachverständigen zum selben Ergebnis gelangen. Dies ist aber in der Regel nicht der Fall, selbst dann nicht, wenn ein Gutachten sich auf objektive Merkmale bzw. auf objektive Befunde (z.B. sich auf objektive körperliche Zeichen) gründet. Hingegen stimmen erfahrene Sachverständige – in der Regel – in ihrer Einschätzung eines Sachverhalts weitgehend überein, wenn sie ihre Entscheidung auf der Grundlage von gleichen Entscheidungsvoraussetzungen treffen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn relativ eindeutige Befunde als Entscheidungsgrundlage vorliegen und wenn die Sachverständigen sich derselben Entscheidungskriterien, sprich derselben Konvention bedienen. In dieser Hinsicht gibt es allerdings wesentliche Unterschiede zwischen einem psychiatrischen Gutachten und einem medizinischen Gutachten. Der wesentliche Unterschied ergibt sich aus der Tatsache, dass medizinische Entscheidungen zum Teil auf objektivem Wissen beruhen, also sich solches Wissen auf objektive Befunde gründet. Dies sind Befunde, die objektiv gültig und damit allgemein gültig festgestellt werden können (vgl. mit Kant Zitat 9).

Im Gegensatz dazu stehen bei der psychiatrischen Begutachtung in der Regel zur Erlangung eines psychischen Befundes bzw. zur Erlangung eines psychopathologischen Befundes und damit zur Erlangung eines psychiatrischen Befundes keine derartigen Entscheidungskriterien zur Verfügung, sondern handelt es sich dabei um psychische Merkmale, also um psychische Zeichen bzw. um psychische Symptome und psychische Phänomene respektive um psychopathologische Phänomene, die nicht objektiv, sondern nur subjektiv gültig erkannt und festgestellt werden können.

Ein psychischer Befund bzw. ein psychiatrischer Befund kann immer nur subjektiv gültig festgestellt werden. Daher gelangen in der Psychiatrie Sachverständige in der Regel nur dann zu einer ähnlichen bzw. zu einer gleichartigen gutachterlichen Feststellung bzw. zu einer ähnlichen bzw. gleichartigen Einschätzung wenn der Sachverhalt typisch ist. In der Psychiatrie basieren gutachterliche Entscheidungen auf der Feststellung von psychischen Befunden bzw. auf der Grundlage der psychiatrischen Diagnosen, die in Bezug auf definierte Typen gewonnen werden (vgl. mit Karl Jaspers Zitat). Daher sind die psychiatrischen Feststellungen bzw. die psychiatrischen Diagnosen immer nur subjektiv gültig. Mit anderen Worten: psychiatrische Diagnosen können nicht auf der Grundlage von objektiven Zeichen (körperlichen Zeichen) bzw. auf der Grundlage von objektiven Befunden allgemein gültig festgestellt werden (vgl. mit Jaspers Zitat). Durch solche Befunde können sie unter Umständen allgemein anerkannt erklärt werden, aber diagnostisch bestimmt werden können sie auf dieser Grundlage nicht. (->Weiteres dazu auf Poster 6: Diagnosis in Psychiatry – the Role of Biological Markers – an investigation in the light of Immanuel Kant`s philosophy)

Im Gegensatz dazu können die objektivierbaren medizinischen Diagnosen gemäß einer objektiv feststellbaren Gattung diagnostisch allgemein gültig erfasst werden (vgl. mit dem Jaspers Zitat). In der Medizin können also gutachterliche Feststellungen oftmals durch objektiv erhebbare  körperliche Zeichen begründet allgemein gültig erkannt werden. Dies ist allerdings in der Medizin nicht immer der Fall. Es gibt auch in der Medizin Sachverhalte, die nur auf der Grundlage von subjektiv feststellbaren Zeichen, nämlich auf der Grundlage von körperlichen Symptomen – die grundsätzlich nicht objektivierbar sind – und auf der Grundlage von nicht-objektivierbaren körperlichen Phänomenen gutachterlich festgestellt und beurteilt werden können. Dies ist z.B. bei den syndromalen Diagnosen, so z.B. bei den Diagnosen: Migräne, Spannungskopfschmerz, Fibromyalgie, Fatigue Syndrom, Somatoforme Schmerzstörung (Somatisierungsstörung, Somatisierung), Vegetative Dystonie und anderen körperlichen Diagnosen der Fall.

Die Psychiatrie findet sich also in einer grundsätzlich anderen Situation als die Medizin in weiten Bereichen, insofern in der Psychiatrie sich die Erkenntnisse weitestgehend auf nur subjektiv feststellbare Befunde bzw. nur subjektiv feststellbare Merkmale gründen, die oftmals in verschiedenem Zusammenhang aufgefasst und gewertet werden können, was bei medizinischen Sachverhalten nur ausnahmsweise der Fall ist. Dies ist insbesondere für die psychischen Störungen zutreffend, die der 1. Schicht der psychiatrischen Diagnosen nach der Schichtenregel(Schichtenlehre) nach Karl Jaspers zuzuordnen sind. Bei diesen psychiatrischen Diagnosen ist die Sichtweise des Sachverhalts entscheidend, ob eine / und welche psychische Störung diagnostisch festgestellt wird. Es kommt hier also auf den Gesichtspunkt an, um in den Worten von Karl Jaspers zu sprechen, und es ist einleuchtend evident, dass in einem wenig typischen Fall und daher in einem diagnostischen Grenzfall in der Psychiatrie die Gutachten häufig divergieren.

Der Unterschied in der Erkenntnisbasis bzw. der große Unterschied zwischen den Erkenntnisobjekten (vgl. mit Kant Zitat 7) bei einem medizinischen Gutachten, das in vielen Fällen von objektiven Befunden ausgeht und einem psychiatrischen Gutachten das praktisch nur von subjektiven Befunden ausgeht, führt zu diesem Sachverhalt.

Dabei sollte man aber beachten, dass ein Gutachten, auch wenn es von objektiven Befunden ausgeht in den meisten Fällen auf einem Wahrnehmungsurteil und nicht auf einem Erfahrungsurteil im Sinne von Immanuel Kant beruht.

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(letzte Änderung 30.04.2019, abgelegt auf der Seite: Gutachten)