Medizinische Diagnostik

Die medizinische Diagnostik ist die Diagnostik durch die die unterschiedlichen Krankheiten und gesundheitlichen Störungen des Körpers systematisch erfasst werden.

Demgemäß beruht die medizinische Diagnostik so wie die medizinische Klassifikation auf der medizinischen Systematik.

In der universitären Medizin (Schulmedizin) beruht die medizinische Diagnostik nämlich auf einem System durch das die gesundheitlichen Störungen und Krankheiten des Körpers gemäß einer gegliederten Ordnung erkannt und daher systematisch bestimmt werden.

Es beruhen demgemäß die medizinische Diagnostik und die medizinische Klassifikation auf einem Verfahren durch das die einzelnen Krankheitszustände auf Basis der erhobenen Befunde durch die medizinischen Kategorien (der Klassifikation) bestimmt werden können bzw. können dadurch die entsprechenden medizinischen Diagnosen in der Praxis systematisch bestimmt werden.

Dabei ist festzuhalten, dass im jeweiligen Krankheitsfall der befasste Arzt gewisse diagnostische Einheiten/Entitäten durch objektive Befunde bestimmen kann, andere jedoch nur durch subjektive Befunde.

Dies ist so, weil gewisse gesundheitliche Störungen/Krankheiten auf Grundlage von Fakten objektiv gültig bestimmbar sind, andere jedoch nur auf Grundlage der klinischen Erscheinungen bzw. nur auf Grundlage der klinischen Erscheinungsbilder. Daher sind diese diagnostischen Einheiten nur subjektiv gültig bestimmbar.

Erkenntnistheoretisch bzw. philosophisch betrachtet wird deutlich, dass die ersteren durch faktische Einheiten erkannt und bestimmt werden, die zweit genannten können jedoch nur durch die Begriffe der Ideen und daher nur durch die systematischen Einheiten (der Ideen) erkannt werden, falls der Arzt im konkreten Fall die Merkmale der (diagnostischen) Idee durch das (diagnostische) Schema der Idee geistig auffasst (vgl. mit Kant Zitat 7).

Zum Beispiel wird die medizinische Diagnose Migräne auf Grundlage der klinischen Erscheinung bzw. durch den Symptomenkomplex vermittelt durch das diagnostische Schema der Idee erkannt und gegenüber anderen primären Kopfschmerzen durch das Gewichten der Ideen – Immanuel Kant spricht daher vom Ponderieren der Ideen – in der neurologischen Diagnostik bestimmt.

An dieser Stelle darf darauf hingewiesen werden, dass der Psychiater und Philosophen Karl Jaspers in der Psychiatrie auf Grundlage der Philosophie von Immanuel Kant realisiert hat, dass gewisse Diagnosen in Bezug auf die Zugehörigkeit zu Gattungen bestimmbar sind, andere hingegen durch das Schema der Ideen nur in Bezug auf Typen (Karl Jaspers, „Allgemeine Psychopathologie“, ab der 4. Auflage,  erschienen 1946, vgl. mit Jaspers Zitat).

Auf die Medizin angewandt wird damit deutlich, dass sich die medizinische Diagnostik bei einem Teil der Fälle auf der „Ebene des Objekte“ abspielt und daher diese gesundheitlichen Störungen/Krankheiten objektiv gültig und damit allgemein gültig bestimmbar sind (Beispiel: Knochenbruch, Herzinfarkt, Lungentuberkulose etc.), andere durch eine bloße Idee jedoch nur auf der „Ebene der Ideen“ bzw. nur mit der Hilfe eines medizinischen Konzepts (im Rahmen einer Konvention) und daher nur subjektiv gültig bestimmbar sind (Beispiel: Migräne, Spannungskopfschmerz etc.)

Man kann daher auch sagen, dass man gewisse medizinische Diagnosen auf Grundlage von objektiver Evidenz erkennen und bestimmen kann, andere jedoch nur auf Grundlage von subjektiver Evidenz.*

Im konkreten Fall leistet die medizinische Diagnostik also das Erkennen und die Bestimmung des Begriffs der körperlichen Krankheit oder der körperlichen gesundheitlichen Störung, wobei sie auf der medizinischen Systematik beruht.

Man kann demgemäß auch sagen, dass die medizinische Diagnostik die unterschiedlichen Krankheiten und die unterschiedlichen gesundheitlichen Störungen des Körpers systematisch erfasst. Demgemäß werden in der medizinischen Diagnostik auch die  Funktionsstörungen des Körpers nach einem System geordnet – somit systematisch – durch die zutreffende medizinische Diagnose erfasst. Oder es wird in der medizinischen Diagnostik ein einzelner Befund etwa ein Laborbefund im Rahmen einer Untersuchung als einzelner Parameter auf Grundlage dieses diagnostischen Systems erfasst.

Es werden in der medizinischen Diagnostik durch dieses systematische Vorgehen/Verfahren also die unterschiedlichen gesundheitlichen Störungen (Krankheiten) des Körpers gemäß den Kategorien der medizinischen Klassifikation nach einem System geordnet in der Diagnostik erfasst und bestimmt.

Und es kann sodann auf dieser Basis das erlangte Wissen in der medizinischen Wissenschaft systematisch studiert werden.

Man muss in der medizinischen Diagnostik also unterscheiden, ob ein medizinischer Sachverhalt auf Grundlage von objektive Befunden bestimmt werden kann, oder ob dies nur auf Grundlage von subjektiven Befunden möglich ist.

So kann zum Beispiel in der Neurologie die neurologische Diagnose Infarkt der Arteria cerebri media objektiv gültig in der Bildgebung durch den bildgebenden Befund bestimmt werden, wohingegen dies bei den unterschiedlichen Formen der primären Kopfschmerzen, so z. B. bei den neurologischen Diagnosen: Migräne, Spannungskopfschmerz, Clusterkopfschmerz usw. nicht möglich ist. Auch in der Histopathologie können z. B. die histopathologischen Diagnosen: papilläres Schilddrüsenkarzinom oder follikuläres Schilddrüsenkarzinom aufgrund des histopathologischen Bildes/Schnittbildes – also auf Grundlage der klinischen Erscheinung der jeweiligen Entität vom Histopathologen nur mit Hilfe des diagnostischen Schemas (der diagnostischen Idee) und daher  nur subjektiv gültig erkannt und bestimmt werden.

Demgemäß gliedert sich die medizinische Diagnostik in diagnostischen Einheiten, die durch faktische Befunde erfasst werden und in solche, die aufgrund der klinischen Erscheinung bzw. auf Grundlage des klinischen Erscheinungsbildes erfasst werden.*

Während eine objektiv bestimmbare medizinische Diagnose auf der Ebene des Körpers, somit auf der „Ebene der Objekte“, objektiv gültig und damit allgemein gültig bestimmt werden kann, ist dies bei einer Diagnose die auf Grundlage der klinischen Erscheinung erkannt wird nicht möglich, und es kann eine solche Diagnose nur durch eine Idee, die hier eine bloße Idee im Sinne von Immanuel Kant ist, erfasst werden. Man stellt sich als Arzt hier im einzelnen Fall nämlich vor, dass es tatsächlich eine solche scharf abgegrenzte und damit eindeutig bestimmbare Natureinheit* bzw. natürliche Krankheitseinheit* gibt. Kritisch betrachtet erkennt man jedoch, dass das damit erlangte Wissen nur auf Grundlage einer Idee erkannt werden kann und daher beschränktes Wissen ist. Man kann auch sagen, dass hier das medizinische Wissen subjektives Wissen ist das sich auf eine projektierte Einheit gründet. Dieser Sachverhalt wird besonders deutlich falls es sich um einen diagnostischen Grenzfall* handelt.

Man kann auch sagen, dass man eine solche medizinische Diagnose nur auf Grundlage eines medizinischen Konzepts erkennen kann. In einem derartigen Fall kann man die klinische Erscheinung nur durch das diagnostische Schema (der diagnostischen Idee) erkennen und daher nur angenähertes Wissen bzw. nur beschränktes Wissen erlangen (vgl. mit Kant Zitat 7 und Kant Zitat 8).

Man ist also in einem großen Bereich der universitären Medizin – so wie in anderen Bereichen der Heilkunde – mit mehr oder weniger stark beschränktem Wissen konfrontiert (Anmerkung: nicht nur in der Alternativmedizin/Komplementärmedizin (Homöopathie, Neuraltherapie, Osteopathie, Traditionelle Chinesische Medizin usf.).

Immer wenn die diagnostische Einheit nicht auf ein Objekt/Faktum  zurückgeführt und auf dieser Grundlage allgemein gültig bestimmt werden kann, ist dies der Fall.*

Und es kann daher in einem solchen Fall das Auftreten der gesundheitlichen Störung durch körperliche Befunde unter Umständen zwar allgemein anerkannt erklärt und dadurch die gesundheitliche Störung (Krankheit) körperlich begründet verstanden werden, aber die objektiv gültige Bestimmung der Diagnose durch körperliche Befunde ist kritisch betrachtet in einem solchen Fall nicht möglich.

Dies gilt im Übrigen auch für die psychischen Störungen in der Psychiatrie und für das Wissen in der Psychologie, Psychotherapie und Psychosomatik.

Abschließend kann  man daher festhalten, dass die Objektivierung von gewissen medizinischen Diagnosen möglich ist, in anderen Fällen ist dies jedoch wegen der ganz anderen Basis des Wissens grundsätzlich nicht möglich .

Hinweis:

Weiteres* zum Thema medizinische Diagnostik untersucht und dargestellt auf Grundlage der Philosophie von Immanuel Kant in meinem Buch:

Diagnostik, Klassifikation und Systematik in Psychiatrie und Medizin

erschienen im Verlag tredition, April 2019

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(letzte Änderung 30.11.2020, abgelegt unter: Alternativmedizin, Definition, Diagnostik, Diagnostizieren, Medizin, Medizinische Diagnostik, Psychosomatik, System, Systematik)

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