psychiatrische Erkenntnisse basieren auf psychischen Erscheinungen

Psychiatrische Erkenntnisse basieren auf psychischen Erscheinungen.

Dies sollte man in der Psychiatrie beachten und als Fachperson und somit als Psychiater/Psychiaterin bewusst sein. Tatsächlich gründen sich die psychiatrischen (psychologischen und psychotherapeutischen) Erkenntnisse auf psychische Phänomene, die im Bewusstsein der Fach-Person in Form des Begriffs (der Idee als systematische Einheit) erscheinen (vgl. mit Kant Zitat 7; gr. phenomenon – das was erscheint, das Erscheinende). Aus diesen Erscheinungen bzw. Phänomenen wird alles weitere Wissen abgeleitet.

Wenn man sich dieses Sachverhalts bewusst ist, wird man die psychiatrischen Erkenntnisse angemessen vertreten.

Wenn man sich dieses Sachverhalts nicht bewusst ist, gerät man leicht dahin die psychiatrischen (psychologischen und psychotherapeutischen) Erkenntnisse zu überschätzen.

Man sollte sich dessen also bewusst sein, dass die psychiatrischen Erkenntnisse nur relativ in Bezug auf ein definiertes Ideal gültig sind, und dass es sich daher dabei um beschränktes Wissen handelt das auf der Grundlage von definierten Ideen (vgl. mit Kant Zitat 7) gewonnen wird und nur relativistisch verwendet werden sollte.

Es ist hier das erlangte Wissen also relativ in Bezug auf die angewandte Idee gültig. Daher schreibt Immanuel Kant dass man eine psychologische Idee – und dies gilt auch für eine psychiatrische Idee – nur relativistisch verwenden sollte (vgl. mit Kant Zitat 4).

Man kann – in Anlehnung an Karl Jaspers – auch sagen, dass es sich hierbei um Wissen handelt das vermittelt durch das Schema der Idee in Bezug auf den definierten Typus erlangt wird (vgl. mit Jaspers Zitat aus der 9. Aufl. der „Allgemeinen Psychopathologie“).

Es handelt sich dabei also immer um relatives Wissen das in mehrfacher Hinsicht beschränkt ist:

Relativ in der Hinsicht, dass die Erkenntnisse grundsätzlich nur relativ gültig sind in Bezug auf die angewandten Ideen mit deren Hilfe man  sie gewinnt.

Relativ auch in der Hinsicht, dass die definierten Ideen bzw. die psychiatrischen Kategorien der psychiatrischen Diagnosen in einer psychiatrischen Klassifikation unterschiedlich definiert werden können.

Philosophisch betrachtet bzw. gesprochen handelt es sich beim Wissen in der Psychiatrie (Psychologie und Psychotherapie) also um dogmatisch fundiertes Wissen (vgl. mit Kant Zitat 10) und nicht um ein Wissen das durch die Natur (die physis) bestimmt ist.

Es sollte einem als Psychiater also bewusst sein, dass man in der Psychiatrie (Psychologie, Psychotherapie) kein objektives Wissen erlangen kann, sondern nur subjektives Wissen das in Bezug auf definierte Ideen bzw. in Bezug auf definierte Typen (Karl Jaspers) erlangt wird das grundsätzlich relativ gültig ist bzw. das relatives Wissen ist.

Kurz gesagt – solches Wissen ist von der subjektiven Auffassungsweise und auch von den angewandten Ideen bzw. Konzepten abhängig.

Daraus folgt, dass man den psychischen Sachverhalt auch anders sehen kann als man ihn gerade sieht.

In Kenntnis dieser Relativität wird man hergehen und den konkreten Sachverhalt auch in Bezug auf andere Ideen betrachten, um eventuell herauszufinden, ob unter Umständen durch eine andere Sichtweise relevantes zu erkennen ist. Man wird also die Erkenntnis in angemessener Art und Weise relativieren und nicht hergehen und solche Erkenntnisse als absolute Erkenntnisse ansehen – und man wird – wenn man sich dieser Beschränktheit bewusst ist – auch nicht hergehen und Dinge behaupten, die in keiner Weise angemessen sind.

Damit wird man es vermeiden den Patienten mit (absoluten) Aussagen zu konfrontieren. Eine kritische bzw. eine aufgeklärte Fachperson wird sich also der Basis ihres fachlichen Wissens – und damit auch der Basis des Wissens in der Psychiatrie grundsätzlich bewusst sein, und daher kein Wissen vertreten, das nicht angemessen und gerechtfertigt ist.

Als Folge der Beschränktheit und Relativität der psychiatrischen Erkenntnisse wird man selbst geistig flexibel bleiben, die Sichtweisen und Standpunkte, je nach dem wechseln und sich überlegen welche Erklärung im Hinblick auf den gegebenen Sachverhalt die angemessenste ist.

Man wird also unterschiedliche Aspekte/Gesichtspunkte einnehmen – und in anderer Hinsicht den Sachverhalt in der Schwebe halten (Karl Jaspers) – ihn in jeglicher Hinsicht geistig prüfen und (geistig messen) sprich geistig abschätzen.

In diesem Sinn wird man in Folge den Sachverhalt mit dem Patienten besprechen oder als vom Gericht bestellter Sachverständiger bei der Erörterung des psychiatrischen Gutachtens erläutern.

Durch diese angemessene Sichtweise und Darstellung wird man als Fachperson also fähig sein und auch fähig bleiben „sich aller Methoden und deren Grundsätze …. nur zu bedienen“ (-> Kant Zitat 2) um so das Wesentliche zu erkennen – um in weiterer Folge daraus die beste Vorgehensweise abzuleiten.

Sind sich Psychiater und Psychiaterinnen – in der psychiatrischen Praxis (in der Forensischen Psychiatrie) und in der psychiatrischen Wissenschaft – dieser Relativität nicht bewusst, so werden sie ihre Erkenntnisse missverstehen und diese in ihrer Aussagekraft nicht angemessen bewerten und vertreten.

Karl Jaspers hat erkannt, dass psychiatrisches Wissen in diesem Sinn beschränktes Wissen bzw. relatives Wissen ist (vgl. mit Jaspers Zitat und Jaspers Zitat 2).

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(letzte Änderung 03.08.2019, abgelegt unter: Diagnostik, Diagnostizieren, Erkenntnis, Psychiatrie, Wissenschaft, psychiatrische Wissenschaft)

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Hinweis:

Weiteres zu dieser Thematik in meinem Buch:

Diagnostik, Klassifikation und Systematik in Psychiatrie und Medizin

erschienen im Verlag tredition, April 2019

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