dynamische Ursache

Eine dynamische Ursache ist eine Ursache, die sich im Laufe der Zeit ändert.

Betrachtet man sämtliche Ursachen die es gibt, so findet man viele Ursachen, die nicht konstant vorhanden sind, sondern die sich im Laufe der Zeit ändern.

In der Medizin findet man z.B. viele Ursachen, die sich im Laufe der Zeit ändern. Zu gewissen Zeiten verursachen gewisse Faktoren eine bestimmte gesundheitliche Störung, zu einem späteren Zeitpunkt bemerkt man, dass dieselben Faktoren toleriert werden und keine gesundheitliche Störung auftritt. Man erkennt damit, dass es sich bei einer solchen Ursache um eine „dynamische Ursache“ handelt. Häufig ist eine solche Ursache eine komplexe Ursache, also eine Ursache, die aus einem ganzen Bündel von Faktoren besteht.

In der Psychiatrie findet man – so wie in der Medizin – häufig „dynamische Ursachen“. Zu einer gewissen Zeit verursacht eine gewisse Belastung, oder eine gewisse Sache eine psychische Störung. Zu anderen Zeit ist dies nicht oder nicht mehr in diesem Ausmaß der Fall. Man bemerkt in der psychiatrischen Praxis, dass gewisse psychische Störungen bevorzugt in gewissen Lebensphasen auftreten. Das bedeutet dass das Zusammentreffen von gewissen Faktoren zu einer gewissen Zeit besonders zu dieser Form einer psychischen Störung disponiert. Das heißt die Faktoren, die insgesamt die Ursache – im Sinn einer „komplexen Ursache“ – bilden, erreichen bevorzugt in dieser Lebensphase durch ihr Zusammenwirken einen kritischen Schwellenwert, der bewirkt, dass es zum Auftreten der psychischen Störung kommt. In einem späteren Lebensabschnitt kann unter Umständen dieselbe Person dieselben Belastungsfaktoren tolerieren, und  kommt es daher nicht zum Auftreten dieser gesundheitlichen Störung.

Diese Art von Dynamik und Entwicklung in Bezug auf die Verursachung und den Verlauf von gesundheitlichen Störungen kennt man also sowohl in der Medizin wie auch in der Psychiatrie. Bekannt sind in der Medizin die gesundheitlichen Störungen, die bevorzugt im Kindes- und Jugendalter auftreten, genannt seien die Fieberkrämpfe beim Säugling und Kleinkind, dann die Störungen, die man als ADHS bezeichnet, dann gewisse Störungen die bevorzugt im Jugendalter bis im jungen Erwachsenenalter auftreten nämlich die Psychosen vom Typ der Schizophrenie, dann die Störungen im Klimakterium, sowohl in körperlicher Hinsicht wie auch in psychischer Hinsicht, genannt dazu sei die Depression usf. Man erkennt also, dass im Laufe des Lebens gewisse gesundheitliche Störungen bevorzugt auftreten, und kann man dies in Folge einer „dynamischen Ursache“ erklären, die in der jeweiligen Lebensphase einen kritischen Schwellenwert erreicht.

Erkenntnistheoretisch bzw. philosophisch betrachtet ist eine „dynamische Ursache“ also primär eine Einheit, die auf der Grundlage der Erfahrung im Bewusstsein einer Person entsteht, wenn diese gewisse klinische Erfahrungen sammelt. Es handelt sich bei einer solchen Einheit also um den Begriff einer Idee, der im Bewusstsein der erkennenden Person erscheint (vgl. mit Kant Zitat 7). In Folge der Erfahrung hat man die Vorstellung entwickelt, dass es eine solche Ursache geben muss, die diese Erscheinung bewirkt. Die Einheit der Ursache ist also der Begriff der Idee, bzw. das Schema dieser Idee, das im Bewusstsein der erkennenden Person erscheint (vgl. mit Kant Zitat 7). Auf diese Art und Weise erlangt man in der Psychiatrie, in der Medizin und in vielen anderen Bereichen die Vorstellungen von gewissen Ursachen, die gewisse Wirkungen hervorbringen.

In der Praxis sucht man sodann die Ursache zu bestimmen, das heißt man versucht diese Idee zu überprüfen um auf der Ebene der Objekte nachzuweisen was die Ursache der Erscheinung, bzw. die Ursache des Sachverhalts ist. Man sucht also auf der Ebene der Objekte eine Ursache im Sinn einer tatsächlichen Ursache, die der Grund dieser Erscheinung ist. In der medizinischen Praxis kann man in dieser Hinsicht bei gewissen gesundheitlichen Störungen eine nachweisbare Ursache, bzw. eine „tatsächliche Ursache“ in diesem Sinn finden können. Sehr oft kann man jedoch keine solche Ursache aufzeigen, sondern kann man lediglich gewisse mögliche Ursachen angeben, und beschränkt sich das Wissen auf gewisse Faktoren bezüglich der man erkannt hat, dass diese für das Auftreten der gesundheitlichen Störung wesentlich sind. Es handelt sich also in einem solchen Fall um eine komplexe Ursache.

In der Medizin und in der Psychiatrie kann man in vielen Fällen in Bezug auf die Ursache lediglich eine Idee „bestimmen“ bzw. eine Idee subjektiv gültig erkennen, unter der man sich vorstellt was die Ursache der gesundheitlichen Störung ist, ohne dass man aber den „Inhalt“ dieser Idee allgemein gültig bestimmen und darüber eine verbindliche Aussage manchen. Man kann also den „Inhalt“ dieser Ursache im konkreten Fall nicht allgemein gültig beweisen. Man kennt also in der Regel nur einzelne Faktoren, die zu dieser Ursache beitragen können, ohne dass man genau angeben kann in welchem Umfang die einzelnen Fatoren zur Ursache, bzw. zum Auftreten der Wirkung beitragen. Man kann in Bezug auf die Ursache sich also lediglich eine (subjektiv gültige) Meinung bilden. Beziehungsweise kann man auf den konkreten Sachverhalt bezogen gewisse Theorien entwickeln, oder anwenden, und gemäß diesen eine Ursache als die wesentliche Ursache nach der Analogie der Erfahung erklären.

Man kann also in Bezug auf viele Ursachen lediglich eine wahrscheinliche Ursache angeben, ohne dass man die Möglichkeit hat die zu „Grunde liegend gedachte Ursache“ zu beweisen.

Man kann sich also sowohl in der Praxis, wie auch in der Wissenschaft der Ursache nur durch eine theoretische Vorstellung, also durch eine Idee nähern, die „eigentliche Ursache“ bzw. die „wirkliche Ursache“ also die „Ursache schlechthin“ kann man in vielen Fällen nicht allgemein gültig bzw. objektiv gültig bestimmen.

Lediglich in Bezug auf die Diagnostik gibt es bei gewissen gesundheitlichen Störungen konstante Faktoren im Sinn einer conditio sine qua non, die man als die tatsächliche Ursache bezeichnen kann, und die man auf der Ebene der Objekte allgemein gültig bestimmen kann. Viele andere Faktoren – sind selbst bei einer gesundheitlichen Störung, die man objektiv gültig bestimmen kann – unbekannt und nicht quantifizierbar, und handelt es sich daher in diesen Fällen um eine komplexe Ursache.

Man muss sich daher in der Medizin und in der Psychiatrie in vielerlei Hinsicht mit angenähertem Wissen begnügen, das man lediglich auf der Ebene der Ideen erlangen kann – und das man nicht auf der Ebene der physischen Objekte überprüfen kann. Daher handelt es sich bei solchem Wissen um beschränktes Wissen.

In der Praxis gibt es allerdings – wie es in der Natur der Sache gelegen ist – in der Medizin öfters Möglichkeiten die Ursache zu bestimmen – selbst wenn es sich um eine dynamische Ursache handelt. In der Psychiatrie ist man mit der Situation konfrontiert, dass man grundsätzlich eine psychiatrische Einheit und damit eine psychiatrische Diagnose  nicht „physisch“ überprüfen kann, weil eine solche Einheit immer auf der Grundlage eines Konzepts erkannt wird (vgl. mit Kant Zitat 8). Wohingegen in der Medizin viele medizinische Diagnosen auf der Ebene der Objekte bestimmt und auch auf dieser Ebene überprüft, sprich objektiviert werden können. Man kann also in der Medizin eine Verdachtsdiagnose oder eine Differenzialdiagnose oftmals auf der Ebene der Objekte überprüfen. In der Psychiatrie ist dies grundsätzlich nicht möglich, weil eine psychiatrische Diagnose auf der Grundlage einer Idee (vgl. mit Jaspers Zitat), genau genommen auf der Grundlage einer bloßen Idee erkannt wird. (vgl. mit Kant Zitat 4)

In der Psychiatrie kann man also nur auf der Ebene der Ideen subjektiv gültig „prüfen“ was in diagnostischer Hinsicht und auch in therapeutischer Hinsicht zutreffend ist, und kann man dann erst aus dem weiteren Verlauf (subjektiv gültig) erkennen was in welchem Umfang zutreffend war. Daher kann man in der Psychiatrie auch die Ursache einer psychischen Störung nicht allgemein gültig bestimmen, weil man nicht einmal die diagnostische Einheit als solche allgemein gültig bestimmen kann.

Zusammenfassend kann man sagen, dass viele Ursachen „dynamische Ursachen“ sind. Nicht nur in der Medizin und in der Psychiatrie findet man „dynamische Ursachen“, sondern genau genommen unterliegen fast alle Ursachen einer gewissen Dynamik. Nur ist es so, dass gewisse Faktoren tatsächlich als relativ konstante Faktoren anzusehen sind, und sie auch konstant kausal wirken, und kann man dann die Dynamik vernachlässigen. Bei funktionellen Störungen findet man besonders oft dynamische Ursachen.

 

(Beitrag in Arbeit, letztes update 27.1.2012)

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