diagnostische Einheit

Die diagnostische Einheit ist die Einheit durch die der Sachverhalt in der Diagnostik erkannt/beschrieben/bestimmt/definiert wird.

Unter Umständen wird die diagnostische Einheit auch als Entität bezeichnet.

Dabei wird durch die diagnostische Einheit/Entität ein Ganzes/eine Ganzheit und dadurch z. B. die Diagnose/der Parameter/die Größe erkannt und bestimmt.

Betrachtet man sämtliche diagnostischen Einheiten die es gibt, dann erkennt man, dass durch die diagnostische Einheit entweder eine faktische Einheit oder eine systematische Einheit (vgl. mit Kant Zitat 7) erfasst wird.

Dabei erkennt die Fachperson die diagnostische Einheit immer primär durch den Begriff der Idee, insofern dieser in ihrem Bewusstsein als systematische Einheit (der Idee) erscheint, wenn sie die Merkmale der Idee durch das Schema der Idee geistig auffasst (vgl. mit Kant Zitat 7).

Es wird die systematische Einheit  (der Idee) also durch das diagnostische Schema (der Idee) erfasst, falls die aufgefundenen Merkmale diesem Schema hinreichend genügen.

Während die Fachperson in gewissen Fällen die Idee (etwa die Verdachtsdiagnose oder die Differenzialdiagnose) auf der Ebene der Objekte überprüfen und damit den Sachverhalt objektivieren kann bzw. sie die diagnostische Einheit objektiv gültig und damit allgemein gültig bestimmen kann, ist dies in anderen Fällen nicht möglich und kann sie die Einheit/Entität (durch die systematische Einheit der Idee) nur subjektiv gültig bestimmen (vgl. mit Kant Zitat 7).

Es gibt also Fälle in denen man im Rahmen des Diagnostizierens die diagnostische  Einheit objektiv gültig bestimmen kann, weil die Einheit sich auf Fakten gründet, wohingegen dies in anderen Fällen wegen der anderen Basis des Wissens nicht möglich ist (vgl. mit Kant Zitat 7).

Erkenntnistheoretisch bzw. philosophisch betrachtet wird die diagnostische Einheit primär also immer durch den Begriff der diagnostischen Idee erkannt, durch den die Merkmale des Erkenntnisobjekts erfasst werden (vgl. mit Kant Zitat 7). Das heißt es werden durch den Begriff (der Idee) die einzelnen Merkmale der Einheit durch das Schema der Idee aufgefasst (vgl. mit Kant Zitat 7). Dabei kann in gewissen Fällen die Idee auf ein tatsächlich existentes Erkenntnisobjekt zurückgeführt und damit dieses in der Regel allgemein gültig bestimmt werden, wohingegen dies in anderen Fällen nicht möglich ist, weil das Erkenntnisobjekt nur auf der Ebene der Ideen – oder man kann auch sagen – nur durch den Begriff der Idee erkannt werden kann.

Diagnostische Einheiten in verschiedenen Bereichen:

Es werden in vielen Bereichen Sachverhalte durch diagnostische Einheiten erfasst.

In der Heilkunde werden durch diagnostische Einheiten gleichartige körperliche Krankheiten/gesundheitliche Störungen erfasst. Oder es werden durch diagnostische Einheiten gleichartige psychische Störungen erfasst.

Demgemäß ist in der Medizin und in der Psychiatrie eine diagnostische Einheit eine Einheit, durch die eine gleichartige Störung der Gesundheit im jeweiligen Bereich des Wissens diagnostisch erfasst wird.

In der Medizin ist eine diagnostische Einheit eine Einheit, durch die eine gesundheitliche Störung des Körpers, also eine Krankheit bzw. eine gesundheitliche Störung des Körpers durch eine medizinische Diagnose erfasst wird.

In der Psychiatrie ist eine diagnostische Einheit eine Einheit, durch die eine gesundheitliche Störung der Psyche somit eine psychische Störung und damit eine psychiatrische Diagnose erfasst wird.

Man muss also unterscheiden, ob die gesundheitliche Störung auf der Grundlage von körperlichen Merkmalen bestimmt wird, oder auf der Grundlage von Merkmalen, die nicht auf der körperlichen Ebene bestimmt werden können. Bei den Merkmalen, die nicht auf der körperlichen Ebene bestimmt werden können, handelt es sich um Symptome und um nicht-objektivierbare Phänomene. Solche Merkmale werden auf der Grundlage von Ideen erkannt, die in der Form der Begriffe dieser Ideen im Bewusstsein der erkennenden Person erscheinen. (griechisch: phenomenon – das was erscheint, das Erscheinende) (vgl. mit Kant Zitat 7)

Grundsätzlich kann man also zwei  Arten von Diagnosen unterscheiden: Erstens Diagnosen, die auf der Grundlage der objektiv bestimmbaren Körperlichkeit, also auf der Grundlage von Objekten bzw. auf der Grundlage von objektiven körperlichen Zeichen – somit auf der „physischen“ Ebene durch Fakten bestimmt werden, und zweitens Diagnosen, die auf der Grundlage von Ideen – also auf der Ebene jenseits der „physis“ – das heißt philosophisch gesprochen  jenseits der physis also „meta-physisch“ bestimmt werden. Diese Diagnosen können nur dialektisch auf der Ebene der Ideen bestimmt werden.

In der Heilkunde wird eine diagnostische Einheit durch den Begriff der diagnostischen Idee erkannt durch den die Merkmale dieser gesundheitlichen Störung (Krankheit) erfasst werden (vgl. mit Kant Zitat 7). Das heißt es werden durch diesen Begriff die einzelnen Merkmale dieser Einheit durch den Bezug auf diese Idee bzw. durch den Bezug auf  das Schema dieser Idee erfasst. (vgl. mit Kant Zitat 7). Dabei kann man in gewissen Fällen in weiterer Folge diese Idee auf der Ebene der Objekte überprüfen. Das bedeutet man kann die Idee bzw. die Verdachtsdiagnose dadurch objektivieren. In anderen Fällen ist die Objektivierung der Verdachtsdiagnose oder einer vermuteten Differenzialdiagnose nicht möglich, weil diese nur auf der Grundlage von Symptomen und auf der Grundlage von nicht-objektivierbaren Phänomenen – somit nur auf der Grundlage der Merkmale einer bloßen Idee diagnostisch bestimmt werden kann. Bei einer diagnostischen Einheit kann man sagen, dass der Begriff dieser Idee das Schema dieser Idee ist und es handelt sich dabei in gewissen Fällen um Einheiten, die man auf der Ebene der Objekte allgemein gültig bestimmen kann und in anderen Fällen um systematische Einheiten, die man nicht auf der Ebene der Objekte bzw. auf der Ebene der Fakten überprüfen kann. Es ist in diesem Fall die Erkenntnis also nur eine subjektiv gültige Erkenntnis und es handelt sich daher nur um subjektives Wissen. Mit anderen Worten: die Idee kann in diesem Fall nur subjektiv gültig bestimmt werden. Oder man kann auch sagen: diese Erkenntnis kann nur subjektiv evident erkannt werden, wohingegen ein Faktum bzw. ein Objekt oder die Merkmale eines Objekts in der Regel objektiv evident erkannt werden können. (vgl. mit Kant Zitat 7)

Man kann also durch den Bezug der einzelnen Merkmale auf dieses Schema die gesundheitliche Störung geistig auffassen und erkennen. (vgl. mit Kant Zitat 7)

Wenn es sich bei den Merkmalen der Störung um körperliche Merkmale, bzw. um physische Merkmale handelt, die man auf der Grundlage eines Objekts allgemein gültig, bzw. objektiv gültig bestimmen kann, dann ist die Diagnose dadurch objektiv gültig bestimmt, weil die Kriterien in Bezug auf das Objekt übereinstimmen (vgl. mit Kant Zitat 9). Man kann auch sagen, weil in einem solchen Fall die entscheidenden Kriterien im Objekt gelegen sind, und sie durch das Objekt allgemein gültig bestimmt sind, ist die Diagnose, die auf der Grundlage dieser Merkmale bestimmt ist objektiv gültig. Dies ist z.B. bei einer objektivierbaren medizinischen Diagnose der Fall. Eine objektivierbare medizinische Diagnose wird auf der Grundlage von objektiven Befunden allgemein gültig festgestellt, und ist daher eine solche Diagnose auch allgemein gültig überprüfbar. Mit anderen Worten: eine solche Diagnose ist allgemein gültig verifizierbar oder allgemein gültig falsifizierbar. So sind  z.B. die Verdachtsdiagnosen: „Verdacht auf Herzinfarkt“, oder „Verdacht auf Pneumonie“, oder „Verdacht auf Leukämie“ usf. auf der Grundlage von objektiven Befunden allgemein gültig überprüfbar. Derartige  Verdachtsdiagnosen können auf der Grundlage von objektiven Befunden – völlig unabhängig vom erkennenden Subjekt – allgemein gültig bestimmt und allgemein gültig überprüft, sprich objektiviert werden. Man kann im Rahmen der medizinischen Abklärung einer solchen Störung, die objektiv gültige Diagnose eindeutig bestimmen, das heißt die Verdachtsdiagnose kann objektiviert werden, und es können etwa andere inizial in Erwägung gezogene Differenzialdiagnosen  im Rahmen der Abklärung objektiv gültig ausgeschlossen werden. Man kann daher auch sagen: man kann für das Zutreffen einer solchen Diagnose einen allgemein gültigen Beweis liefern.

Falls es sich bei der Störung um eine Störung handelt, die nur auf der Grundlage von Ideen, also nur auf der Ebene der Vorstellungen bzw. auf der Ebene der Ideen charakterisiert und spezifiziert werden kann, dann hat dies zur Folge, dass man eine solche Störung nicht allgemein gültig bestimmen kann. In einem solchen Fall muss vorerst auf der Ebene der Vorstellungen, bzw. auf der Ebene der Ideen eine Einheit durch eine Definition festgelegt werden. Man muss also per Konvention eine Einheit definieren und kann man erst in weiterer Folge durch den Bezug auf diese definierte Einheit bzw. durch den Bezug auf diese definierte Idee – man kann auch sagen durch den Bezug auf dieses definierte Ideal das man auch als Typus bezeichnet –  subjektiv gültig feststellen, ob eine gewisse Einheit zutreffend ist. Man kann auch sagen: eine solche diagnostische Einheit kann man nur mit der Hilfe eines definierten Konzepts erfasst werden das man auf den konkreten Sachverhalt projiziert.

Wenn man ein solches Konzept bzw. eine solche definierte Idee auf den Sachverhalt projiziert, dann kann man die Merkmale dieser Einheit durch den Bezug auf diese systematische Einheit auffassen. (vgl. mit Kant Zitat 7)

Oder man kann auch sagen: in diesem Fall kann man die Diagnose subjektiv gültig auf der Ebene der Vorstellungen bestimmen, in dem man die Merkmale durch den Bezug auf das Schema dieser Idee auffasst. (vgl. mit Kant Zitat 7)

In einem solchen Fall handelt es sich bei der Einheit also um eine systematische Einheit. Eine solche Einheit besteht in Abhängigkeit von anderen systematischen Einheiten, die ebenfalls auf der Ebene der Ideen definiert worden sind. (vgl. mit Kant Zitat 8)

So sind z.B. die diagnostischen Einheiten innerhalb einer psychiatrischen Klassifikation systematische Einheiten, durch die man charakteristische psychische Symptomenkomplexe durch den Bezug auf die jeweilige diagnostische Idee, bzw. durch den Bezug auf das Schema dieser Idee – also durch den Bezug auf die psychiatrische Kategorie –  auffassen kann (vgl. mit Kant Zitat 7).

In gleicher Weise fasst man auch nicht-objektivierbare Symptomenkomplexe in der körperlichen Medizin durch nicht objektivierbare Ideen bzw. durch nicht objektivierbare systematische Einheiten auf. Dies ist z.B. bei den Einheiten bzw. bei den Diagnosen: vegetative Dystonie, Fibromyalgie, Somatoforme Störung, Fatigue Syndrom, Tinnitus, Migräne, Spannungskopfschmerz und auch bei anderen funktionellen Störungen, wie sie in der Medizin und in der Alternativmedizin diagnostiziert werden der Fall. All diese Diagnosen sind syndromale Diagnosen, die nur auf der Ebene der Ideen mit der Hilfe von definierten Konzepten bestimmt werden können. Man kann daher diese Diagnosen nicht objektivieren, sondern allenfalls durch gewisse physische Befunde – wenn man solche bei diesen gesundheitlichen Störungen findet untermauern und dadurch erklären. Das Zutreffen der diagnostischen Einheit kann man dadurch aber nicht „physisch“ – auf der Ebene der Objekte objektiv gültig bestimmen.

Im Zweifelsfall kann man also nicht auf der Grundlage eines solchen Befundes – der für sich zwar objektiv gültig ist allgemein gültig entscheiden, ob die in Verdacht stehende Einheit – also die in Verdacht stehende Diagnose die sicher zutreffende Einheit ist. Das heißt eine solche Einheit kann nicht allgemein gültig und daher auch nicht absolut reliabel (= verläßlich) auf der Ebene der Objekte „physisch“ bestimmt und „physisch“ überprüft werden. Es handelt es sich also bei einer solchen Einheit, die nicht auf der Ebene der Objekte überprüft werden kann um die Einheit einer bloßen Idee. Oder man kann auch sagen eine solche Einheit ist eine systematische Einheit – und weil man den Begriff dieser Einheit nicht auf der Ebene der Objekte überprüfen kann ist dieser Begriff ein regulativer Begriff.

Es gilt also auch für die nicht-objektivierbaren medizinischen Diagnosen dasselbe wie für die psychiatrischen Diagnosen, etwa für die Diagnose Schizophrenie, die Diagnose „Schizoaffektive Störung“, Manie, ADHS, Borderlinepersönlichkeitsstörung, Demenz, usf. – es giblt dies also im Prinzip für alle funktionellen nicht „physisch“ fundierten Diagnosen. All diese Diagnosen  kann man nur subjektiv gültig auf der Ebene der Vorstellungen, bzw. auf der Ebene der Ideen subjektiv gültig erfassen, und kann man diese Diagnosen nicht auf der Ebene der „physischen“ Objekte allgemein gültig überprüfen. Man kann eine solche diagnostische Einheit nicht allgemein gültig validieren. Es gibt bei einer solchen Diagnose keine allgemein gültige Reliabilität. Dessen sollte man sich in der Praxis und in der Wissenschaft bewusst sein. Bei solchen Einheiten handelt es sich nur um relatives Wissen, das durch den Bezug auf die jeweilige definierte Idee erlangt wird.

Man erkennt damit dass solche Erkenntnisse von der Definition der Konzepte abhängig sind und tatsächlich auf dieser Grundlage kein allgemein gültiges Wissen erlangt werden kann (vgl. mit Kant Zitat 10), sondern dass man in einem solchen Fall auf der Grundlage von Ideen nur beschränktes Wissen erlangen kann, das daher nur relativ gültig ist. (vlg. mit Kant Zitat 3a)

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Weiteres über diagnostische Einheiten – abgehandelt und diskutiert auf Grundlage der Philosophie von Immanuel Kant – in meinem Buch:

Diagnostik, Klassifikation und Systematik in Psychiatrie und Medizin

erschienen im April 2019 im Verlag tredition

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(letzte Änderung 20.03.2020, abgelegt unter: Begriff, Definition, Diagnose, Diagnostik, Einheit, Krankheit / gesundheitliche Störung, Medizin, Neurologie, Psyche, Psychiatrie, Psychologie)

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