Wirkung einer Therapie in der Medizin und in der Psychiatrie

Die Wirkung einer Therapie bzw. einer therapeutischen Maßnahme in der Medizin, oder in der Psychiatrie (und auch in der Psychotherapie) wird auf der Grundlage der Erfahrung festgestellt. Man kennt den Befund bevor die Therapie, oder die therapeutische Maßnahmen unternommen worden ist, und beobachtet den weiteren Verlauf unter der Therapie, bzw. unter der therapeutischen Maßnahme. Aus dem Unterschied des Befundes, wie er sich im Laufe der Zeit entwickelt, erkennt man in welchem Umfang die Therapie bzw. die therapeutische Maßnahme wirksam ist bzw. wirksam war.

Genau genommen kann man dabei allerdings nicht wisssen, in welchem Umfang eine einzelne Therapiemaßnahme wirksam war, wenn gleichzeitig zwei, oder mehrere Maßnahmen zur Anwendung gekommen sind – etwa eine medikamentöse Behandlung, und gleichzeitig eine Psychotherapie begonnen worden ist.

Man erkennt also aus dem Verlauf die Wirkung der Maßnahmen, aber man kann dabei nicht wissen in welchem Umfang, die eine Therapiemaßnahme wirksam war, und in welchem Umfang die andere.

Zum Zeitpunkt des Beginns einer Therapie bzw. zum Zeitpunkt des Beginns der therapeutischen Maßnahme kann man auch nicht wissen, ob die Therapie oder die therapeutische Maßnahme wirken wird, und in welchem Umfang sie wirken wird. Man hat dazu nur Kenntnisse aus dem Verlauf in ähnlich gelagerten Fällen, die in Vorzeit bereits beobachtet worden sind. Man schließt also nach der Analogie der Erfahrung auf die Wirkung im gegenständlichen Fall – ohne jedoch tatsächlich wissen zu können, ob eine solche Wirkung auch im gegenständlichen Fall eintreten wird.

Zur Kausalität:

Wenn nur eine Sache im Rahmen der Therapie bzw. nur eine therapeutische Maßnahme im konkreten Fall geändert wird, dann kann man die eingetretene Wirkung dieser Sache, bzw. die eingetretene Wirkung dieser Ursache in der Regel zuordnen. In diesem Fall kann man sagen, dass diese Sache – etwa diese Medikation für die eingetreten Wirkung kausal war. Wenn jedoch mehrere Sachen bzw. mehrere Dinge geändert werden. Wenn etwa mit dem Beginn einer medikamentösen Behandlung gleichzeitig auch eine Krankschreibung erfolgt, also die Person die berufliche Tätigkeit ab dieser Zeit nicht ausgeübt hat und sich in weiterer Folge eine Besserung eingestellt hat – dann kann man, genau genommen, nicht wissen in welchem Umfang die gesundheitliche Besserung in Folge der Arbeitsfreistellung, oder in Folge der medikamentösen Wirkung eingetreten ist. Das heißt man kann lediglich den Effekt als solchen beobachten – man kann jedoch nicht wissen was im konkreten Fall in welchem Umfang für den Effekt kausal war.

Philosophisch bzw. erkenntnistheoretisch betrachtet kann die Wirkung bzw. die Kausalität an sich, die die Wirkung hervorgebracht hat nicht objektiv bzw. allgemein gültig festgestellt werden. Es kann nur auf der Ebene der Vorstellungen nach der Analogie der Erfahrung subjektiv gültig eingeschätzt werden, welche Maßnahme in welchem Umfang wirksam war, bzw. für die eingetretene Wirkung kausal war. Es handelt sich also bei derartigen Vorstellungem um regulative Prinzipien. (vgl. mit Kant Zitat 26)

Bei der Kausalität handelt es sich nämlich um eine Idee (vgl. mit Kant Zitat 7), und zwar um eine bloße Idee (vgl. mit Kant Zitat 24a), die im Bewusstsein der erkennenden Person auf der Grundlage ihrer Erfahrung, und auf der Grundlage ihres (subjektiven) Wissens entsteht. Eine solche Idee kann man nicht allgemein gültig bestimmen. Eine solche Idee kann nur auf der Ebene der Vorstellungen subjektiv gültig bestimmen.

Im Rahmen von statistischen Studien, wie sie in den jeweiligen Wissenschaften gemacht werden, kann man zwar gleichartige Fälle statistisch erfassen, und aus diesen Ergebnissen Schlussfolgerungen ableiten, die Aussagen im Sinn der mathematischen Wahrscheinlichkeit oder im Sinn der philosophischen Wahrscheinlichkeit zulassen (Weiteres dazu auf Poster 3: PROBABILITY IN MEDICINE AND IN PSYCHIATRY – IN THE LIGHT OF IMMANUEL KANT`S PHILOSOPHY). Im konkreten Fall kann man allerdings im Vorhinein nicht wissen wie es kommen wird. Man kann nicht wissen in welchem Umfang tatsächlich etwas kausal sein wird.

Zur gutachterlichen Bewertung einer Therapie:

Wenn ein Sachverständiger – etwa bei Gericht – gefragt wird in welchem Umfang eine Therapie bzw. eine Therapiemaßnahme kausal war, so kann er – so, wie dies bereits oben stehend ausgeführt worden ist – nur auf der Ebene seiner Vorstellungen, also auf der Ebene seiner Ideen entscheiden, welche Wirkung eine bestimmte Therapie bzw. eine bestimmte Therapiemaßnahme gehabt hat – insbesondere wenn mehrere Faktoren zu berücksichtigen sind, die unter Umständen eine relevante Wirkung bzw. eine relevante Zustandsänderung bewirken können. Man kann also nur auf der Ebene der Vorstellungen subjektiv gültig entscheiden, was in welchem Umfang im gegenständlichen Fall kausal ist. Dabei wird der Sachverständige diese Entscheidung bzw. dieses Urteil auf der Grundlage des erhobenen Befundes, und auf der Grundlage seiner klinischen Erfahrung fällen, die er generell mit derartigen Fällen gemacht hat. Zusätzlich wird er auch noch wissenschaftliche Daten berücksichtigen, wie sie im Rahmen von wissenschaftlichen Studien erhoben worden sind. Grundsätzlich ist dabei allerdings zu berücksichtigen, dass jeder Fall ganz individuell gelagert ist, und können daher solche wissenschaftlich erhobenen Daten nur beschränkt auf den konkreten Fall angewandt werden. Es handelt sich also bei einer solchen Entscheidung immer um ein subjektives empirisches Urteil im Sinn eines Wahrnehmungsurteils und nicht um ein Urteil im Sinn eines Erfahrungsurteils.

Es mag sein, dass im einen oder andern Fall objektive Befunde zur Verfügung stehen, die eine präzisere Einschätzung des Sachverhalts ermöglichen – etwa gewisse objektiv festgestellte Laborbefunde, die den Verlauf der gesundheitlichen Störung dokumentieren. Die Wertung der Wirkung und die Bewertung der Wirkung einer Therapie bzw. einer Therapiemaßnahme kann – insbesondere dann, wenn mehrere kausale Faktoren als mögliche Faktoren in Frage kommen – immer nur auf der Ebene der Vorstellungen vorgenommen werden. Man kann also in einem solchen Fall niemals objektiv gültig und damit allgemein gültig entscheiden, was in welchem Umfang kausal ist, bzw. kausal war. Wenn der Sachverhalt typisch ist dann wird es zwar in der Regel so sein, dass die Sachverständigen – wenn mehrere Sachverständige befragt worden sind –  in ihrem Urteil weitgehend übereinstimmen. Wenn der Sachverhalt jedoch nicht typisch ist, wenn er nicht klar einer Idee zugordnet werden kann und wenn er vielschichtig und daher komplex ist – in dem Sinn, dass mehrere kausale Faktoren als wirksame Faktoren in Frage kommen – dann ist zu erwarten, dass die Sachverständigen zu differenten Ergebnissen kommen – weil sie ihre Entscheidung wesentlich auf der Grundlage ihrer subjektiven Erfahrung, und damit auf der Grundlage ihres subjektiven Wissens erlangen. In einem solchen Fall kann nicht erwartet werden, dass wissenschaftliche Grundlagen zu einer weitgehend einheitlichen Entscheidungsfindung führen. Vielmehr wäre es bedenklich und problematisch wenn ein Sachverständiger sich die Mühe der persönlichen Überlegung erspart, und er sich die Aufgabe dahingehend leicht machen würde, und er nur in der wissenschaftlichen Literatur Nachschau hält wie die Sache zu entscheiden ist, ohne die individuellen Gegebenheiten im konkreten Fall zu berücksichtigen.

Ein kritischer Sachverständiger und ein kritisches Gericht wird also nicht nach einer allgemein gültigen Erkenntnis fragen, wo prinzipiell keine allgemein gültige Erkenntnis erwartet werden kann. Man kann auch sagen: ein im Sinn der Aufklärung aufgeklärter Sachverständiger und ein im Sinn der Aufklärung aufgeklärter Richter ist sich der Grenzen und der Beschränktheit des jeweiligen Wissens bewusst, und gesteht sich daher eine aufgeklärte Person diese Beschränktheit ein. Mit anderen Worten: eine solche Person gesteht sich die relative Gültigkeit der jeweiligen Aussage bzw. des jeweiligen Wissens ein. Mit nochmals anderen Worten: eine solche Person ist sich dessen bewusst, dass sie eine fachliche Meinung zur gestelltenFrage vertritt und nicht fachlich allgemein gültiges Wissen – eben weil es kein allgemein gültiges fachliches Wissen dazu gibt.

(Beitrag in Arbeit, letztes update 5.11.2011)

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