Wahn

Ein Wahn ist eine schwere psychische Störung bei der die Realität wegen der aufgetretenen Wahnidee falsch interpretiert wird.

Der Wahn beruht nämlich auf einem falschen Urteil der Person in Bezug auf die Wirklichkeit.

Daher zählt in der Psychiatrie der Wahn zu den Psychosen.

Dabei entsteht die wahnhafte Idee bzw. die Wahnidee und damit der Wahn durch eine elementare Störung in der Assoziationdie zur falschen Kognition führt.

Es kommt beim Wahn also infolge einer Assoziationsstörung zur falschen Wahrnehmung der Wirklichkeit bzw. zur falschen Interpretation der Realität.

Man kann auch sagen: die Realität wird von der wahnkranken Person falsch wahrgenommen und falsch interpretiert. Es handelt sich dabei also um ein „daneben liegendes Wissen“ und man kann daher beim Wahn von einer Paranoia sprechen.

Als Folge der kognitiven Störung kommt es beim Wahn zur beeinträchtigten Realitätswahrnehmung und damit zur Störung im Realitätsbezug.

Der Wahn kann plötzlich als Folge des Wahneinfalls auftreten.

Dabei wird die Realität vom Wahnkranken subjektiv mit wahnhafter Gewissheit wahrgenommen.

Die wahnkranke Person ist nicht fähig – so wie die gesunde Person – den Sachverhalt durch abwägende Überlegungen bzw. durch vernünftige Überlegung angemessen zu prüfen.

Es ist der wahnkranken Person krankheitsbedingt nicht möglich, alternative Vorstellungen zu entwickeln und sich letztlich, nach dem Vergleich der Vorstellungen, besonnen – somit als Folge der Besonnenheit – richtig zu entscheiden, was zutreffend ist, und was daher der Wirklichkeit entspricht.

Der Wahn kann auch als Paranoia bezeichnet werden.

Häufig handelt sich beim Wahn um eine Form einer psychischen Störung vom Typ der Schizophrenie.

Es kann der Wahn allerdings auch im Rahmen von anderen gesundheitlichen Störungen der Psyche auftreten, so etwa bei einer Schizoaffektiven Störung , auch bei einer schweren affektiven Störung etwa im Rahmen einer schweren Depression (depressiven Störung) oder bei einer Manie.

Auch bei einer Demenz kann der Wahn ein psychopathologisches Merkmal sein.

Der Wahn ist also durch eine ausgeprägte Störung in der Kognition, somit durch eine kognitive Störungen charakterisiert.

Die betroffene Person ist felsenfest davon überzeugt, dass sie die Sache richtig sieht. Sie lässt sich durch logische Argumente nicht davon überzeugen, dass ihre Sichtweise falsch ist.

Es ist der wahnkranken Person offensichtlich nicht möglich durch den Vergleich von Vorstellungen zur Berichtigung ihrer Vorstellung (Ideen) und damit zur Berichtigung ihrer Sichtweise zu kommen und damit ihre Erkenntnis an der Realität zu korrigieren. Es handelt sich dabei also um eine schwere kognitive Störung bei der eine Korrektur an der Realität krankheitsbedingt – nämlich als Folge der krankheitbedingten Störung in der Assoziation –  nicht möglich ist.

Das Vorführen von Argumenten führt nicht dazu, dass die betroffene Person ihre Sichtweise korrigiert. Es handelt sich also im wahrsten Sinne des Wortes um eine Störung des Geistes bzw. um eine Geistesstörung, insofern das Denken krankheitsbedingt grundlegend gestört ist. Karl Jaspers spricht daher beim Wahn von wahnhafter Gewissheit.

Da man eine psychische Störung von diesem Typ nicht auf der Grundlage des normalen Erlebens verstehen kann, muss man sie durch eine andere Ursache – also durch eine nicht-psychologische Ursache und zwar durch eine (neuro)biologische Ursache erklären.

Wegen der Schwere der psychischen Störung erfüllt der Wahn die Kriterien einer Psychose. Ja man kann sagen, dass es sich beim Wahn um den Prototyp einer Psychose – im Sinne einer Verrücktheit handelt – weil es durch die kognitive Störung zu einer Ver-Rückung der Wahrnehmung der Realität gekommen ist bzw. es zu einer elementaren Störung in der Realitätswahrnehmung gekommen ist.

Deshalb wurde der Wahn schon bevor es den Begriff Psychiatrie und die Psychiatrie als Teildisziplin der Heilkunde gegeben hat als „Verrücktheit“ bezeichnet (vgl. mit Kant Zitat 23).

Ein Wahn bzw. eine wahnhafte Störung kann durch verschiedene Ursachen hervorgerufen werden. Der Begriff Wahn wird also unabhängig von der Ätiologie der psychischen Störung verwendet, wenn die Kriterien des Wahns – die Unverrückbarkeit der Sichtweise – die wahnhafte Gewissheit – im Sinn von Karl Jaspers gegeben ist und die Korrektur der Sichtweise auf Grundlage der Erfahrung nicht erfolgt.

Erkenntnistheoretisch bzw. philosophisch betrachtet handelt es sich also bei der diagnostischen Einheit Wahn um eine systematische Einheit bzw. ist der Begriff einer solchen Einheit ein regulativer Begriff. Die Krankheitseinheit Wahn wird somit durch ein psychiatrisches Konzept erkannt das auf die psychischen Auffälligkeiten angewandt bzw. projiziert wird.

Wenn die Kriterien des Wahns in einem konkreten Fall erfüllt sind dann wird die psychiatrischen Diagnose Wahn festgestellt.

Man erkennt damit, dass es sich beim Begriff der psychiatrischen Diagnose „Wahn“ um eine systematische Einheit im Sinn von Immanuel Kant handelt.

Oder man kann auch sagen, dass es sich beim Konzept „Wahn“ um eine projektierte Einheit handelt, durch die einen charakteristischen psychischen Symptomenkomplex durch den Bezug auf diese psychiatrische Idee systematisch aufgefasst wird (vgl. mit Kant Zitat 7).

Die psychiatrische Diagnose „Wahn“ wird immer dann gestellt, wenn das klinische Erscheinungsbild die Kriterien eines Wahns erfüllt.

Oder man kann auch sagen: beim Diagnostizieren eines Wahns prüft man, ob die Kriterien des Wahns durch den psychischen Symptomenkomplex erfüllt werden, wie diese in der psychiatrischen Kategorie Wahn einer psychiatrischen Klassifikation etwa in der Psychiatrischen ICD-10 Klassifikation oder in der DSM-V Klassifikation definiert worden sind.

Philosophisch betrachtet wird also beim Diagnostizieren eines Wahns auf der mentalen Ebene geprüft, ob die psychischen Phänomene, wie sie im vorliegenden Fall festgestellt werden, durch den Bezug auf die Idee Wahn aufgefasst werden können (vgl. mit Kant Zitat 7). Man kann daher die Diagnose Wahn so wie alle anderen psychischen Störungen und damit alle anderen psychiatrischen Diagnosen nur auf der Ebene der Idee durch den Begriff der jeweiligen psychiatrischen Idee erkennen und subjektiv gültig diagnostisch bestimmen.

Weil es sich bei dieser Idee um eine psychiatrische Idee handelt, die so wie eine psychologische Idee nicht „physisch“ überprüft werden kann, ist das Konzept Wahn eine bloße Idee im Sinne von Immanuel Kant. (vgl. mit Kant Zitat 4).

Man weiß aus der klinischen Erfahrung, dass ein Wahn im Rahmen von verschiedenen gesundheitlichen Störungen auftreten kann. Häufig tritt eine wahnhafte Störung bei  psychischen Störungen aus der Gruppe der Schizophrenien auf. Diesen Typ einer schizophrenen Störung bezeichnet man als paranoide Schizophrenie.

Ferner beobachtet man wahnhafte Störungen gelegentlich bei demenziellen Prozessen bzw. bei der Demenz. Schließlich auch bei anderen exogen verursachten Psychosen (Drogenpsychosen oder sonstigen körperlich begründeten Psychosen z.B. beim Delir) und auch bei anderen endogenen Psychosen z.B. bei einer schweren Depression mit psychotischen Symptomen.

Bei all diesen psychischen Störungen wird die Diagnose Wahn gestellt wenn die Wahnkriterien erfüllt sind.

Gedanken zur Entwicklung einer funktionellen Störung die man als Wahn bezeichnet:

Neuro-physiologisch betrachtet handelt es sich beim Wahn wahrscheinlich um eine Störung auf der Ebene der neuronalen Funktion in dem Sinn, dass durch funktionelle Störungen ein Abgleich der mentalen Prozesse, also ein Vergleich der Vorstellungen störungsbedingt nicht möglich ist und daher eine Berichtigung bzw. eine Korrektur der Vorstellungen nicht möglich ist und auch nicht erfolgt.

Psychologisch bzw. psychiatrisch betrachtet äußert sich dies auf der Ebene des Erlebens, also auf der Ebene der Psyche dahingehend, dass die Person ihre Sichtweise nicht korrigieren kann bzw. sie subjektiv felsenfest und unverrückbar von ihrer Sichtweise überzeugt ist, womit das psychische Phänomen der wahnhaften Gewissheit entsteht.

Philosophisch betrachtet kann man sagen, dass es beim Wahn der betroffenen Person krankheitsbedingt bzw. störungsbedingt nicht möglich ist, einen der Vergleich der Ideen auf der Ebene der Vorstellungen vorzunehmen und ein realitätsgemäßes Urteil zu bilden.

Aus diesem Unvermögen resultiert die psychische Störung, die man als Wahn bezeichnet – und es handelt sich daher um eine psychische Krankheit und nicht um eine moralische Verirrung oder um eine Obsession, wie man dies früher geglaubt hat und manche Menschen auch heute noch glauben, wenn sie versuchen eine solche gesundheitliche Störung durch Exorzismus zu „behandeln“. (-> Weiteres dazu in diesem Beitrag)

Bekanntlich hat man in Europa vor noch nicht allzu langer Zeit diese psychischen Auffälligkeiten durch Exorzismus offiziell behandelt – und bekommt man auch heute noch fallweise zu hören, dass solche Behandlungsversuche bei derartigen psychischen Störungen unternommen werden.

Vergleich des Wahns mit verstehbaren psychischen Phänomenen:

Aus der Sicht der Normalpsychologie verstehbar und im Rahmen der Normalpsychologie erklärbar treten Störungen im Bereich der Realitätswahrnehmung unter starken Affekten auf.

Bei einer solchen psychischen Störung spricht man jedoch nicht von einer krankheitswertigen psychischen Störung wenn die Person ihre Sichtweise umgehend korrigiert, wenn sie auf den Irrtum aufmerksam gemacht worden ist und man spricht von einer überwertigen Idee wenn die  betroffene Person in letzter Konsequenz noch fähig ist ihre falsche Sichtweise an der Realität zu korrigieren wenn sie über den Zusammenhang des Sachverhalts aufgeklärt worden ist. Bei einer Psychose bzw. einem Wahn ist die betroffene Person zu einer solchen Korrektur offenbar krankheitsbedingt  nicht bzw. nicht mehr in der Lage.

Ein Wahn ist also dadurch gekennzeichnet, dass die Flexibilität im Denken, die Flexibilität zur Korrektur der Sichtweise nicht mehr gegeben ist. Damit zeichnet sich der Wahn durch die Unverrückbarkeit der subjektiven Gewissheit, oder psychiatrisch formuliert durch die wahnhafte Gewissheit aus.

Man kann daher auch sagen: der Wahn bildet die Extermvariante einer kognitiven Störung, die sich dadurch auszeichnet, dass die Flexibilität (krankheitsbedingt) in der richtigen Urteilsbildung – jedenfalls in einem gewissen Themenbereich – gänzlich aufgehoben ist bzw. nicht mehr gegeben ist.

In der psychiatrischen Praxis kann man manchmal beobachten wie ein Übergang von einer überwertigen Idee in eine unverrückbare subjektive Gewissheit eintritt. Dies ist bei ausgeprägten affektiven Störungen manchmal zu beobachten. Bei einer schweren depressiven Störung mit psychotischen Symptomen kann es zum Auftreten von ausgeprägten kognitiven Störungen kommen und es kann sich z.B. das klinische Erscheinungsbild eines Verarmungswahns  manifestieren. Im Rahmen der Remission dieser psychischen Störung verschwindet der Wahn und es kann die Person die Realität wiederum adäquat wahrnehmen.

In anderen Fällen einer wahnhaften Störung – wie dies gelegentlich beim Verfolgungswahn zu beobachten ist persistiert die wahnhafte Störung und es ist eine solche Remission oftmals nicht zu beobachten, wenn gleich auch bei dieser Form einer psychischen Störung oftmals eine teilweise Abnahme der Symptome und des subjektiven Leidensdrucks zu beobachten ist.

Damit bestätigt sich was Karl Jaspers gesagt hat, dass man psychische Störungen generell nach einem Typus erfasst und je nach der Entwicklung des klinischen Erscheinungsbildes sich auch der Typus ändert bzw. sich der Bezug der erlangten Idee zum Ideal ändert. (vgl. mit Jaspers Zitat)

Daher sollte man in der Psychiatrie immer flexibel bleiben und je nach Sachverhalt die begriffliche Bezeichnung wechseln und nicht auf einer psychiatrischen Diagnose bzw. der Bezeichnung einer psychiatrischen Diagnose beharren, wenn das klinischen Erscheinungsbild diesem Ideal bzw. diesem Typus nicht mehr entspricht.

Das heißt man sollte eine psychiatrische Diagnose und damit die psychiatrische Idee – so wie eine psychologische Idee nur relativistisch verwenden (vgl. mit Kant Zitat 4).

Daher sollte man in der Psychiatrie (Psychologie und Psychotherapie) – wie dies  Karl Jaspers formuliert – die Sichtweise in der Schwebe halten (vgl. mit Jaspers Zitat 2).

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(letzte Änderung 17.09.2020, abgelegt unter: Wahn, Psychiatrie, Definition, Psychose, Schizophrenie, psychiatrische Diagnose, psychiatrischer Begriff)

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