Evidenz in der Medizin

In der Medizin können die Befunde und damit auch die medizinischen Diagnosen teils auf der Grundlage von augenscheinlicher Evidenz, somit auf der Grundlage von objektiver Evidenz festgestellt werden. Zum anderen Teil können in der Medizin – so wie in der Psychiatrie – die Erkenntnisse nur auf der Grundlage von scheinbarer Evidenz bzw. nur auf der Grundlage von mehr oder weniger einleuchtender Evidenz gesichert werden. Es handelt sich in einem solchen Fall um subjektive Evidenz.

Es hängt nämlich von den spezifischen bzw. charakteristischen Zeichen (Merkmalen) ab, ob ein Befund bzw. eine Diagnose objektiv gewiss oder nur subjektiv gewiss erkannt werden kann.

Wenn die spezifischen Zeichen (Merkmale) einer Krankheit (gesundheitlichen Störung) objektiv gewiss bzw.  augenscheinlich evident festgestellt werden können, dann kann auch die Diagnose dieser Krankheit (gesundheitlichen Störung) mit objektiver Evidenz festgestellt werden.

Im anderen Fall, wenn die charakteristischen Zeichen (Merkmale) der Krankheit (gesundheitlichen Störung) nur subjektiv gewiss bzw. einleuchtend evident festgestellt und nur auf der Grundlage einer Idee erkannt werden können, dann kann auch die daraus abgeleitete medizinische Diagnose nur mit subjektiver Evidenz festgestellt werden. Dies ist etwa in der Diagnostik eines Schilddrüsentumors vom Typ eines papillären Schilddrüsenkarzinoms der Fall. Und es wird hier der Sachverhalt der subjektiven Evidenz besonders deutlich wenn das histopathologische Bild nicht typisch ist und daher der eine Pathologe unter Umständen zur einen Diagnose und der andere Pathologe zu einer anderen histopathologischen Diagnose gelangt.

Man muss also in der Medizin zwischen objektiv gültiger und subjektiv gültiger Evidenz unterscheiden.

Es können also in der Medizin die objektiv bestimmbaren medizinischen Diagnosen auf der Grundlage von objektiver Evidenz erkannt und diagnostisch bestimmt werden (Beispiel: Knochenbruch mit deutlich sichtbarer Frakturlinie im bildgebenden Befund), wohingegen die sich auf Symptome und auf nicht-objektivierbaren Phänomene gründenden Diagnosen, hier insbesondere die syndromalen Diagnosen im engeren Sinn und auch sonstige medizinische Diagnose, die nur auf der Grundlage einer Idee erkannt werden können, nur auf der Grundlage von subjektiver Evidenz erkannt und in der Diagnostik bestimmt werden können.

Ebenso können auch die psychiatrischen Diagnosen nur auf der Grundlage von subjektiver Evidenz festgestellt erkannt und diagnostisch bestimmt werden (Siehe dazu diesen Beitrag).

Immanuel Kant hat aufgezeigt, dass eine Erkenntnis nur dann gewiss und allgemein gültig ist, wenn sie sich auf einen Gegenstand schlechthin (vgl. mit Kant Zitat 7) bzw. auf ein Objekt gründet. (vgl. mit Kant Zitat 9).

Demgemäß können in der Medizin Krankheiten (gesundheitliche Störungen) nur dann objektiv gewiss und damit objektiv evident festgestellt werden, wenn sich eine solche Erkenntnis auf ein körperliches Objekt bzw. auf die Zeichen von einem solchen Objekt gründet.

Nur ein solches Objekt kann nämlich objektiv gültig und damit allgemein gültig festgestellt werden. Zum Beispiel kann ein Knochenbruch, der auf der Grundlage eines objektiven Befundes (indirekt durch den Röntgenbefund, oder direkt sichtbar z.B. durch einen offenen Bruch) objektiv evident festgestellt werden kann. Ein Herzinfarkt kann indirekt auf der Grundlage von objektiven Zeichen, also auf der Grundlage der EKG Zeichen, der spezifischen Enzymwerte und anderer objektiver Befunde objektiv evident festgestellt werden.

Eine syndromale Diagnose, wie z.B. die Diagnose Migräne, kann nicht objektiv gewiss, und damit auch nicht objektiv evident festgestellt werden. Es kann im Zweifelsfall nicht allgemein gültig festgestellt werden, ob eine solche Diagnose zutrifft oder nicht zutrifft. Es kann nicht auf der körperlichen Ebene, also auf der Ebene von körperlichen, physischen Objekten allgemein gültig verifiziert oder falsifiziert werden, ob die Diagnose zutreffend ist, sondern es kann im Zweifelsfall nur auf der Ebene der Vorstellungen auf der Grundlage einer Idee „abgewogen“ werden, ob etwa die eine oder eher die andere Diagnose (z.B. Migräne oder Spannungskopfschmerz) zutreffend ist. Es handelt sich dabei also um eine Diagnose, die nur auf der Ebene der Vorstellungen bestimmt, nicht aber am Probierstein der Erfahrung physisch überprüft werden kann. (vgl. mit Kant Zitat 10)

Eine solche medizinische Diagnose kann nur subjektiv gewiss bzw. subjektiv evident festgestellt werden.

Evidenz in der medizinischen Wissenschaft

In der medizinischen Wissenschaft werden zum Teil Studien gemacht die von objektiven Befunden ihren Ausgang nehmen und zum andern Teil Studien, die sich auf nur subjektiv gewiss feststellbare Daten gründen.

Dem gemäß gründen sich die erst genannten medizinischen Studien auf objektive Evidenz bzw. auf augenscheinliche Evidenz und die zweit genannten Studien auf subjektive Evidenz bzw. auf nur scheinbare Evidenz. Die erst genannte Studien liefern daher Erkenntnisse im Sinn der Annäherung zur Gewissheit, wohingegen die zweitgenannten Studien nur Erkenntnisse im Sinn einer Scheinbarkeit im Vergleich zu einer anderen Scheinbarkeit liefern (vgl. mit Kant Zitat 9b). Es hat dies zur Folge dass die Studien, die sich auf objektive Daten gründen einen höheren Erkenntniswert haben als die Studien, die sich auf nur subjektiv gültige Daten gründen. Eine kritischer Arzt wird dies bei einer medizinischen Leitlinie berücksichtigen.

Weiteres dazu auf Poster 3 (PROBABILITY IN MEDICINE AND IN PSYCHIATRY – IN THE LIGHT OF IMMANUEL KANT`S PHILOSOPHY)

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(letztes update am 7.11.2012, Evidenz)

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