Evidenz in der psychiatrischen Wissenschaft

Die Evidenz in der psychiatrischen Wissenschaft basiert auf der Evidenz der psychischen Phänomene. Auf dieser Grundlage wird eine psychiatrische Diagnose erkannt.

Die Evidenz einer psychiatrischen Diagnose gründet sich somit auf die Evidenz der einzelnen psychischen Phänomene bzw. der einzelnen psychischen Symptome, von der sie ausgeht.

Nachdem psychiatrische Diagnosen und überhaupt die psychische Erscheinungen bzw. psychische Symptome und psychische Phänomene nur subjektiv als evident erkannt werden, basieren die Ergebnisse der psychiatrischen Wissenschaft auf subjektiver Evidenz und damit auf subjektivem Wissen.

Dies bedeutet, dass das Wissen, das in der psychiatrischen Wissenschaft gewonnen wird nur  auf der Grundlage von subjektiver Evidenz erlangt werden kann und es in diesem Bereich der Heilkunde keine objektive Evidenz gibt, wie dies in einem Teilbereich der Medizin der Fall ist.

Daher hat das Wissen das die psychiatrische Wissenschaft – und auch das Wissen, das die psychologische Wissenschaft, und auch das Wissen, das die psychotherapeutische Wissenschaft – hervorbringen verhältnismäßig einen geringeren Erkenntniswert. Es handelt sich dabei also um ein Wissen das jedenfalls einen geringeren Erkenntniswert hat als das Wissen, das in der Medizin auf der Grundlage von objektiven Daten bzw. auf der Grundlage von objektiven Befunden erlangt wird.

Mit anderen Worten kann man auch sagen, dass das Wissen, das die psychiatrische (psychologische, psychotherapeutische) Wissenschaft auf der Grundlage der Evidenz ihrer Daten hervorbringen kann ist von geringerem bzw. stärker beschränktem Erkenntniswert ist als das Wissen, das in der Medizin auf der Grundlage von objektivem Wissen gewonnen wird.

Karl Jaspers hat erkannt, dass das psychiatrische Wissen in Relation zu einem  Typus also in Relation zu einem definierten Ideal und nicht auf der Grundlage der Zugehörigkeit zu einer Gattung erkannt wird (vgl. mit Jaspers Zitat).

Dies kommt daher, weil psychiatrische Erkenntnisse auf der Grundlage von bloßen Ideen gewonnen werden (vgl. mit Kant Zitat 4), also auf der Grundlage von Ideen erlangt werden, die nicht auf ein physisches Erkenntnisobjekt zurückgeführt werden können (vgl. mit Kant Zitat 10 weitere Einzelheiten dazu auf Poster 6 zum Thema: Diagnosis in Psychiatry – the Role of Biological Markers – an investigation in the light of Immanuel Kant`s philosophy)

Weil in der Psychiatrie Erkenntnisse nur auf der Grundlage von subjektiver Evidenz erlangt werden können ist der Grad der Evidenz je nach Sachverhalt und Fall verschieden. Es kann nämlich ein konkreter Fall einer psychiatrischen Einheit bzw. einer psychiatrischen Diagnose mehr oder weniger treffend zugeordnet werden. Oder mit anderen Worten formuliert: ein konkreter Fall kann auf einen Typus mehr oder weniger  zutreffend sein.

Nochmals anders formuliert: Eine diagnostische Einheit kann in der Psychiatrie (Psychologie und Psychotherapie) im einen Fall relativ „valide“ und damit relativ „reliabel“ einer diagnostischen Einheit zugeordnet werden. Es kann also die  Validität und damit auch Reliabilität von Fall zu Fall verschieden sein, je nach dem in welchem  Ausmass das klinische Erscheinungsbild typisch ist.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass psychiatrische Diagnosen auch noch aus anderen Gründen nur unterschiedlich „gewiss“ festgestellt werden können. Es können psychiatrische Diagnosen nämlich nach unterschiedlichen psychiatrischen Klassifikationen festgestellt werden. Es kann eine psychiatrische Diagnose z.B. innerhalb der psychiatrischen ICD-10 Klassifikation festgestellt werden, oder innerhalb der DSM-IV Klassifikation, oder innerhalb einer sonstigen psychiatrischen Klassifikation.

Schliesslich ist auch noch zu berücksichtigen, dass die psychiatrische Diagnosen verschieden „gewiss“ festgestellt werden, wenn sie nicht klar einem Typus zuordenbar sind. Insbesondere die Diagnosen der 3. Schicht nach der Schichtenregel von Karl Jaspers können oftmals nicht eindeutig einer diagnostischen Einheit zugeordnet werden.

Die Diagnosen der 3. Schicht nach der Schichtenregel von Karl Jaspers sind mit der verhältnismäßig größten Verlässlichkeit feststellbar, die der 2. Schicht können in der Regel mit geringerer und diejenigen, die der 1. Schicht mit der verhältnismäßig geringsten. Das heißt diese psychiatrischen Diagnosen können oftmals zwanglos einer anderen psychiatrischen Kategorie zugeordnet werden – und man erkennt damit, dass wissenschaftliche Studien, die sich auf solche systematische Einheiten gründen einen geringen Erkenntniswert haben – einen so geringen, dass die Ergebnisse von solchen wissenschaftlichen Studien in der Praxis kaum einen Nutzen haben.

Man erkennt damit den großen Unterschied und Wert der wissenschaftlichen Studien. Man erkennt den großen Unterschied, wie sich dieser aus der andersartigen Erkenntnisbasis ergibt (vgl. mit Kant Zitat 7).

All dies sollte im Grunde genommen im Rahmen der wissenschaftlichen Studien und im Rahmen der Präsentation der wissenschaftlichen Studien und auch in der Verwertung der Ergebnisse dieser Studien in der Praxis berücksichtigt werden.

Tatsächlich können aber diese Unterschiede, wie sie aus dem subjektiven Wissen resultieren, in wissenschaftlichen Studien aus praktischen Gründen nicht berücksichtigt werden und finden daher diese Beschränkungen im Wissen und die daraus resultierenden Einschränkungen in der psychiatrischen Wissenschaft keinen Niederschlag.

Daher ist das Wissen, wie es durch statistische Studien in der psychiatrischen Wissenschaft hervorgebracht wird je nach Art der Diagnosen von verschiedenem Wert und je nach dem von verhältnismässig geringem Erkenntniswert, im Vergleich zum Wissen bzw. zum Erkenntniswert der Studien, das von objektiven Daten abgeleitet worden ist.

Mit anderen Worten gesagt: das Wissen, das durch psychiatrisch (psychologisch und psychotherapeutische) wissenschaftliche Studien auf statistischem Weg gewonnen wird, hat einen relativ geringen Erkenntniswert, im Vergleich zum Wissen, das auf der Grundlage von objektivem Wissen gewonnen wird.

Diese Beschränkung im Informationsgehalt  wird in der wissenschaftlichen Diskussion bis dato allerdings nicht beachtet, und werden die Zahlen in den psychiatrischen Fortbildungen so präsentiert, wie Zahlen, die auf der Grundlage von objektiven Fakten gewonnen worden sind.

Mit anderen Worten: man erlebt es in der Psychiatrie bei wissenschaftlichen Kongressen häufig, dass die Ergebnisse von psychiatrischen Studien mit medizinischen Studien verglichen werden, obwohl die ersteren auf der Grundlage von subjektiven Daten gewonnen wurden und die letzteren auf auf der Grundlage von objektiven Daten.

Das heisst, es wird gegenwärtig in der Psychiatrie und in der psychiatrischen Wissenschaft (noch) nicht berücksichtigt, dass psychiatrisches Wissen, wie es auf der Grundlage von Erscheinungen (Phänomenen) gewonnen wird nur zu einer Scheinbarkeit im Vergleich zu einer anderen Scheinbarkeit führt, und nicht zur Annäherung zur Gewissheit. (vgl. mit Kant Zitat 9b)

(Weiteres dazu auf Poster 3 : Probability in Medicine and in Psychiatry, der am EPA Kongress 2010 in München vorgestellt worden ist.)

Man sollte also beachten dass in der Psychiatrie (Psychologie und Psychotherapie) das Wissen nur auf der Grundlage von scheinbarer Evidenz erkannt werden kann, wohingegen in der Medizin und damit in der medizinischen Wissenschaft das Wissen vielfach auf der Grundlage von augenscheinlicher Evidenz erlangt werden kann.

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(Beitrag  in Arbeit. letzte Änderung 14.12.2016, abgelegt unter Evidenz, Psychiatrie, psychiatrische Wissenschaft)

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