Erscheinung

Eine Erscheinung ist Etwas das sich als Phänomen manifestiert.

Dabei kann eine Erscheinung etwas sein, das entweder visuell sichtbar ist, und das daher im optischen Gesichtsfeld erscheint, oder es ist dies etwas das mir nur als Vorstellung gegeben ist, und als Idee / als inneres Bild usw. in meinem Bewusstsein bzw. nur in meinem geistigen Gesichtsfeld erscheint.

Demgemäß kann man eine Erscheinung der zuerst genannten Art mit den eigenen Augen – also optisch – sehen (zum Beispiel: einen Regenbogen), oder man kann die Erscheinung nur geistig bzw. nur als Idee bzw. nur durch den Begriff der Idee und somit nur als systematische Einheit der Idee sehen.

Das heißt, in diesem Fall kann man die Erscheinung nur geistig „sehen“, falls man die Merkmale der Idee durch das Schema der Idee geistig auffasst (vgl. mit Kant Zitat 7).

Im zuerst genannten Fall des Regenbogens ist die Erscheinung ein natürliches Phänomen wie es bei Regen und Sonnenschein in der Natur unter gewissen Bedingungen vorkommt.

Hingegen in einem Fall der zweit genannten Art kann das Phänomen bzw. die Erscheinung etwa ein Gedanke sein, der der Person gerade in den Sinn kommt. Es handelt sich dabei also um ein psychisches Phänomen bzw. genau genommen um ein geistiges Phänomen das gerade in diesem Moment im Bewusstsein der Person erscheint.

Man muss also unterscheiden, ob es sich bei der Erscheinung um etwas handelt, das man mit den eigenen Augen sehen kann, oder ob diese etwas ist, das man nur mental bzw. nur durch das Denken,  durch das Überlegen, Nachdenken etc. erkennen kann.

Die Erscheinung der zuerst genannten Art kann ich also durch die sinnliche Wahrnehmung erkennen, hingegen kann die Erscheinung der zweit genannten Art nur geistig erkannt und beurteilt werden.

In beiden Fällen kann man die Erscheinung jedoch nicht quantifizieren bzw. man kann sie nicht physisch messen und daher nicht objektiv gültig bestimmen.

Zum Beispiel des genannten Regenbogens sagt die Person A dass dieser sehr groß ist.

Die Person B ist nicht dieser Ansicht – sie findet den Regenbogen nur mittelgradig groß.

Von gleicher Art ist die subjektive  Beurteilung  des Zuckergehalt im verkosteten Tortenstück.

Die Person A gelangt nach der Verkostung zum Ergebnis, dass die Torte bzw. das Tortenstück sehr süß ist.

Die Person B gelangt nicht zu diesem Ergebnis, sondern vertritt die Ansicht dass die Torte bzw. dass das Tortenstück nur mäßig bzw. nur mittelgradig süß ist.

Man kann also sagen, dass die persönliche Wahrnehmung bzw. die persönliche Schätzung/Einschätzung in Bezug auf den Grad der „Süße“ und ebenso in Bezug auf die „Größe“ des Regenbogens nicht allgemein gültig bestimmt werden kann, weil hier subjektive Faktoren in die Entscheidung einfließen.

Daher der Spruch: über Geschmack lässt sich nicht streiten – dies gilt auch für die Beurteilung von anderen Erscheinungen.

Ich kann die Erscheinung – und auch ihren Grad – nur durch den Begriff der Idee erkennen, der als Gegenstand in der Idee in meinem Bewusstsein erscheint, wenn ich die Merkmale der Idee durch das Schema der Idee geistig auffasse (vgl. mit Kant Zitat 7).

Das heißt, in einem derartigen Fall ist die Erscheinung mir nur als die systematische Einheit der Idee gegeben (vgl. mit Kant Zitat 7)  beziehungsweise ist sie mir nur als Gegenstand in der Idee gegeben der in meinem Bewusstsein als der Begriff der Idee erscheint (vgl. mit Kant Zitat 7).

Diskussion des Sachverhalts in Bezug auf Erscheinungen anhand von ein paar Beispielen:

Das Eis, das sich auf der Oberfläche des Sees wegen des Temperaturabfalls gebildet hat, ist als sinnlich wahrnehmbare Tatsache für Jedermann als natürliche Erscheinung bzw. als natürliches Phänomen erkennbar.

Ebenso ist das histologische Bild im Mikroskop für Jedermann sichtbar.

Falls nur ein wenig typisches Bild von mehreren Pathologen beurteilt wird – wird hier allerdings nicht jeder Pathologe zur selben histopathologischen Diagnose gelangen,  eben weil die Merkmale des Gewebes etwa des Tumors nicht typisch sind.

Das ist so, weil hier nicht jede Fachperson die sichtbaren Merkmale unter demselben Begriff bzw. unter derselben Idee auffasst – obwohl es sich hier um ein visuell sichtbares Bild handelt.

Während also manch ein Bild auf eine Tatsache rückführbar ist, ist dies bei anderen visuell sichtbaren Bildern nicht möglich – was hier etwa auf die Bilder in der Histopathologie zutrifft vor allem wenn der Sachverhalt nicht typisch ist.

Die Fachperson kann hier den Sachverhalt also nur in Bezug auf einen definierten Typus bestimmen.

Es wird die Erscheinung in einem derartigen Fall also immer nur durch die systematische Einheit der Idee und daher nur geistig erfasst/erkannt/wahrgenommen (vgl. mit Kant Zitat 7) – etwa im Fall des Bildes in der Histopathologie und in der Zytopathologie.

An dieser Stelle sei noch angemerkt dass man in der Heilkunde – so zum Beispiel in der Neurologie und vor allem in der Psychiatrie mit rein geistigen Bildern befasst ist.

So etwa falls der Neurologe die Diagnose Migräne feststellt. Hier handelt es sich beim klinischen Bild nämlich um einen Symptomenkomplex der die neurologische Diagnose Migräne bestimmt. Bei einem derartigen Bild handelt es sich immer um ein rein geistiges Bild.

In gleicher Weise ist man in der Psychiatrie in Bezug auf die einzelnen psychischen Phänomene und ebenso in Bezug auf die psychischen Symptomenkomlexe bei den psychischen Störungen immer mit rein geistigen Bildern befasst.

Auch in anderen Bereichen der Heilkunde bzw. in der Medizin im Sinn der universitären Medizin ist man mit klinischen Erscheinungen befasst die man nur durch rein geistige Bilder erkennen und bestimmen kann. Dies trifft zum Beispiel auf die körperlichen Symptome Juckreiz oder Schmerz zu.

Ein körperliches Symptom und auch ein psychisches Phänomen kann also immer nur vom Subjekt wahrgenommen und daher nur subjektiv gültig beurteilt werden. Das heißt man kann eine derartige Erscheinung nicht physisch/physikalisch/biologisch „messen“ und in Folge allgemein gültig bestimmen.

Demgemäß wird in der Psychiatrie etwa eine Halluzination wie sie als psychopathologisches Phänomen als Merkmal einer psychischen Störung vorkommt nur vom Subjekt erkannt dass dieses Phänomen erlebt.

Das heißt diese Person kann über diese Erscheinung die sie in ihrem Bewusstsein erlebt berichten. Sie kann also über diese Erscheinung als subjektiv wahrgenommenes Phänomen einer anderen Person Mitteilung machen – sie kann darüber nur sprachlich berichten – objektiv feststellbar ist diese Erscheinung der kranken Psyche nicht.

Hingegen kann manch ein körperliches Phänomen von der betroffenen Person selbst, so wie vom Betrachter sinnlich wahrgenommen werden. Allerdings wird hier die Bewertung des Phänomens unter Umständen verschieden ausfallen: etwa das Ausmaß der Rötung im Gesicht bei Erröten, oder die sichtbare Gewichtszunahme im Sinn des sich zu dick Fühlens (bei Anorexie/Bulimie), das Ausmaß des Schwitzen bei Schweißbildung usf.

Eine Erscheinung ist also entweder ein sinnlich wahrnehmbares Phänomen, oder es ist dies ein nicht im Äußeren erkennbares Erkenntnisobjekt das als Inhalt der Psyche bzw. als  Inhalt des Geistes im Bewusstsein der erkennenden Person als Gegenstand in der Idee im Sinne von Immanuel Kant erscheint.

Demgemäß kann eine Erscheinung ein Phänomen sein das sinnlich wahrnehmbar ist oder es ist dies nicht der Fall.

In einem solchen Fall kann die Erscheinung nur durch die geistige Messung erfasst und etwa in der Diagnostik bestimmt werden.

Dies trifft etwa auf ein psychisches Phänomen in der Psychologie zu. Oder es trifft dies auch auf ein psychopathologisches Phänomen und damit auch auf eine psychische Störung zu wie sie in der Psychiatrie (Forensischen Psychiatrie) durch eine psychiatrische Fachperson (Psychiater/Psychiaterin) als psychiatrische Diagnose der psychischen Störung bestimmt wird zu.

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(letzte Änderung 08.04.2024, abgelegt unter Begriff, Diagnostik, Definition, Diagnostizieren, Erkennen, Gutachten, Medizin, Psyche, Psychiatrie, Psychologie, Psychosomatik, Philosophie, philosophische Begriffe, Wissenschaft)

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