Schlaganfall (Apoplex)

Die Diagnose Schlaganfall (Apoplex) ist primär eine phänomenologische Diagnose weil sie vorerst auf dem neurologischen Symptomenkomplex beruht.

Man kann auch sagen: die Verdachtsdiagnose Schlaganfall wird primär als neurologisches Phänomen erkannt, das allerdings sekundär in vielen Fällen auf eine körperliche Ursache zurückgeführt werden kann.

Falls die Symptomatik der neurologischen Störung unzweifelhaft auf die gefundene körperliche Ursache zurückgeführt werden kann, dann handelt es sich bei der neurologischen Diagnose um die zutreffende ätiologische Diagnose.

Die neurologische Diagnose Schlaganfall wird primär also durch die klinische Erscheinung der neurologischen Störung erkannt, sekundär kann man den neurologischen Begriff Schlaganfall allerdings in vielen Fällen auf eine physische/körperliche Ursache zurückführen und so gesehen die neurologische Diagnose dadurch allgemein anerkannt – bzw. dadurch ätiologisch begründet bestimmen.

Man kann in diesen Fällen das klinische Erscheinungsbild – wie es vom neurologischen Symptomenkomplex gebildet wird – durch diese Ätiologie begründet, allgemein anerkannt erklären, das heißt man kann diese klinische Erscheinung durch diese körperliche Ursache begründet verstehen.

Wörtlich ist ein Schlaganfall ein Fall bzw. ein Sturz zu Boden infolge einer Verletzung/Störung der Hirnfunktion.

Andere Bezeichnungen für Schlaganfall sind: Gehirnschlag, Apoplexie.

In der Medizin hat man bemerkt, dass  in vielen Fällen das schlag-anfallsartige Geschehen durch eine plötzlich aufgetretene Ischämie infolge eines arteriellen Verschlusses auftritt. Es hat hier also, eine das Gehirn versorgende Arterie lokal den Infarkt bewirkt. So kennt man etwa die Halbseitenlähmung in der Form einer Hemiplegie oder in leichterer Form als Hemiparese, wie diese etwa durch den Verschluss der Arteria cerebri media oder eines ihrer großen Aste entweder als Folge einer Thrombose oder infolge einer Embolie oder manchmal auch durch eine andere Kausalität verursacht auftritt und zum neurologischen Phänomen führt.

Obwohl es bei einem kleinen Schlaganfall nicht so, wie bei einem großen Schlaganfall zum Sturz zu Boden kommt, wird in der Neurologie der Begriff Schlaganfall auch für kleine Ischämien verwendet, bei denen es zum umschriebenen Ausfall der Hirnfunktion und damit zur Störung der neurologischen Funktion bzw. zur neurologischen Symptomatik kommt.

Dabei kommt es beim Schlaganfall in vielen Fällen nicht nur zur Störung der neurologischen Funktion im Sinn der motorischen Funktion, sondern es kommt dabei nicht selten auch zur Störung der psychischen Funktion. Es treten beim Schlaganfall  also nicht selten auch neben den neurologischen Phänomenen und den neurologischen Symptomen auch psychische Symptome und psychische Phänomene auf – die als Folge der neurologischen Funktionsstörung klinisch in Erscheinung treten.

Diagnostisch betrachtet wird der Schlaganfall primär klinisch also durch den neurologischen Befund erkannt, wie er im Rahmen der klinisch neurologischen Untersuchung erhoben wird. In vielen Fällen kann dann dieser klinische Befund durch neurologische Zusatzuntersuchungen (MRT, CT und andere) näher abgeklärt werden. Es kann hier also in vielen Fällen die klinisch gestellte neurologische Diagnose sodann durch den bildgebenden Befund gesichert bzw. untermauert werden. Man kann in diesen Fällen die neurologische Störung also durch die bildgebend nachgewiesene Kausalität erklären und die neurologische Diagnose dadurch sichern bzw. die neurologische Störung im Hinblick auf die Kausalität/Ursache dadurch begründet verstehen.

In anderen Fällen -insbesondere bei einem kleinem vaskulären Geschehen –  ist dies allerdings nicht möglich und bedeutet der negative bildegebende Befund nicht unbedingt dass hier keine organische Läsion kausal ist.  Man kann aus der neurologischen Abklärung die keine eindeutige Hirnläsion aufzeigt wissen bzw. nicht logisch verlässlich schließen dass hier keine körperliche Ursache für die Symptomatik vorhanden ist. Dies ist nicht möglich weil die Relation der Ursache zur klinischen Erscheinung grundsätzlich nicht bestimmbar ist. Mit anderen Worten man kann nicht wissen ob die betroffene Person tatsächlich einen lokalen Hirnschaden erlitten hat falls der bildgebende Befund negativ ist – und etwa in diesem Fall sagen dass hier die Störung der neurologischen Funktion psychisch bedingt ist. Sondern es muss in einem solchen Fall der Facharzt den Sachverhalt und damit die neurologische Diagnose auf Grundlage der Klinik stellen.*

Man kann aus dem negativen Nachweis der Bildegebung nicht darauf schließen, dass bei der Person keine organische begründete Störung der neuronalen Funktion vorliegt, weil die Bildgebung keinen optisch sichtbaren auffälligen Befund zeigt, oder weil das EEG (Elekrotenzephalogramm) keinen relevanten Befund liefert und daraus schließen, dass die Person organisch nichts „hat“, weil eine Idee nicht konstitutiv ist (vgl. mit Kant Zitat 3a).

Die Verdachtsdiagnose Schlaganfall beruht nämlich auf einer Idee bzw. auf einer Vorstellung die auf den Sachverhalt projiziert worden ist und man durch die allenfalls nachweisbare körperliche Ursache verstehen und erklären – kann – aber die Existenz oder Nicht-Existenz der neurologischen Störung kann man durch den negativen bildgebenden Befund nicht beweisen. Mit anderen Worten: es gibt hier keinen bildgebenden Beweis der die organische Störung ausschließt.

Im Zweifelsfall entscheidet allein der klinisch phänomenologische Befund und es kann daher vorkommen, dass Fachleute, etwa falls mehrere Sachverständige mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt worden sind, in einem solchen Fall zu unterschiedlichen fachlichen Sichtweisen und damit zu unterschiedlichen diagnostischen Feststellungen gelangen, weil der Sachverhalt nur auf der Grundlage der klinischen Erscheinung gestellt bzw. nur subjektiv gültig entschieden werden kann.

Es handelt sich in einem solchen Fall in der neurologischen Diagnostik also um subjektives Wissen das einer Objektivierung nicht zugänglich ist bzw. das nicht objektiviert werden kann, weil das ärztliche Urteil hier auf einem Wahrnehmungsurteil  und nicht auf einem Erfahrungsurteil im Sinne von Immanuel Kant beruht (vgl. mit Kant Zitat 6).

Man kann auch sagen: hier beruht das ärztliche (diagnostische) Urteil lediglich auf derlogischen Verknüpfung der Wahrnehmungen in einem denkenden Subjekt (vgl. mit Kant Zitat 6).

Man kann auch sagen: hier beruht die ärztliche Diagnose auf dem Denken des Arztes – und nicht auf einer Wahrnehmung die allgemein gültig beweisbar ist – weil sie auf der Demonstration beruht.*

Schließlich kann man zu einem derartigen diagnostischen Sachverhalt auch sagen, dass hier Wahrheit oder Schein sind nicht im Gegenstande, – zu finden sind –  so fern er angeschaut wird, sondern im Urteile über denselben, so fern er gedacht wird. (vgl. mit Kant Zitat 9a).

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Weiteres* dazu in meinem Buch:

Diagnostik, Klassifikation und Systematik in Psychiatrie und Medizin

erschienen im April 2019 im Verlag tredition

insbesondere in den Abschnitten:

2.49 Die Relation der klinischen Erscheinung zu ihrer Ursache ist nicht bekannt und bestimmbar

26.17 In der Medizin ist die Relation des nicht objektivierbaren Phänomens zum körperlichen Substrat nicht bestimmbar

26.20 Über den Grad des Wissens bei einem Schlaganfall als Folge der Basis des Wissens.

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(letzte Änderung 06.09.2020, abgelegt unter: Diagnostik, Neurologie, neurologischer Begriff)

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