psychiatrisches Denken

Psychiatrisches Denken ist das Denken wie es in der Psychiatrie als Wissenschaft entstanden ist.

Dabei gründet sich das psychiatrische Denken bezüglich der Diagnostik der psychischen Störungen auf das psychopathologische Denken. Im Hinblick auf das Verständnis der Psyche ist allerdings fast in jedem Fall psychologisches Denken erfordert und im Hinblick auf das Verständnis von gewissen psychischen Störungen auch biologisches Denken.

Durch das psychopathologische Denken werden die einzelnen psychopathologischen Phänomene und ebenso die psychischen Symptomenkomplexe der psychischen Störungen rational* begründet erkannt und es können dadurch die psychiatrischen Diagnosen – nach einem System geordnet – somit systematisch – in der psychiatrischen Diagnostik bestimmt und in der psychiatrischen Klassifikation klassifiziert werden.

Es ist das psychiatrische Denken also das Denken, wie es in der Psychiatrie als empirische Wissenschaft durch das systematische Studium der krankheitswertigen Erscheinungen der Psyche im Laufe der Zeit erkannt, beschrieben und definiert worden ist und zur Diagnostik der klinischen Krankheitsbilder der psychischen Störungen geführt hat.

Und wie es in anderer Hinsicht durch das fachliche Verständnis der Psyche die Zusammenhänge der psychischen Phänomene erklärt bzw. wie man auf Grundlage des fachlich klinischen Wissens und durch gewisse psychologische Theorien und psychotherapeutische Theorien diese im konkreten Fall verstehen und erklären kann.

Schließlich erfordert das psychiatrische Denken im Hinblick auf das Verständnis von manch einer psychischen Störung auch ein biologisches Denken, insofern man dadurch die Funktion des Nervensystems und dadurch das Auftreten von gewissen psychischen Störungen biologisch begründet verstehen und erklären kann.

Im Hinblick auf die Genese der jeweiligen psychischen Störung ist neben dem psychopathologischen Denken in gewissen Fällen also auch das biologische Denken von Relevanz, weil dadurch die Entstehung bzw. die Ursache von manch einer psychischen Störung biologisch begründet verstanden bzw. erklärt werden kann. Man kann also als Fachperson/Psychiater/Psychiaterin das Auftreten der psychischen Störung durch die jeweilige biologische Theorie bzw. durch die jeweilige biologische Kausalität erklären und verstehen (Beispiele dazu: organisches Psychosyndrom, depressive Störung insbesondere vom Schweregrad einer Psychose, Schizophrenie und andere).

Es ist das psychiatrische Denken also das fachliche Denken, wie es von Ärzten – in umfassender Form erstmals vom französischen Philippe Pinel erkannt worden ist (vgl. mit Pinel Zitat 2) – und sodann von anderen Ärzten, nämlich von Psychiatern und Psychiaterinnen weiter fortentwickelt wurde.

Dabei resultiert die Bewegung und damit die Dynamik im psychiatrischen Denken aus dem Gegensatz der Ideen, nämlich aus dem Gegensatz der psychologischen Ideen und psychiatrischen Ideen, die im Bewusstsein der Fachperson entstehen, wenn diese mit einem konkreten psychischen Sachverhalt befasst ist und die jeweiligen Ideen miteinander vergleicht.

Es entsteht die Dynamik im psychiatrischen Denken somit als Folge der philosophischen Methode der Dialektik. Daher benennt der Psychiater und Philosoph Karl Jaspers in seinem Buch „Allgemeine Psychopathologie“ eine Überschrift mit dem Titel:

Die Forschung unter Führung von Ideen (vgl. mit Jaspers Zitat).

Damit erkennt man, dass wir in der Psychiatrie die Zusammenhänge der psychischen Erscheinungen dialektisch erkennen, wohingegen in der Medizin viele medizinische Sachverhalte infolge der Biologie durch biologische Befunde bzw. durch physische Befunde erkannt werden.

Man kann auch sagen: die Dynamik im psychiatrischen Denkens ergibt sich aus den unterschiedlichen psychiatrischen Ideen. Somit ergibt sich das Denken in der Psychiatrie aus den unterschiedlichen Assoziationen, wie diese als Folge der geistig erfassten psychischen Anomalie im Bewusstsein der erkennenden psychiatrischen Fachperson – also dem Denken des Psychiaters / der Psychiaterin entstehen (vgl. mit Griesinger Zitat).

Durch das systematische Studium der krankheitswertigen psychischen Auffälligkeiten, also durch das systematische Studium der krankheitswertigen psychischen Störungen haben, die in der Psychiatrie tätigen Ärzte, die verschiedenen psychopathologischen Phänomene erkannt und diese begrifflich beschrieben.

Es haben also diese Ärzte (Philippe Pinel, Jean-Étienne Esquirol, Wilhelm Griesinger, Bénédict Augustin Morel, Ludwig Kahlbaum, Emil Kraepelin, Eugen Bleuler, Karl Jaspers und andere) durch ihre denkende Anschauung (vgl. mit Jaspers Zitat) die verschiedenen krankheitswertigen psychischen Auffälligkeiten auf der Ebene ihrer Vorstellungen erkannt und diese einerseits durch die einzelnen, krankheitswertigen psychischen Phänomene somit durch die psychopathologischen Phänomene und andererseits durch die charakteristischen psychischen Symptomenkomplexe beschrieben, wie sie diese bei den psychisch Kranken vorgefunden haben.

Daher kann man dieses Denken in der Psychiatrie – soweit es sich auf das Erkennen also auf das Diagnostizieren, Klassifizieren und das Therapieren von psychischen Störungen bezieht – als psychiatrisches Denken bezeichnen.

Auf dieser Grundlage ist die Phänomenologie in der Psychiatrie entstanden und weiter entwickelt worden.

Und es hat sich auf der Grundlage der verschiedenen psychopathologischen Phänomene die Psychopathologie als Teildisziplin der Psychiatrie als Wissenschaft entwickelt, auf deren Grundlage die verschiedenen psychischen Störungen und damit die verschiedenen psychiatrischen Diagnosen in einer psychiatrischen Klassifikation erkannt werden.

Erkenntnistheoretisch bzw. philosophisch betrachtet findet man, dass sich psychiatrisches Denken primär auf die psychischen Erscheinungen also auf die verschiedenen psychischen Phänomene gründet,  die in der Form der Begriffe der Ideen im Bewusstsein der erkennenden Person als systematische Einheiten erscheinen, wenn die Fachperson die jeweiligen Merkmale der Idee durch das Schema der Idee geistig auffasst (vgl. mit Kant Zitat 7)

Es ist also das psychiatrische Denken ein Denken das primär die Zusammenhänge der psychischen Phänomene und der psychopathologischen Phänomene im konkreten Fall erkennt und untersucht; und das unter Umständen in zweiter Linie auch die biologischen Grundlagen bzw. die biologischen Ursachen der psychischen Phänomene und der psychischen Störungen untersucht und berücksichtigt, soweit diese für den konkreten Fall von Relevanz sind.

Somit ist in der Psychiatrie nicht nur das psychologische Denken und das psychopathologische Denken erfordert, sondern, je nach Fall und Sachverhalt verschieden, ist in der Psychiatrie auch ein biologisches Denken und somit ein physiologisches Denken erfordert, wie man es aus der universitären Medizin kennt. Dabei bildet jedoch das phänomenologische Denken, wie es auf der Grundlage der Phänomenologie und der Psychopathologie möglich ist, die Basis und damit die Grundlage des psychiatrischen  Denkens und man kann durch biologische Zusammenhänge die psychischen Erscheinungen bei gewissen psychischen Störungen zwar erklären, aber mehr als eine Erklärung kann dieses Wissen, wie es die psychiatrische Wissenschaft und hier insbesondere die Biologische Psychiatrie und ebenso die Systemischen Neurowissenschaften hervorbringen, nicht leisten.

In der Psychiatrie liefert also das psychiatrische Denken im Sinn des psychologischen Denkens und im Sinn des psychopathologischen Denkens die Grundlage des psychiatrischen Denkens. Und andererseits ermöglichen gewisse biologischen Ideen und damit gewisse biologische Theorien in gewissen Fällen eine Erklärung für das Auftreten von gewissen psychischen Störungen. Man erkennt damit den beschränkten Stellenwert des biologischen Denkens in der Psychiatrie als Zusatz zum psychopathologischen Denken, insofern dieses biologische Denken gewisse Erklärungen liefert und zum besseren Verständnis von gewissen psychischen Störungen beiträgt.

Die Bedeutung des psychiatrischen Denkens für andere Disziplinen

Das psychiatrische Denken ist nicht nur in der Psychiatrie erfordert, sondern auch in vielen Fällen in der Psychologie (und zum Teil auch in der Psychotherapie) von Relevanz, weil auch hier psychische Erscheinungen im Zusammenhang mit körperlichen Vorgängen und somit in Folge von biologischen Ursachen infolge der neuronalen Funktion bzw. der Funktion des Nervensystems in Erscheinung treten.

Auch in der Medizin ist es von Nutzen wenn ein Arzt über gewisse psychologische und psychiatrische Kenntnisse verfügt und er daher die gesundheitlichen Störungen (Krankheiten) des Körpers in gewissen Fällen auch in Abhängigkeit von der Psyche betrachtet, weil auch die körperlichen Funktionen durch die Psyche beeinflusst werden. Diese Art des Denkens ist daher auch in der Psychosomatik erfordert, weil es auch hier einerseits um die körperlichen Vorgänge und die körperlichen Zusammenhänge geht, und es andererseits auch um die Auswirkungen der Psyche auf die körperlichen Funktionen und auf das Erleben und Reagieren geht.

Weil es sich beim psychiatrischen Denken um ein Denken handelt das auf dem Erkennen von Ideen beruht, die in der Form der Begriffe der Ideen als systematische Einheiten im Bewusstsein der erkennenden Person erscheinen (vgl. mit Kant Zitat 7), handelt sich es sich hierbei um ein geisteswissenschaftliches Denken das zwar zum Teil mit dem Körper und den biologischen Grundlagen des Körpers befasst ist, primär die Zusammenhänge jedoch auf der Ebene der Ideen auf der Grundlage von bloßen Ideen erkennt, weil ein psychisches Phänomen nur auf der Grundlage einer bloßen Idee erkannt werden kann (vgl. mit Kant Zitat 4).

Der Psychiater und Philosoph Karl Jaspershat erkannt, dass die psychischen Erscheinungen auf der Grundlage von Ideen im Sinn von Immanuel Kant erkannt werden (vgl. mit Jaspers Zitat).

Es werden – wie dies Karl Jasper in seinem Buch „Allgemeine Psychopathologie“ schreibt die psychischen Erscheinungen durch die denkende Anschauung unter Führung von Ideen erkannt (vgl. mit Jaspers Zitat). Das psychiatrische Denken ist somit ein Denken das auf einer geisteswissenschaftlichen Methode, nämlich auf der Methode der Dialektik beruht.

Es werden nämlich die verschiedenen Merkmale der psychischen Störungen und auch deren Zusammenhänge auf der Grundlage der Gegensätze der Ideen – und somit dialektisch erkannt. Durch biologische Argumente kann man das Auftreten der psychischen Erscheinungen und damit das Auftreten von gewissen psychischen Störungen unter Umständen erklären, aber erkennen und Diagnostizieren kann man die psychischen Erscheinungen und damit die psychischen Störungen auf dieser Grundlage nicht.

In dieser Hinsicht hat sich der Psychiater Emil Kraepelin getäuscht, als dieser geglaubt hat, dass die Psychiatrie auf der Grundlage des naturwissenschaftlichen Verständnisses sich zu einem kräftigen Zweig der medicinischen Wissenschaft fortentwickelt (vgl. mit Kraepelin Zitat 2).

Wegen des großen Unterschieds zwischen den Erkenntnisobjekten ist dies grundsätzlich nicht möglich (vgl. mit Kant Zitat 7)

Wie man zeigen kann, hat die falsche Sichtweise von Emil Kraepelin – die in der Psychiatrie in den letzten Jahrzehnten zur dominierenden Sichtweise geworden ist – sich in mehrer Hinsicht nachteilig ausgewirkt und zu nachteiligen Konsequenzen geführt, weil man auf dieser Grundlage die psychiatrischen Ideen missversteht. (Weiteres dazu hier)

Man sollte in der Psychiatrie beachten, dass das psychiatrische Denken zu Ideen führt, die man aus der Erfahrung abgeleitet hat, die sich zwar in der psychiatrischen Praxis hinreichend bewährt haben, die man jedoch nicht am Probierstein der Erfahrung überprüfen kann (vgl. mit Kant Zitat 10).

Die Grundlage des psychiatrischen Wissens hat zur Folge, dass es sich bei diesem Wissen um beschränktes Wissen handelt. Dies sollte in der psychiatrischen Praxis, in der psychiatrischen Lehre und in der psychiatrischen Wissenschaft beachtet und berücksichtigt werden, weil man ansonsten in Antinomien (vgl. mit Jaspers Zitat) bzw. in ewige Widersprüche und damit in Streitigkeiten gerät (vgl. mit Kant Zitat 2a).

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Erlernen des psychiatrischen Denkens

Das psychiatrische Denken wird von einem in Ausbildung zum Psychiater befindlichen Arzt durch das Kennenlernen und das Verständnis der psychiatrischen Begriffe und in Folge der klinischen Erfahrung erlernt. Es entwickelt sich also das psychiatrische Denken als Folge der fortgesetzten klinischen Erfahrung in der Ausübung des Berufes und durch die Vertiefung des Verständnisses der psychiatrischen Terminologie und der psychiatrischen Ideen weiter. Dabei erwirbt eine Fachperson in der Psychiatrie im Rahmen ihrer klinischen Tätigkeit und im Rahmen des theoretischen Studiums der fachlichen Schriften und Bücher zur Phänomenologie und Psychopathologie mehr und mehr das Verständnis für die fachlichen psychiatrischen Begriffe und deren Zusammenhänge.

Im Gegensatz dazu wird das psychologische Denken im engeren Sinn von einem Psychologen im Rahmen seiner Ausbildung zum Psychologen erlernt, und es erwirbt dabei der werdende Psychologe – der nicht über die klinisch-psychiatrische Erfahrung und Kenntnis wie ein werdender Psychiater verfügt – eine andere Art eines fachlichen Denkens und Erkennens von psychischen Zusammenhängen.

Daher macht es einen Unterschied wenn man vom psychiatrischen Denken eines Psychiaters spricht oder vom psychiatrischen Denken eines klinischen Psychologen, oder überhaupt wenn man vom Verständnis für die Psyche von einem Psychologen spricht, weil es einen Unterschied macht, ob man die Psyche vom ärztlichen Standpunkt betrachtet und studiert oder vom psychologischen Standpunkt.

Es muss also berücksichtigt werden, dass jede Person – auch jede Fachperson – auf der Grundlage seines eigenen Vorwissens und damit auf der Grundlage der ihm bekannten Ideen unter Umständen andere Zusammenhänge erkennt und damit zum Teil zu unterschiedlichen Sichtweisen und zu unterschiedlichem fachlichen Wissen gelangt. Daher ist es in der Psychiatrie von Relevanz unter welchem Gesichtspunkt ein Sachverhalt betrachtet wird.

Das psychiatrische Denken geht von einem Ganzen aus

Das subjektive psychiatrische Denken geht immer vom einem subjektiv entwickelten Ganzen aus. Dieses „Ganze“ hat die jeweilige Fachperson auf der Grundlage ihrer beruflichen und sonstigen Erfahrung und auf der Grundlage ihres subjektiven Wissens und subjektiven Denkens entwickelt.

In der psychiatrischen Praxis wendet im konkreten Fall die Fachperson ihre persönliche, geistige „Messlatte“ also einen persönlich entwickelten geistigen Maßstab auf die psychischen Auffälligkeiten an, und sie erkennt dabei durch ihre geistige subjektive Analyse und durch die geistige subjektive Synthese die einzelnen diagnostischen Einheiten, also sowohl die einzelnen normalen psychischen Phänomene, die psychopathologischen Phänomene wie auch den ganzen psychischen Symptomenkomplex im konkreten Fall, der mit dem klinischen Verlauf das klinische Erscheinungsbild liefert.

Es ist also in der Psychiatrie (und auch in der Psychologie) nicht so wie in der Technik, wo man die einzelnen Einheiten als unabhängige Teile und damit als faktische Einheiten von einander getrennt erkennt und diese unabhängig von einander diagnostisch feststellen und bestimmen kann, sondern es hängt in der Psychiatrie (und in der Psychologie) immer alles mit allem zusammen, weil es sich dabei um systematische Einheiten handelt.

Das psychiatrische Denken hängt stark von der Sichtweise ab die in der jeweiligen Zeit geläufig ist

Weil das psychiatrischen Denken sich aus den  geläufigen Ideen ergibt, folgt daraus zwingend, dass sich das psychiatrische Denken je nach der Art der geläufigen Ideen und Sichtweisen im Laufe der Zeit ändert. Wenn man die Geschichte der Psychiatrie verfolgt und in den alten Lehrbüchern der Psychiatrie liest, dann erkennt man wie die Fachleute in der Psychiatrie zu verschiedenen Zeiten verschieden gedacht und verschiedene Zusammenhänge auf der Grundlage ihres Wissens beachtet und berücksichtigt haben. Es ist also für die Psychiatrie bezeichnend, dass sich je nach der gerade verbreiteten Sichtweise auch die Auffassung und damit das Verständnis und in weiterer Folge auch das Erkennen der verschiedenen Zusammenhänge ändert.

An diesem Sachverhalt konnte in der Psychiatrie die Operationalisierung der psychiatrischen Klassifikation nichts Wesentliches ändern.

Sondern, es hat gerade dieses „aus der Welt schaffen-wollen“ der unterschiedlichen psychiatrischen Klassifikationen dazu geführt, dass die Fachleute in der Psychiatrie heutzutage vielfach denken, dass die Psychiatrie sich nun in einer Situation wie die Medizin befindet, die im Wesentlichen schon seit langem eine einheitliche Klassifikation der körperlichen gesundheitlichen Störungen (Krankheiten) kennt.

Dabei sollte allerdings beachtet werden, dass dieser Eindruck trügt bzw. dass durch die Operationalisierung der psychiatrischen ICD Klassifikation und der DSM Klassifikation nur der Anschein erweckt worden ist, dass es sich bei der Psychiatrie um eine Wissenschaft handelt, die nun „eine hinreichend reliable Erfassung der psychiatrischen Störungen ermöglicht“.

Kritisch betrachtet erkennt man, dass in der Psychiatrie die psychischen Erscheinungen niemals reliabel und valide – vergleichbar mit den objektiv bestimmbaren körperlichen Befunden – erkannt werden können und es ändern daran auch die entwickelten „diagnostischen Instrumente“ nichts, weil die psychischen Erscheinungen immer auf der Grundlage von bloßen Ideen bzw. auf der Grundlage von definierten Konzepten erkannt werden.

Weil also das Wissen in der Psychiatrie auf der Grundlage von psychologischen Ideen und auf der Grundlage von psychiatrischen Ideen entsteht, handelt sich dabei um Ideen, die zwar aus dem Verständnis der Psyche und zum Teil auch aus dem Verständnis für die biologischen Zusammenhänge im Nervensystem und aus sonstigen Zusammenhängen hervorgegangen sind, die aber auf ihre Richtigkeit nicht am Probierstein der Erfahrung überprüft werden können (vgl. mit Kant Zitat 10). Mit anderen Worten: es sind diese Ideen zwar aus der Klinik und zum Teil aus den Ergebnissen der wissenschaftlichen Forschung der psychiatrischen Wissenschaft hervorgegangen – aber eben diese Ideen sind aus der Erfahrung abgeleitete Ideen – mit anderen Worten es sind aus der Erfahrung abgeleitete Theorien – die in der Psychiatrie zwar in vielen Fällen einen Bezug zum Körper und damit zum Nervensystem haben, die aber grundsätzlich von der Art sind, dass sie nicht auf der Ebene der Objekte bzw. nicht auf der Ebene der Fakten auf ihre Richtigkeit im konkreten Fall überprüft werden können.

Dieses Sachverhalt hat übrigens bereits Karl Jaspers erkannt, wenn er in seinem Buch „Allgemeine Psychopathologie“ in Bezug auf die Krankheitseinheiten in der Psychiatrie schreibt: Die Idee der Krankheitseinheit läßt sich in irgendeinem einzelnen Fall niemals verwirklichen (vgl. mit Jaspers Zitat 6).

Abschließend kann man festhalten, dass das psychiatrische Denken sich im Wesentlichen auf das psychopathologische Denken gründet, insofern das Erkennen der krankheitswertigen Erscheinungen der Psyche auf den psychopathologischen Phänomenen beruht. Durch biologisches Denken können gewisse psychische Störungen zwar erklärt und dadurch biologisch begründet verstanden werden, bestimmen kann man sie auf Grundlage der Biologie jedoch nicht.

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Weiteres* dazu in meinem Buch:

Diagnostik, Klassifikation und Systematik in Psychiatrie und Medizin

erschienen im April 2019 im Verlag tredition

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(letzte Änderung 14.08.2020, abgelegt unter denken, Psychiatrie, Definition, Nervensystem, Psychopathologie, Wissenschaft, psychiatrische Wissenschaft)

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