funktionelle Einheit

Eine funktionelle Einheit ist eine Einheit von der man denkt, dass es sie als abgegrenzte Einheit gibt.

Es ist eine funktionelle Einheit also eine mental abgegrenzte Einheit, von der man zum Beispiel als Arzt sich vorstellt und damit denkt, dass diese gewisse Erscheinungen hervorbringt, oder dass sie als Ursache eine gewisse Wirkung zur Folge hat.

Allerdings macht man in der Medizin oder in der Psychiatrie die Erfahrung, dass man eine derartige Einheit nicht physisch begründet bestimmen kann. Man kann daher sagen, dass eine funktionelle Einheit eine besondere Form einer Funktionseinheit ist, in Bezug auf deren biologische Beschaffenheit und Ursache man keine näheren Angaben machen kann.

Durch die nachfolgende erkenntnistheoretische Betrachtung wird verständlich warum dem so ist.

Erkenntnistheoretisch bzw. philosophisch betrachtet wird klar, dass es sich bei einer funktionellen Einheit um eine projektierte Einheit handelt. Es ist dies also eine Einheit von der man als Arzt/Forscher/Wissenschaftler denkt, dass es sie als „abgegrenzte Einheit“ gibt, weil man gewisse Beobachtungen und klinische Erfahrungen gemacht hat. In der physischen Wirklichkeit – etwa im menschlichen Organismus – kann man jedoch keine „abgegrenzte Einheiten“ finden, weil diese Einheit eine nur mental gegebene bzw. nur geistig „abgegrenzte Einheit“ ist. Die funktionelle Einheit ist nämlich der Begriff der Idee der als systematische Einheit im Bewusstsein der erkennenden Person als Gegenstand in der Idee erscheint, falls diese die Merkmale der Idee durch das Schema der Idee geistig auffasst (vgl. mit Kant Zitat 7). In der Terminologie von Immanuel Kant kann man auch sagen, dass dies eine transzendentale Einheit ist, die erkannt wird, wenn die erkennende Person den Sachverhalt durch diesen Begriff/diese Vorstellung/durch dieses Konzept geistig auffasst. Oder man kann auch sagen, dass dies ist eine zweckmäßige Einheit im Sinne von Immanuel Kant, weil sie in vielerlei Hinsicht nützlich ist.  Es ist die funktionelle Einheit also ein regulatives Prinzip durch das man die (klinischen) Erscheinungen durch diese (systematische) Einheit erkennen/auffassen/verstehen/erklären kann. Und im Hinblick auf deren Ursache man  sagen kann, dass dies eine komplexe Ursache ist. Es ist die funktionelle Einheit also ein Konzept durch das man das Auftreten der klinischen Erscheinungen einerseits durch den Begriff der funktionellen Einheit verstehen und erklären kann, allerdings durch physische Befunde bestimmen kann man ihn nicht – eben, weil es der Begriff einer bloßen Idee ist (vgl. mit Kant Zitat 8) bzw. der Begriff einer transzendentalen Idee ist.

So stellt sich ein Neurologe etwa vor, dass es die funktionelle Einheit gibt, die den typischen neurologischen Symptomenkomplex bewirkt den man als Migräne bezeichnet. Oder in einem anderen Fall stellt sich der Arzt vor, dass es eine abgegrenzte Einheit – im Sinn einer funktionellen Einheit – oder Funktionseinheit gibt die im konkreten Fall den Spannungskopfschmerz hervorruft.

All diese diagnostischen Einheiten sind also funktionelle Einheiten, weil man biologisch betrachtet nicht sagen kann, von was konkret die einzelne Einheit bildet wird, was sie umfasst. Daher kann man eine solche Einheit auch nicht durch biologische Untersuchungen bzw. nicht durch biologische Befunde bestimmen – eben, weil dies eine (reine) Vernunfteinheit im Sinne Immanuel Kant ist, die infolge der klinischen Erfahrung und durch die vernünftige Überlegung erkannt worden ist. Daher gibt es etwa bezüglich der Ursache der Migräne unterschiedliche biologische Theorien (die vaskuläre Theorie, die Hirnstammtheorie, die neurogene Entzündungstheorie u.a.) ohne dass es möglich ist in der Praxis das Zutreffen der einzelnen Theorie physisch zu beweisen.

An diesem Beispiel wird klar, dass der Begriff Migräne ein regulativer Begriff ist, unter dem man als Arzt die typischen Phänomene des neurologischen Symptomenkomplexes Migräne auffasst. Im Hinblick auf die Ursache der Migräne kann man sagen, dass sowohl die eine oder die andere Theorie zutreffend sein kann und man auch hier das Zutreffen letztlich nicht physisch beweisen kann. Vielmehr wird durch die erkenntnistheoretische Betrachtung klar, dass die eine Ursache wie auch die andere zutreffend sein kann, insofern hier die Diagnose und auch die Ursache durch eine bloße Idee erkannt werden.

Der Arzt stellt sich in Bezug auf eine funktionelle Einheit also vor, dass es eine solche Natureinheit gibt, die die typische oder charakteristische klinische Erscheinung einer natürlichen Krankheitseinheit hervorruft. In Bezug auf den menschlichen Körper oder die Psyche kann man jedoch keine solche physisch „abgegrenzte Einheit“ finden  bzw. man kann durch physische Befunde deren Existenz nicht beweisen. Konkret kann man etwa mit der Methode der Funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) das subjektive Erleben eines psychischen Phänomens oder das einer psychischen Störung nicht physisch und damit nicht biologisch begründet beweisen. Dies ist grundsätzlich nicht möglich, weil das Wissen in Bezug auf die funktionelle Einheit und deren Ursache sich auf eine bloße Idee im Sinne von Immanuel Kant gründen (vgl. mit Kant Zitat 8).

Nachfolgend Beispiele für funktionellen Einheiten in verschiedenen Bereichen der Heilkunde:

Funktionelle Einheiten in der Medizin:

Migräne

Spannungskopfschmerz

Fibromyalgie

vegetative Dystonie

Dyspepsie

Funktionelle Einheiten in der Psychiatrie:

Schizophrenie

Depression

und ebenso die diagnostischen Einheiten der sonstigen psychischen Störungen.

Funktionelle Einheiten in der Psychosomatik:

Anorexia nervosa

Bulimie

und andere

Funktionelle Einheiten in der Alternativmedizin/Komplementärmedizin:

In diesen Fachbereichen der Heilkunde stellt sich ein Arzt/Therapeut unter Umständen vor dass es einen „Herd“ gibt der etwa einen gewissen Symptomenkomplex bewirkt, ohne dass dafür im Hier und Jetzt ein allgemein gültiger ein Beweis geliefert werden kann.

Oder es stellt sich ein Arzt vor, dass durch die am Akupunkturpunkt eingestochene Akupunktur-Nadel der Energiestrom im Körper etwa im Lungen-Meridian beeinflusst wird und dadurch eine gewisse Wirkung erzielt wird. Auch in diesem Fall handelt es sich um eine funktionelle Einheit bzw. um eine nicht physikalisch allgemein gültig überprüfbare Einheit sondern es beruht hier dieses Wissen auf gewissen Erfahrungen die der Arzt und Patient aus den subjektiven Wahrnehmungen abgeleitet haben. Dabei hat dieses empirische Wissen zur Entwicklung des Konzepts der verschiedenen Meridiane geführt.

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(letzte Änderung: 09.02.2020, abgelegt unter: Alternativmedizin, Begriff, abgeleiteter Begriff, medizinischer Begriff, neurologischer Begriff, psychiatrischer Begriff, regulativer Begriff, Diagnostik, Einheit, funktionelle Störung, Funktionsstörung, Konzept, Medizin, Nervensystem, Philosophie, Psyche, Psychiatrie, Wissenschaft)

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