Über die Relation eines Erkenntnisobjekts in der Medizin und Psychiatrie zu seiner Ursache

Ein Erkenntnisobjekt das einem als wahrnehmbares Objekt, als physisches Objekt zur Wahrnehmung gegeben ist – also als Gegenstand schlechthin – gegeben ist kann man in der Regel objektiv gültig bestimmen. (vgl. mit Kant Zitat 7)

Ein Erkenntnisobjekt das einem nur als mentales Objekt, als Gegenstand in der Idee – zur Erkenntnis gegeben ist, kann man nicht objektiv gültig bestimmen. Einen solches Erkenntnisobjekt kann man nur subjektiv gültig bestimmen. Tatsächlich ist uns ein solches Erkenntnisobjekt nicht als ein real existentes Objekt gegeben, sondern handelt es sich bei einem solchen Erkenntnisobjekt um das Schema der Idee, das in der Form des Begriffs dieser Idee im Bewusstsein der erkennenden Person als systematische Einheit erscheint. (vgl. mit Kant Zitat 7) (Anmerkung: griechisch phenomenon – das was erscheint, das Erscheinende)

In der Medizin kann man daher viele Erkenntnisobjekte auf physische Objekte zurückführen und auf dieser Grundlage allgemein gültig bestimmen. Man kann z.B. einen Lymphknoten den man entnommen hat untersuchen und objektiv gültig bestimmen was für Zellen sich im Gewebeschnitt finden etc. In gleicher Weise kann man durch eine Blutuntersuchung objektiv gültig bestimmen, ob eine gewisse Substanz im Blut vorhanden ist, in welcher Konzentration sie vorhanden ist usf. In der Medizin kann man also viele Erkenntnisse durch den Nachweis von solchen real existenten Objekten bzw. auf der Grundlage von objektiven Parametern objektivieren.

In der Psychiatrie kann man ein psychisches Phänomen, das einer Person als mentales Erkenntnisobjekt gegeben ist nicht objektivieren. Man kann nicht objektiv gültig feststellen, ob das Phänomen vorhanden ist oder nicht vorhanden ist. Man kann nur subjektiv gültig feststellen, ob etwa ein gewisses psychisches Phänomen vorhanden ist. Wenn man ein psychisches Phänomen auf der Grundlage eines gewissen Symptomenkomplexes gefunden hat – wenn man also das psychische Phänomen phänomenologisch festgestellt hat, dann kann man nicht auf der Grundlage von physischen Befunden und somit nicht auf der Grundlage von körperlichen Befunden feststellen bzw. überprüfen, ob das Phänomen tatsächlich vorhanden ist oder nicht vorhanden ist. Man kann also das psychische Phänomen nicht „physisch“ objektivieren.

Man kann z.B. nicht durch eine Methode der Funktionellen Bildgebung, etwa mit der Methode der Funktionellen Magnetresonanztomographie objektiv gültig feststellen, ob etwa eine Person an einer Schizophrenie oder an einem ADHS leidet. Man kann also ein psychisches Phänomen mit dieser Methode – und auch mit einer sonstigen physischen Methode – nicht objektivieren, weil es keine bestimmte und damit keine definierte Relation zwischen einem psychischen Phänomen auf der einen Seite und seiner Ursache auf der anderen Seite gibt.

Daher kann man nicht auf der Grundlage der Körperlichkeit wissen, was als psychisches Phänomen erlebt wird, wenn man einen bestimmten physischen Befund vorfindet.

Man kann also nicht aus dem körperlichen Befunderkennen und wissen was subjektiv erlebt wird, oder was als Phänomen im Sinn eines psychopathologischen Phänomens erlebt wird und was daher phänomenologisch im psychopathologischen Befund bzw. im psychischen Befund feststellbar ist.

Es ist also grundsätzlich nicht möglich durch einen körperlichen, physischen Befund eine psychisches Phänomen zu objektivieren. Wenn man bereits einen psychischen Befund auf der Grundlage der Phänomenologie erhoben hat, wenn man also auf phänomenologischer Grundlage eine psychiatrische Diagnose bereits festgestellt hat und dabei ein typisches klinisches Erscheinungsbild festgestellt hat und zusätzlich etwa durch die Funktionelle Bildgebung mittels funktioneller Magnetresonanztomographie einen typischen körperlichen Befund feststellt hat, dann kann man den psychischen Befund dadurch erklären und diesen dadurch weiter illustrieren, erläutern und bildlich veranschaulichen welche Gehirnareale in diesem Fall besonders aktiv sind oder nicht aktiv sind – aber objektivieren kann man die psychiatrische Diagnose dadurch nicht. Auf der Grundlage dieser Akivitätsunterschiede kann man nicht primär erkennen um was für ein psychisches Phänomen es sich handelt. Man kann nicht allein aus diesen Aktivitätsunterschieden erkennen um was für ein psychisches Phänomen es sich handelt, z.B. wenn das psychische Phänomen rein klinisch phänomenologisch betrachtet untypisch ist – eben, weil es keine bestimmte Relation zwischen einem psychischen Phänomen auf der einen Seite und der Körperlichkeit auf der anderen Seite gibt.

Man erkennt damit, dass die bildgebenden Befunde, wie sie durch die Funktionelle Bildgebung möglich sind zusätzliche Informationen liefern. Es handelt sich dabei also um wertvolle Zusatzbefunde, die für die Diagnostik der psychischen Störung jedoch nicht von Bedeutung sind. Man kann durch solche Bilder klinische Befunde besser erklären und erläutern – aber objektivieren kann man sie dadurch nicht. Analoges gilt für die genetischen Befunde in der Psychiatrie und für sonstige biologische Befunde, wie sie in der Biologischen Psychiatrie erhoben werden.

Genau genommen kann man auch in der Neurologie ein neurologisches Phänomen nicht objektivieren. Weil man auch hier die Relation des Phänomens (etwa eine Lähmung) zum körperlichen Befund nicht kennt. Man kann, wenn man z.B. eine Lähmung als Phänomen feststellt, im Grunde genommen die Ursache dieses Phänomens nicht auf der Grundlage eines Objekts überprüfen. Das heißt man kann das neurologische Phänomen nicht „physisch“ objektivieren. Man kann das Phänomen, wenn es in Erscheinung tritt durch eine gefundene aufzeigbare Ursache oftmals unzweifelhaft damit allgemein anerkannt erklären – wenn der Sachverhalt unzweifelhaft ist – aber objektivieren kann man das Phänomen der Lähmung dadurch im Zweifelsfall nicht, weil man das Phänomen nicht direkt auf der Grundlage eines Objekts überprüfen kann. (vgl. mit Kant Zitat 7)

Das Phänomen also solches wird vom Neurologen festgestellt, im Zweifelsfall kann der Neurologe aber nicht wissen, ob das Phänomen durch diese oder durch eine andere Ursache hervorgerufen wird.

Man kann im Zweifelsfall sich nicht sicher sein, ob das Phänomen durch diese Ursache oder durch eine andere Ursache hervorgerufen worden ist. Es kann unter Umständen ein gleichartiges neurologisches Phänomen durch eine andere Ursache – also nicht durch die vermutete augenscheinliche Ursache hervorgerufen werden – also durch eine Ursache, die man vielleicht nicht sieht oder noch nicht entdeckt hat. Es gibt also grundsätzlich keine definierte und bestimmte Relation zwischen einem Phänomen auf der einen Seite und dem körperlichen Substrat auf der anderen Seite auf dessen Grundlage es entsteht. Das Phänomen wird im Bewusstsein mental registriert – die Ursache des Phänomens, wenn sie lokalisierbar ist kann irgendwo zentral oder dezentral gelegen sein. (vgl. als Beispiel: Schmerzerleben zentral in Folge einer peripheren Ursache im Unterschenkel oder in Folge einer Thalamusläsion)

Die farbigen Bilder wie sie etwa in der funktionellen Bildgebung mittels der Funktionellen Magnetresonanztomographie in der Psychiatrie und Neurologie darstellbar sind, können durch verschiedene Ursachen hervorgerufen werden. Das Bild macht nur eine Aussage über die Aktivität der verschiedenen Gehirnbereiche in einer zeitlichen Abfolge. Über den „Inhalt“ der psychischen Aktivität und über die Ursache der psychischen Aktivität – warum sie zustande gekommen ist – also über das psychische Phänomen kann man damit noch nichts Näheres und nichts Verbindliches aussagen und wissen. Insbesondere kann man nichts Verbindliches über den Inhalt bzw. das subjektive Erleben aussagen, wenn das psychische Phänomen nicht typisch ist.

Man kann aus einem solchen Bild nicht erkennen was die Ursache dieses Phänomens ist. Das Bild als solches kann zwar objektiv „physisch“ festgestellt werden, und können die Farbwerte quantifiziert und allgemein gültig erfasst werden und damit allgemein gültig gemessen werden – man weiß jedoch nichts über das „mentale“ Phänomen wenn man ein derartiges Bild sieht, insbesondere weiß man nichts über das psychische Phänomen wenn das psychische Phänomen nicht typisch ist und wenn auch das Abbild der neuronalen Aktivität nicht typisch ist.

Gleiches gilt auch für die Klinik. Im Rahmen der klinischen Untersuchung gewinnt ein Untersucher oftmals schon durch den Anblick einer Person einen Eindruck und damit den Verdacht – also die Idee – dass diese oder jene psychische Störung vorhanden ist. Man kann jedoch allein aus diesem Aspekt bzw. aus diesem optischen Phänomen nicht zwingend bzw. objektiv gültig erkennen und wissen, ob letztlich diese oder jene, oder gar keine krankheitswertige psychische Auffälligkeit die Ursache dieses optischen Phänomens ist. Das optische Phänomen erscheint als subjektives Phänomen bzw. als subjektives Erkenntnisobjekt im Bewusstsein der Person – in Folge der sinnlichen Wahrnehmung und des individuellen mentalen Prozesses.

Man kann also sagen ein Phänomen ist ein mentales Erkenntnisobjekt, das in Folge der individuellen Wahrnehmung und mentalen Prozesse im Bewusstsein eines Subjekts entsteht. (vgl. mit Kant Zitat 7)

Erkenntnistheoretisch bzw. philosophisch gesprochen wird das Phänomen durch den Begriff der Idee erlangt, der in Folge der sinnlichen Wahrnehmungen und des mentalen Prozesses im Bewusstsein der Person entsteht (vgl. mit Kant Zitat 7). Weil das Erkennen eines solchen mentalen Erkenntnisobjekts immer vom Subjekt und seinen mentalen Prozessen abhängig ist, kann man es nicht objektivieren. (vgl mit Kant Zitat 9)

Man kann nur ein Erkenntnisobjekt, das einem tatsächlich als real existenter Gegenstand, als Gegenstand schlechthin gegeben ist objektivieren. Nur in Bezug auf ein solches Objekt stimmen alle Urteile untereinander überein (vgl. mit Kant Zitat 9). Oder man kann auch sagen: nur in diesem Fall sind die entscheidenden Kriterien im Objekt gelegen. Wenn die entscheidenden Kriterien nicht im Objekt gelegen sind, sondern entscheidende Kriterien auch vom Subjekt abhängen – sie also nicht allein durch das Objekt bestimmt sind – dann ist eine objektive Erkenntnis prinzipiell nicht möglich. Daher kommen verschiedene Untersucher in einem solchen Fall häufig nicht zum selben Ergebnis wenn ein Sachverhalt nicht typisch ist.

Dies hat Karl Jaspers erkannt (vgl. mit Jaspers Zitat) – und es hat dies bis zu einem gewissen Grad auch bereits Wilhelm Griesinger erkannt. (vgl. mit Griesinger Zitat)

Somit kann man sagen, dass ein Erkenntnisobjekt, das als mentales Objekt im Bewusstsein einer Person erscheint nur subjektiv gewiss erkannt wird. Der Befund der das Auftreten des Erkenntnisobjekts bzw. das Auftreten des Phänomens erklärt mag für sich zwar objektiv gewiss sein und objektiv gültig feststellbar sein – die Relation zwischen dem Phänomen und dem objektiven Befund ist jedoch in der Regel ungewiss, eben weil die Relation nicht definiert und nicht bestimmt ist.

Aus diesem Grund kann man durch die funktionelle Bildgebung z.B. mit der Funktionellen Magnetresonanztomographie einen psychischen Befund bzw. einen psychiatrischen Befund und damit auch eine psychiatrische Diagnose nicht objektivieren.

Aus demselben Grund kann man einen psychiatrischen Befund auch nicht durch genetische Befunde objektivieren; und kann man aus dem selben Grund einen psychiatrischen bzw. einen psychischen Befund auch nicht durch sonstige körperliche Parameter (biologische Marker) objektivieren. (Weiteres dazu auf Poster 6: Diagnosis in Psychiatry – the Role of Biological Markers – an investigation in the light of Immanuel Kant`s philosophy)

Zusammengefasst kann man somit sagen, dass man in der Medizin viele Erkenntnisobjekte allgemein gültig, das heißt objektiv bestimmen kann. Andererseits kann man bei vielen Sachverhalten in der Medizin – und hier insbesondere in der Neurologie – objektive Befunde ausfindig machen, die die Ursache eines Phänomens sind und dieses (allgemein anerkannt) erklären . Im Zweifelsfall kann man jedoch nicht objektiv, das heißt nicht allgemein gültig entscheiden, ob ein objektiv  festgestellter Befund die Ursache des Phänomens ist. Diese Ungewissheit resultiert aus der Tatsache, dass ein Erkenntnisobjekt, das uns nur als mentales Erkenntnisobjekt gegeben ist – etwa ein psychisches Phänomen oder oftmals ein neurologisches Phänomen – an sich nicht objektivierbar ist.

In der Neurologie kann man also manche Befunde zwar objektiv feststellen und die aufgetretene Störung – das aufgetretene Phänomen dadurch allgemein anerkannt erklären, aber das Phänomen an sich kann man nicht objektivieren, man kann das Phänomen und das Wissen um die Ursache des Phänomens nicht auf physischer Grundlage direkt an einem Objekt überprüfen.

In der Psychiatrie kann man aus diesen Gründen –  wie sie sich aus der Erkenntnisbasis der Erkenntnisobjekte ergeben – einen psychischen Befund grundsätzlich nicht objektivieren.

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Weiteres, insbesondere über die Konsequenzen, finden Sie im blog: Konsequenzen.

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(letzte Änderung 20.12.2013, abgelegt unter Medizin, Neurologie, Psychiatrie, Konsequenzen)

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