aufgeklärt

Aufgeklärt im Sinne der Aufklärung ist, wer sich der Grenzen seines Wissens bewusst ist.

Wer also kritisch zwischen subjektivem Wissen und objektivem Wissen unterscheidet, den kann man als aufgeklärt im Sinne der Aufklärung (vgl. mit Kant Zitat 10) bezeichnen.

Wer sich des Grades des von ihm erlangten Wissens nicht bewusst ist, den kann man nicht im Sinne der Aufklärung als aufgeklärt bezeichnen.

Eine aufgeklärte Person unterscheidet, ob ihr Wissen vom Grad der Gewissheit, vom Grad des Glaubens oder vom Grad einer Meinung ist.

Eine solche Person wird daher ihr Wissen mit Selbstbewusstsein und mit der angemessenen Bestimmtheit einerseits und andererseits mit der angemessenen Bescheidenheit vertreten.

Eine Folge davon ist, dass die aufgeklärte Person auch mündig sein wird.

Und es wird daher eine im Sinne der Aufklärung aufgeklärte Person tolerant sein, weil sie durch die Vernunft begründet – also rational begründet – weiß wo Toleranz gebührt.

In der Rechtsprechung, somit bei Gericht wird eine aufgeklärte Person in der Rechtsprechung anerkennen, dass das Recht des Staates über dem Recht der Religion steht. Hingegen wird eine nicht-aufgeklärte Person die Sichtweise vertreten, dass das Recht des Staates nicht über dem Recht der Religion steht bzw. das höchste Recht von der Religion ausgeht und dieses daher über dem Recht des Staates steht.

Wenn jemand sich der Grenzen seines Wissens, oder des Gehalts seines Wissens das er vertritt, nicht bewusst ist und er subjektives Wissen und damit beschränktes Wissen überschätzt, den kann man nicht im Sinne der Aufklärung als aufgeklärt bezeichnen (vgl. mit Kant Zitat 10).

Dies gilt für das Wissen im privaten Bereich und auch für das Wissen im öffentlichen Bereich. Dies gilt für die Theorie und auch für die Praxis, somit auf für die Wissenschaft, für das Wissen in der Religion zu der man sich bekennt, für die Politik, für das Recht der Staaten untereinander usf.

Es gibt Wissen vom Grad der Gewissheit, das allgemein gültig ist und das als objektives Wissen bzw. als absolutes Wissen bezeichnet wird.

Sodann gibt es Wissen vom Grad des Glaubens, solches Wissen ist subjektiv gewiss. Solches Wissen kann in einer Gesellschaft anerkannt sein, es muss aber nicht allgemein gültig sein. Schließlich gibt es Wissen vom Grad des Meinens das ein unsicheres subjektives Wissen ist. Bei solchem Wissen spricht man von einer Meinung (vgl. mit Kant Zitat 9).

Wenn jemand von seinem Wissen überzeugt ist und er der Ansicht vertritt, dass sein Wissen allgemein gültig ist, obwohl es nur subjektiv gültig ist – und daher nur subjektiv gewiss ist  – dann ist er nicht im Sinne der Aufklärung aufgeklärt.

Letztlich ist nur Wissen allgemein gültig, wenn es allgemein gültig bewiesen werden kann. Nur solches Wissen ist tatsächlich objektives Wissen.

Was nur subjektiv gewiss ist, kann allgemein (in der Gesellschaft) anerkannt sein – es muss aber nicht allgemein gültig sein – weil das Wissen vom Subjekt abhängt. Jemand irrt also wenn er Glauben mit Wissen gleichsetzt bzw. verwechselt. Glauben ist nicht Wissen.

Was  nicht allgemein gültig bewiesen werden kann – ist nur subjektives Wissen.

Dies gilt für alle Wissensbereiche.

Insbesondere gilt dies auch für die Medizin, die Psychiatrie, die Psychologie und auch die Psychotherapie.

In der Medizin kann man manche Dinge allgemein gültig wissen und daher allgemein gültig beweisen. Es handelt sich dann also um objektives Wissen bzw. um faktisches Wissen. Vieles in der Medizin kann man jedoch nicht allgemein gültig wissen und daher auch nicht allgemein gültig beweisen. Daher handelt es sich bei solchem Wissen um ein Wissen vom Grad des fachlichen Glaubens oder um Wissen vom Grad einer fachlichen Meinung. Man kann hier auch von einer fachlichen Sichtweise sprechen, etwa im Hinblick auf eine Indikation für eine therapeutische Maßnahme.

In der Psychiatrie kann man praktisch nichts allgemein gültig wissen und daher auch nichts allgemein gültig beweisen. Dies ist so, weil psychiatrisches Wissen sich auf psychische Erscheinungen, auf psychische Phänomene gründet, die auf der Grundlage von psychiatrischen Konzepten erkannt werden und es ist solches Wissen grundsätzlich nur subjektiv gewiss. Beim psychiatrischen Wissen handelt es sich nämlich um ein Wissen, das nicht unmittelbar auf der Grundlage von „physischen“ Objekten erlangt wird, sondern um ein Wissen das auf der Grundlage Ideen gewonnen wird, die aus der Erfahrung abgeleitet worden sind. Mit anderen Worten: die psychiatrischen Ideen und damit auch die psychiatrischen Konzepte sind aus der Erfahrung abgeleitete Ideen. Eben weil es sich dabei um Wissen handelt das auf der Grundlage von Konzepten erlangt worden ist, handelt es sich dabei um aus der Erfahrung abgeleitetes Wissen. Man kann also in der Psychiatrie (Psychologie und Psychotherapie) prinzipiell kein allgemein gültiges Wissen erlangen, weil dieses Wissen auf der Grundlage von psychischen Symptomen und psychischen Phänomenen erlangt wird bzw. aus diesen abgeleitet worden ist.

Dies hat zur Folge, dass die psychiatrische Wissenschaft kein objektives Wissen hervorbringen kann. Man kann in der Psychiatrie nur auf der Grundlage einer Konvention – philosophisch gesprochen – nur auf der Grundlage einer Dogmatik (vgl. mit Kant Zitat 10) – also auf der Grundlage einer Übereinkunft in Bezug auf die Ideen – sprich auf der Grundlage einer definierten Ideenlehre – wie sie beispielsweise durch die psychiatrische ICD-Klassifikation, oder durch die DMS-Klassifikation in der jeweilig gültigen Version definiert istrelatives Wissen erlangen – aber objektives Wissen und daher allgemein gültiges Wissen, oder eine Annäherung zur objektiven Gewissheit kann man in der Psychiatrie nicht erlangen.

Man kann in der psychiatrischen Wissenschaft auf statischem Wege zwar aus dem subjektiven Wissen über die einzelnen Fälle weiteres Wissen ableiten, dabei handelt es sich aber nicht um ein Wissen, das eine Annäherung zur Gewissheit darstellt – wie dies in der medizinischen Wissenschaft in dem Teilbereich möglich ist, wo sich das medizinische Wissen auf objektives Wissen gründet. (vgl. mit Kant Zitat 9b)

Man täuscht sich also in der Psychiatrie bzw. in der psychiatrischen Wissenschaft, wenn man glaubt in der psychiatrischen Wissenschaft ein Wissen erlangen zu können, das vom gleichem Grad des Wissens ist, wie das Wissen in der medizinischen Wissenschaft, wo dieses von objektiven Befunden seinen Ausgang nimmt. (Weiteres dazu auf Poster 3: PROBABILITY IN MEDICINE AND IN PSYCHIATRY – IN THE LIGHT OF IMMANUEL KANT`S PHILOSOPHY)

Wissen das sich auf subjektive Evidenz gründet ist nicht gleich Wissen das sich auf objektive Evidenz gründet.

Man kann also in der Psychiatrie (Psychologie und Psychotherapie), weder im einzelnen Fall – noch auf dem Weg der Statistik – Wissen vom gleichen Grad wie in dem Teilbereich der Medizin erlangen, wo sich das Wissen auf objektive Fakten gründet.

Dieser Unterschied im Grad des Wissens wird in der Psychiatrie der Gegenwart – im Jahr 2013 – (noch) nicht berücksichtigt und glauben viele Fachleute in der psychiatrischen Wissenschaft sich auf gleicher Wissensebene zu bewegen, wie die Forscher in der Medizin, wo sie ihre wissenschaftlichen Studien auf objektives Wissen gründen. Tatsächlich ist dies jedoch nicht der Fall und ist daher die psychiatrische Wissenschaft vielfach in Widersprüche (Antinomien) (vgl. mit Jaspers Zitat) geraten – ohne dass diese Fachleute sich erklären können warum es so ist. (vgl. mit Kant Zitat 2, Kant Zitat 3, Kant Zitat 22 und Jaspers Zitat)

Man sollte also in der Psychiatrie (Psychologie und Psychotherapie)  sich noch mehr der Beschränktheit und der Relativität des erlangten Wissens bewusst sein als in der Medizin, weil in diesen Erkenntnisbereichen das Wissen auf einer anderen Erkenntnisbasis steht und daher solches Wissen nicht „physisch“ überprüft werden kann. (Weiteres dazu auf Poster 6: Diagnosis in Psychiatry – the Role of Biological Markers – an investigation in the light of Immanuel Kant`s philosophy)

Man kann also psychiatrisches Wissen und auch psychologisches Wissen und auch psychotherapeutisches Wissen nicht objektivieren. Man kann solches Wissen nur auf der Ebene der Vorstellungen subjektiv „prüfen“ – man kann es nicht unabhängig vom erkennenden Subjekt bestimmen und prüfen. Man kann  in der Psychiatrie (Psychologie und Psychotherapie) die Subjektivität nicht überwinden – dessen ist sich eine Person – die im Sinn der Aufklärung aufgeklärt ist bewusst.

Wer sich der Beschränktheit des eigenen Wissens nicht bewusst ist – und wer sich der Grundlagen des wissenschaftlichen Wissens nicht bewusst ist und wer die Erkenntnisbasis nicht beachtet – der ist geneigt sein Wissen bzw. das Wissen der jeweiligen Wissenschaft das er vertritt zu überschätzen. Eine solche Person ist sich der Grenzen der Methode nicht bewusst bzw. muss man in einem solchen Fall von fehlender Methodenbewusstheit sprechen.

Eine solche Fachperson ist geneigt mit nicht gerechtfertigter Autorität bzw. mit grundlosen Anmaßungen (vgl. mit Kant Zitat 10, letzter Absatz)  ihr Wissen – oder das Wissen der Wissenschaft zu vertreten.

Tatsächlich ist dies in der Psychiatrie der Gegenwart (und auch in der Psychologie der Gegenwart und auch in der Psychotherapie der Gegenwart) und in der Wissenschaft vielfach der Fall und demgemäß an vielen Orten zu beobachten. (vgl. mit Kant Zitat 10)

Jemand der sich der Beschränktheit des eigenen Wissens bewusst ist wird mit angemessener Bescheidenheit sein Wissen bzw. seine (subjektive) Sichtweise vertreten. Das heißt eine solche Person wird nicht hergehen und ihr beschränktes Wissen so vortragen, dass es einer tiefer gehenden Kritik nicht standhält.  (vgl. mit Kant Zitat 2, Kant Zitat 3)

Ferner wird jemand der aufgeklärt ist auch tolerant sein, weil er sich der Beschränktheit seines subjektiven Wissens bewusst ist. Im Gegensatz dazu wird jemand, der nicht aufgeklärt ist nicht tolerant sein – auch wenn er sich vordergründig tolerant gibt – weil er von seinem (subjektiven) Wissen über alle Maßen überzeugt ist – und dieses als allgemein gültiges Wissen ansieht.

Schließlich wird eine aufgeklärte Person sich auch nicht in selbstverschuldete Unmündigkeit begeben und zeitlebens unmündig bleiben (vgl. mit Kant Zitat 11). Eine aufgeklärte Person wird also bestrebt sein die Freiheit zu nützen und zu bewahren, sie wird also mündig sein (vgl. mit Kant Zitat 11) und sie wird ihre Entscheidungen soweit als möglich auf der Grundlage der Vernunft treffen. Kurz: sie wird sich bei jeder Gelegenheit des guten alten Hausverstandes bedienen.

Es ist bemerkenswert, dass das Wissen über die Grade des Wissens seit mehr als 200 Jahren bekannt ist – nämlich seit Immanuel Kant die „Kritik der reinen Vernunft“ veröffentlicht hat. Trotzdem macht man gerade in neuerer Zeit die Erfahrung, dass das unkritische Denken dem kritischen Denken den Rang abläuft – nicht zuletzt auch in der Wissenschaft.

In der Psychiatrie fand das kritische Denken mit Karl Jaspers den bisherigen Höhepunkt. Seither ging es in dieser Hinsicht wieder bergab und hat in der Psychiatrie der Gegenwart der unreflektierte Glaube an die Biologische Psychiatrie dem kritischen Wissen und dem kritischen Denken Platz gemacht. Manche Leute in der Psychiatrie der Gegenwart leben gegenwärtig noch von der Hoffnung, dass die Psychiatrie alsbald – so wie die Medizin die wesentlichen Dinge wird objektiv wissen können. Jedenfalls sind in dieser Hinsicht weltweit viele Forschungen mit dem Ziel der Objektivierung von gewissen psychiatrischen Diagnosen im Gang seit sich die Sichtweise von Emil Kraepelin weltweit verbreitet hat. (vgl. mit den Kraepelin Zitaten)

Allein die Stagnation im Bereich der psychiatrisch-empirischen Forschung – soweit damit die Versuche zur Erlangung von objektivem Wissen gemeint sind – gibt Zeugnis davon, dass es bisher bei dieser Hoffnung geblieben ist. Man kann es von Kongress zu Kongress beobachten und verfolgen, dass die Suche nach objektivem Wissen in der psychiatrischen Wissenschaft weiterhin vergeblich ist.

Tatsächlich wird man in der Psychiatrie (Psychologie und Psychotherapie) in Folge der andersartigen Erkenntnisbasis niemals objektives Wissen erlangen (vgl. mit Jaspers Zitat 6). Und es wird in Zukunft die Psychiatrie (Psychologie und Psychotherapie) – wenn sie nach dem bestmöglichen Wissen strebt – nicht umhin kommen sich ihre Erkenntnisbasis einzugestehen und die daraus resultierenden Konsequenzen zu berücksichtigen (vgl. mit Kant Zitat 2). Erst dann, wenn dies geschehen wird, und erst wenn man in der Psychiatrie, insbesondere in der psychiatrischen Wissenschaft, sich die Relativität und die Beschränktheit des psychiatrischen Wissens eingesteht, und dies in der Lehre, in der Praxis und in der Wissenschaft beachtet, erst dann wird man berechtigt sagen können, dass die Psychiatrie eine im Sinn der Aufklärung aufgeklärte Wissenschaft ist. Vorher wird man dies nicht sagen können und wird die Psychiatrie bis dahin weiter mit spezifischen Problemen konfrontiert sein, in die sie wegen des nicht Beachtens der Erkenntnisbasis geraten ist. Die Psychiatrie wird also auf der Grundlage des falschen Verstehens ihrer Ideen noch tiefer in einen Indifferentism und in gewisser Hinsicht auch noch tiefer in ein wissenschaftliches Chaos geraten (vgl. mit Kant Zitat 10, vorletzter Absatz) wenn sie ihre Erkenntnisgrundlagen nicht beachtet und berücksichtigt, wenn gleich in anderer Hinsicht die Psychiatrie auch in den letzten Jahrzehnten weitere Fortschritte gemacht hat.

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(letzte Änderung 20.06.2019, abgelegt unter: philosophische Begriffe, Philosophie, Wissenschaft, Definition)

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