Demenz – Typen der Demenz

Die psychiatrische Diagnose Demenz kann man nur psychopathologisch begründet auf Basis eines definierten Typus  diagnostizieren.

Der Psychiater und Philosoph Karl Jaspers hat erkannt, dass man die psychischen Störungen generell, und damit auch die psychiatrische Diagnose Demenz auf der Grundlage eines Typus diagnostiziert (vgl. mit Jaspers Zitat).

Tatsächlich vergleicht man auf der Ebene der Vorstellungen bzw. auf der „Ebene der Ideen“ durch das Gewichten der Ideen (Ponderieren der Ideen), ob das klinische Bild dem Ideal bzw. dem Typus einer gewissen Demenz entspricht oder nicht.

Man kann als Arzt bzw. als Psychiater und Neurologie nur durch den Vergleich der Vorstellungen – somit nur auf der mentalen Ebene entscheiden, ob eine Demenz vorliegt und von welchem Typ bzw. Typus die Demenz ist.

Man kann nur auf der Ebene der Vorstellungen entscheiden, ob mehr „dieser“ oder mehr „jener“ Typus zutreffend ist. Durch körperliche Befunde kann man diese Feststellung bzw. Entscheidung erklären und durch diese physischen Befunde das Auftreten der psychischen Störung vom Typ der Demenz verstehen.

Man kann als Arzt jedoch nicht auf der Grundlage dieser körperlichen Befunde erkennen, ob überhaupt eine psychische Störung vorliegt – man kann also nicht durch physische Befunde (etwa durch bildgebende Befunde, zum Beispiel solche der Computertomographie (CCT), Magnetresonanztomographie (MRT) oder solche der Funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) oder durch andere physische Methoden) feststellen, ob eine relevante Störung der Psyche im Sinne einer Demenz vorliegt – wie ausgeprägt die psychische Störung und damit die neuronale Funktionsstörung ist (quantitativ) bzw. ob überhaupt eine krankheitswertige  psychische Funktionsstörung (qualitativ) besteht.

Erst durch die klinisch psychiatrische Untersuchung bzw. erst durch den klinischen psychischen Befund wird offenbar, ob überhaupt eine psychische Störung und von welchem Grad – also von welchem Schweregrad – die psychische Störung ist und ob diese das Ausmaß einer Psychose im konkreten Fall erlangt hat, oder ob es sich um eine altersgemäße leichte Einschränkung der psychischen Funktion handelt, oder ob diese Einschränkung im konkreten Fall vom Grad eines leichten Organischen Psychosyndroms (OPS) ist, aber noch nicht das Ausmaß einer Psychose erlangt hat.

Auch der Typ der psychischen Störung – Typs Alzheimerkrankheit / Alzheimerdemenz oder Typ Vaskuläre Demenz usf. – wird erst durch die klinische Untersuchung also durch den psychischen Befund bzw. den psychiatrischen Befund klar. Allerdings kann man diesen phänomenologischen Befund und damit die entsprechende phänomenologische psychiatrische Diagnose durch entsprechende biologische Befunde bzw. physische Befunde (Bildgebung, Computertomographie, Magnetresonanztomographie usf.) unterlegen und damit besser verstehen.

Man kann also nicht aus der Körperlichkeit erkennen was für ein psychisches klinisches Erscheinungsbild vorliegt, weil es zwischen einem psychischen Phänomen und dem körperlichen Substrat, als dessen Folge das psychische Phänomen entsteht, keine bekannte Relation gibt, die erkannt und allgemein gültig bestimmt werden kann (Weiteres dazu auf Poster 6: Diagnosis in Psychiatry – the Role of Biological Markers – an investigation in the light of Immanuel Kant`s philosophy).

In der Regel wird die Anamnese und werden die begleitenden Umstände Aufschluss darüber geben, von welcher Art bzw. von welchem Typus die Demenz ist, und kann man daher auf der Grundlage dieser Informationen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit sagen was für ein Typus vorliegend ist – allein aus dem physischen bzw. körperlichen Befund kann man jedoch nicht erkennen und wissen, ob eine psychische Störung und was für eine psychische Störung vorliegt.

Man unterscheidet eine Demenz vom Typ der Alzheimer Demenz / Alzheimer Krankheit, eine Vaskuläre Demenz nach einem oder mehreren Schlaganfällen / Infarkten (Multi-Infarkt Demenz), eine Demenz vom Levy-Körper Typ usf.

In der Psychiatrie wird die Tatsache, dass die Diagnose Demenz nur auf der Grundlage eines Typus und nicht auf der Grundlage von objektiven Befunden festgestellt wird, vielfach nicht beachtet, und wird oftmals vorschnell von Alzheimerdemenz (Alzheimerkrankheit), oder von einer anderen Art von Demenz gesprochen, obwohl in keiner Weise zu dieser Zeit histologisch, oder sonst wie körperlich nachgewiesen ist, dass es sich tatsächlich um eine gesundheitliche Störung von diesem histologischen bzw. morphologischen Typ handelt.

Genau genommen sollte daher z.B. der Begriff „Alzheimerdemenz“, der eigentlich aus der Histologie stammt nicht für ein klinisches Erscheinungsbild verwendet werden, weil man allein auf der Grundlage der Psychopathologie bzw. auf Grundlage der Phänomenologie also allein auf Grund des psychischen Symptomenkomplexes und dessen Entwicklung im Lauf der Zeit – also infolge des Verlaufs, und auf Grund der erhobenen Zusatzbefunde (Bildgebung etc.) nichts über die Histologie aussagen kann.

In der medizinischen und psychiatrischen Praxis bzw. auch in der psychiatrischen Wissenschaft wird dies allerdings in der Regel nicht beachtet und berücksichtigt, und es werden morphologische Begriffe, die eigentlich eine Aussage über die Morphologie machen – die, im konkreten Fall in der psychiatrischen Praxis in der Regel nicht bekannt ist – mit phänomenologischen Aussagen gleichgesetzt bzw. vermischt. Dies ist genommen nicht richtig bzw. methodisch falsch.

Philosophisch gesprochen wird damit der Fehler gemacht, den Immanuel Kant den konstitutiven Gebrauch einer Idee nennt (vgl. mit Kant Zitat 3a). Tatsächlich sollte man eine Idee, sofern sie sich nicht auf erwiesene Tatsachen zurückführen und daher durch Fakten beweisen lässt nur relativistisch verwenden.

Ausgenommen es sind eindeutige Zustände, die in Folge einer eindeutig bekannten körperlichen Ursache aufgetreten sind bekannt, wie z.B. ein demenzielles Zustandsbild nach einem zerebralen Insult, oder eine Demenz bei einem sonst weit fortgeschrittenen hirnorganischen Abbausyndrom dessen Ursache bekannt ist. In einem solchen Fall ist eine genauere oder genaue Angabe der Ursache möglich.

Genau genommen kann man jedoch in keinem einzigen Fall in der Psychiatrie und in der Neurologie aus der Morphologie bzw. aus der Histologie erkennen wie es um den psychischen Befund und damit um die Denkfunktionen und Gemütsfunktionen steht.

Man kann nicht aus der Morphologie ersehen und erkennen in welchem Umfang, und von welcher Art die psychische Störung ist. Man kann nicht aus dem physischen Befund erkennen was für ein psychischer Befund vorliegt, weil die Relation zwischen den beiden Erkenntnisobjekten nicht bekannt ist (Weiteres dazu Poster 6).

Eine ätiologische Diagnose ist nämlich etwas grundsätzlich anderes als eine phänomenologische Diagnose. Auch eine bildgebende Diagnose ist etwas ganz anderes als eine phänomenologische Diagnose. Man kann in der Bildgebung eine Gehirnatrophie feststellen, man kann aber aus diesem bildgebenden Befund nicht erkennen und wissen, ob die Person dement ist oder nicht dement ist.

Dass die Hirnleistung wahrscheinlich relevant beeinträchtigt ist, wird in aller Regel zutreffen, aber ob die diagnostischen Kriterien einer Demenz – etwa im Sinne der Psychiatrischen ICD-10 Klassifikation erfüllt sind, kann man aus der Bildgebung, oder aus einem sonstigen „physischen“ Befund nicht erkennen (Weiteres dazu Poster 6).

In gleicher Weise kann man aus einem histologischen Schnittbild, welches postmortem angefertigt worden ist, nicht erkennen, ob die Person zu ihrer Lebenszeit „dement“ war, oder nicht „dement“ war. Man sieht dort etwa gewisse degenerative Veränderung in der Hirnsubstanz, in der vielleicht auch die sogenannten Alzheimerfibrillen mehr oder weniger häufig sichtbar sind, oder die sogenannten Levy-bodies sichtbar sind, oder etwa Alzheimerfibrillen und Levy-bodies gemeinsam sichtbar sind. Aus einem solchen histologischen Bild kann man jedoch nicht erkennen, ob die Person dement war oder nicht dement war, bzw. kann man nicht sagen in welchem Ausmaß die psychisch-geistigen Funktionen bei der Person beeinträchtigt waren. Man kann daraus keine Schlussfolgerungen auf die Kognition bzw. auf die kognitive Störungen ableiten. In gleicher Weise kann man aus der Morphologie auch nicht erkennen, ob Störungen der Emotion bzw. affektive Störungen früher aufgetreten sind.

Die Relation zwischen der Morphologie und der Psychopathologie ist nicht bestimmbar (Weiteres dazu Poster 6).

Dieser Sachverhalt ist der Grund, warum man eine psychiatrische Diagnose nicht körperlich feststellen und objektivieren kann.

Mit anderen Worten: dies ist der Grund warum man eine psychiatrische Diagnose, die auf der Grundlage eines psychischen Symptomenkomplexes festgestellt worden ist, nicht körperlich (physisch) validieren und verifizieren kann (vgl. mit Kant Zitat 7).

Dieser Sachverhalt gilt im Übrigen auch für die  Neurologie in der ebenfalls Störungen vom Typ der Demenz abgeklärt werden – auch hier ist die neurologische Diagnose Demenz eine phänomenologische Diagnose und keine durch die Biologie begründete Diagnose bzw. kann man die psychischen Auffälligkeiten nur durch die Biologie erklären aber nicht in der Neurologischen Diagnostik durch biologische Befunde bestimmen. Daher kann man berechtigt sagen, dass die Neurowissenschaften bezüglich der psychiatrischen Diagnostik generell – und im Besonderen in Bezug auf die Diagnostik der Demenz nur Zusatzbefunde liefern können.

Karl Jaspers hat erkannt, dass psychiatrische Ideen (bloße) Ideen im Sinne von Immanuel Kant sind, und man daher eine psychiatrische Diagnose nur nach einem Typus und nicht gemäß einer Gattung bestimmen kann (vgl. mit Jaspers Zitat).

Wie man sich überzeugt ist diese Aussage von Karl Jaspers weiterhin gültig und wird sie – vorhersehbar – weiterhin gültig bleiben.

Der Begriff Demenz ist daher ein regulativer Begriff im Sinne von Immanuel Kant, bzw. ist die psychiatrische Diagnose Demenz der Begriff einer Idee.

Es ist die Diagnose Demenz also  eine systematische Einheit, die gegenüber anderen systematischen Einheiten in einem diagnostischen System definiert ist.

Die Diagnose Demenz kann man also – genau genommen – nicht objektiv gewiss feststellen. In einem diagnostischen Grenzfall kann man nicht eindeutig entscheiden, ob ein Patient dement ist oder noch nicht dement ist. Man kann nur subjektiv gewiss feststellen, ob die Diagnose Demenz zutreffend ist oder nicht.

Gerade weil man im Zeifelsfall nicht klar entscheiden kann, ob eine Person „dement“ ist oder nicht „dement“ ist sollte man die Diagnose „Demenz“ nicht vorschnell, sondern nur mit angemessener Zurückhaltung verwenden.

Das heißt man sollte die Diagnose Demenz, die sich auf eine psychiatrische Idee bzw. eine psychologische Idee bezieht nur relativistisch gebrauchen.

Die Erkenntnis Demenz entsteht im Bewusstsein der untersuchenden Person im Sinne einer bloßen Idee von Immanuel Kant, die man nicht physisch überprüfen und physisch verifizieren kann  (vgl. mit Kant Zitat 4)

Mit anderen Worten: man sollte sich der Relativität und Beschränktheit der Erkenntnis und des Wissens in der Psychiatrie generell bewusst sein, dann wird man die psychiatrischen Begriffe generell – und insbesondere auch den Begriff Demenz angemessen verwenden.

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(letzte Änderung 20.03.2018, abgelegt unter: Diagnostik, Demenz, Psychiatrie, Neurologie)

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