Evidenz in der Psychiatrie

In der Psychiatrie können die psychiatrischen Diagnosen nur auf der Grundlage von subjektiver Evidenz  gestellt werden, weil eine psychiatrische Diagnose sich auf psychische Symptome, psychische Phänomene und den Verlauf gründet.

Da diese charakteristischen Zeichen (Merkmale) einer psychischen Störung nur mit subjektiver Gewissheit auf der Grundlage von subjektiver Evidenz festgestellt werden können, kann auch eine psychiatrische Diagnose, die sich auf diese psychopathologischen Phänomene und somit auf den den psychischen Befund gründet, nur mit subjektiver Evidenz gestellt werden.

Bei Diagnosen, die auf Grundlage von subjektiver Evidenz gestellt werden, ist zu berücksichtigen, dass der Grad der Evidenz verschieden sein kann.

Eine solche Diagnose kann nämlich den Kriterien einer solchen Kategorie mehr oder weniger entsprechen. Daher gibt es bei Diagnosen die nur subjektiv gewiss sind unterschiedliche Grade der  Evidenz.

Das heisst eine psychiatrische Diagnose kann den Kriterien einer psychiatrischen Kategorie mehr oder weniger entsprechen. Mit anderen Worten: ein konkreter Fall kann die Kriterien der Kategorie gerade noch erfüllen und es wird sodann das klinische Erscheinungsbild noch durch diesen Begriff benannt. Falls die Symptome und Phänomene dem geistigen Bild jedoch nicht mehr ausreichend entsprechen, dann kann man diese psychische Auffälligkeit nicht mehr so benennen und daher diesen Begriff dafür nicht mehr verwenden. In diesem Sinne handelt es sich beim Erkennen einer psychiatrischen Diagnose immer um eine relative und nicht um eine absolute Erkenntnis.

(Anmerkung: Dies gilt auch für die nicht objektivierbaren syndromalen Diagnosen in der körperlichen Medizin.)

Es kann daher zum Beispiel ein klinisches Erscheinungsbild, das unter der diagnostischen Einheit „Schizophrenie“ aufgefasst wird, dieser Einheit mehr oder weniger entsprechen. Das heisst das klinische Erscheinungsbild kann dem Typus dieser psychiatrischen Diagnose mehr oder weniger entsprechen. (vgl. mit dem Jaspers Zitat)

Dieser Sachverhalt sollte berücksichtigt werden, eben dass der Grad der Evidenz bei den psychiatrischen Diagnosen verschieden sein kann.

In der psychiatrischen Wissenschaft können derartige graduelle Unterschiede, wie sie sich aus der subjektiven Evidenz bzw. aus der scheinbaren Evidenz der psychiatrischen Diagnosen ergeben allerdings nicht berücksichtigt werden, und es werden diese Unterschiede bei der Aufnahme der einzelnen Fälle in eine statistische Studie – wie bekannt ist – auch nicht berücksichtigt. Dies gilt entsprechend auch für die wissenschaftlichen Studien, die mit nicht objektivierbaren syndromalen Diagnosen in der körperlichen Medizin gemacht werden.

Dies trägt unter anderem dazu bei, dass der Erkenntniswert einer solchen Studie verhältnismässig gering ist, im Vergleich zu einer wissenschaftlichen Studie, die auf der Grundlage von objektiven Befunden erstellt wurde. Bei einer Studie die sich auf objektive Befunde gründet kann nämlich objektiv gültig und damit allgemein entschieden werden, ob ein Fall in eine Studie aufgenommen wird oder nicht.

Es macht also einen grossen Unterschied, ob eine wissenschaftliche Studie sich auf Daten gründet, die auf der Grundlage von scheinbarer Evidenz bzw. subjektiver Evidenz erkannt werden, oder ob die Daten auf der Grundlage von augenscheinlicher Evidenz bzw. objektiver Evidenz erkannt werden. Eine kritische Fachperson wird also die Beschränkung des Wissens die sich damit für eine psychiatrische Leitlinie ergibt berücksichtigen und wird ebenso in der Medizin eine kritische Fachperson auch die Beschränkung des Wissens, wenn dieses nur auf der Grundlage einer nicht physisch überprüfbaren Idee erkannt werden kann (vgl. Kant  Zitat 3a) angemessen berücksichtigen. Demgemäß sollte dies auch bei Gericht bei der rechtlichen Beurteilung von Sachverhalten beachtet und berücksichtigt werden.

Hinweis:

Weiteres zur Evidenz auf meinem Poster 3

PROBABILITY IN MEDICINE AND IN PSYCHIATRY – IN THE LIGHT OF IMMANUEL KANT`S PHILOSOPHY

und

in meinem Buch:

Diagnostik, Klassifikation und Systematik in Psychiatrie und Medizin

siehe dort:

8 Evidenz in Psychiatrie und Medizin

8.1 Zum Begriff der Evidenz (Definition)

8.1.1 objektive Evidenz versus subjektive Evidenz

8.2 Evidenz in der Heilkunde

8.2.1 Evidenz für den Arzt

8.2.2 Evidenz für den Patienten

8.2.3 Evidenz in der Wissenschaft

8.3 Evidenz in der Psychiatrie

8.4 Evidenz in der Medizin

8.5 Evidenz in der Alternativmedizin, Komplementärmedizin und Psychosomatik

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(letzte Änderung 11.06.2019, abgelegt unter: Evidenz, Psychiatrie, Diagnostik)

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