Leitlinie

Eine Leitlinie ist eine Empfehlung/Vorgabe als Folge der Resultate der Forschung und der fachlichen Überlegung, die per Definition/Konvention/Übereinkunft in der jeweiligen empirischen Wissenschaft festgelegt worden ist.

Die Leitlinie dient als Richtlinie ohne bindenden Charakter (vgl. mit Wikipedia)

Es beinhaltet die Leitlinie also eine fachliche Empfehlung für eine gewisse Handlung/Vorgehensweise, die aus einer fachlichen Meinung bzw. einer fachlichen Sichtweise unter Berücksichtigung der Ergebnisse der jeweiligen Wissenschaft abgeleitet worden ist.

Dabei kann die Leitlinie auf der Grundlage von empirischem Wissen entstanden sein, das sich auf Fakten gründet. Oder es kann die Leitlinie aus empirischem Wissen hervorgegangen sein, das sich  auf Ideen gründet (vgl. mit Kant Zitat 7).

Es ist nämlich ein großer Unterschied, ob etwas meiner Vernunft, als ein Gegenstand schlechthin, oder nur als ein Gegenstand in der Idee gegeben wird. (Immanuel Kant) (vgl. mit Kant Zitat 7).

Die Basis des Wissen das zu den Leitlinien geführt hat – soll also beachtet werden, weil je nach der Basis des Wissen daraus Leitlinien von unterschiedlicher Aussagekraft resultieren – was im Folgenden noch näher ausgeführt wird.

Über Leitlinien in der Heilkunde:

In der Medizin und in der Psychiatrie ist eine Leitlinie eine Empfehlung/Vorgabe für eine diagnostische oder eine therapeutische Handlung respektive eine therapeutische Maßnahme.

Diese Empfehlung wird aus den Erfahrungen, wie man sie mit vielen Fällen gemacht hat und wie sie durch eine oder mehrere wissenschaftliche Studien gewonnen worden sind, abgeleitet.

Unabhängig davon, ob die Erfahrungen aus objektivem Wissen oder aus subjektivem Wissen abgeleitet worden sind, kann man im konkreten Fall in prognostischer Hinsicht vorerst nicht sagen, ob das, was früher für einen konkreten Fall oder für viele Fälle zutreffend war, auch für den gegenständlichen Fall zutreffend ist.

Daher ist eine jede Leitlinie nur relativ gültig und nicht absolut gültig.

Erkenntnistheoretisch bzw. philosophisch gesprochen ist die Leitlinie eine Idee, die auf der Grundlage der Erfahrung gewonnen worden ist. Man kann also auch sagen: eine Leitlinie ist eine Idee, die aus der Erfahrung abgeleitet worden ist.

Eine solche Idee wird durch ein synthetisches Urteil gewonnen. Darin liegt der Grund warum ein solches Urteil nur relativ und nicht absolut gültig ist.

Oder man kann auch sagen eine Leitlinie ist eine Empfehlung, die sich auf die Wahrscheinlichkeit gründet.

Man kann also nicht wissen, ob das Wissen, das man in der Vorzeit auf der Grundlage eines Falles, oder auf der Grundlage von vielen Fällen gewonnen hat, auf den gegenständlichen Fall zutrifft oder nicht zutrifft, und es ist auch nicht gewiss in welchem Ausmaß dieses Wissen bzw. diese Leitlinie auf den konkreten Fall zutrifft.

Unabhängig davon auf welcher Erkenntnisbasis die Leitlinie gewonnen worden ist, gilt, dass die Idee und damit die Leitlinie nur relativ gültig ist.

Nur falls die Empfehlung und damit die Leitlinie sich in jedem Fall als beste Vorgehensweise erweisen würde – wäre sie absolut zwingend anzuwenden.

Das heißt man sollte eine Idee – und in diesem Fall die Leitlinie – solange sie sich im konkreten Fall noch nicht als zutreffend erwiesen hat, nur als relatives Wissen und nicht als absolut gültiges und damit als allgemein verbindliches und für jedem Fall gültiges Wissen ansehen – eben weil das Wissen hier nur auf einer Idee beruht.

Mit anderen Worten: man sollte die Idee nur relativistisch (Immanuel Kant) verwenden – so wie man dies im Grunde genommen mit jeder Idee machen sollte. (vgl. mit Kant Zitat 3a)

Würde es sich um eine Erkenntnis handeln, die absolut gültig ist, dann würde es sich dabei um absolutes Wissen handeln. In einem solchen Fall würde man keine Leitlinie benötigen, sondern wäre dann von vorneherein klar wie in der Sache weiter vorzugehen ist. Da man jedoch im konkreten Fall tatsächlich nicht weiss wie es kommen wird, sollte man die Idee immer nur relativistisch als Kriterium für die Entscheidung in Bezug auf das weitere Vorgehens in Betracht ziehen. Man sollte also konkret eine Leitlinie bei der Entscheidungsfindung nicht überbewerten.

Eine Idee ist prinzipiell vorerst immer nur relativ gültig. Nur falls man in einem konkreten Fall beweisen kann bzw. bewiesen hat, dass die Idee auf den Sachverhalt absolut zutrifft, dann ist die Idee in diesem Fall absolut gültig, bis dahin ist sie nur relativ gültig (vgl. mit diesem Beitrag: Verdachtsdiagnose).

Man sollte also eine Idee vorerst immer nur relativistisch verwenden. Eine Idee ist nicht konstituitv wie dies Immanuel Kant aufgezeigt hat. (vgl. mit Kant Zitat 3a)

Auch wenn Etwas in tausenden Fällen in der Vorzeit zutreffend war, so kann es doch sein, dass dies im konkreten gegebenen Fall nicht zutreffend ist.

Erfahrungen dieser Art macht man in der Medizin immer wieder, und in der Psychiatrie ganz besonders.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass das Wissen in der Psychiatrie grundsätzlich und in einem Teilbereich der Medizin nicht aus subjektivem Wissen abgeleitet worden ist. Dies hat zur Folge, dass die Leitlinien in der Psychiatrie, so wie sie mit Hilfe der psychiatrischen Wissenschaft gewonnen worden sind, und die Leitlinien betreffend die phänomenologischen Diagnosen in der Medizin weniger verbindlich und weniger verlässlich sind, als Leitlinien in der Medizin wo diese aus objektivem Wissen abgeleitet worden sind.

Muss sollte also beachten, ob die Leitlinien aus subjektiven Befunden oder aus objektiven Befunden abgeleitet worden sind.

Demgemäß gibt es in der Medizin – als Folge der Studien in der medizinischen WissenschaftLeitlinien von unterschiedlicher Aussagekraft, also Leitlinien mit größerer Aussagekraft und andererseits Leitlinien mit geringer Aussagekraft.

Eine Leitlinie ist also ein Wissen das empirisch gewonnen worden ist, und philosophisch betrachtet einer fachlichen Meinung entspricht, die aus einzelnen Erfahrungen abgeleitet worden ist.

Diese Meinung ist aus dem Wissen aus vielen Fällen abgeleitet worden, und es hat dieses Wissen zu einem falchlichen Konsens geführt. Die Fachleute haben also eine konsensuelle Meinung dazu gebildet und es liegt diese Meinung nun als Empfehlung vor.

Diese Empfehlung kann für den konkreten Fall die beste Empfehlung sein – sie muss aber nicht unbedingt die beste Empfehlung sein.

Daher bleibt die Verantwortung für die bestmögliche Entscheidung beim praktisch tätigen Arzt der gemeinsam mit dem Patienten unter Berücksichtigung aller Argumente, also unter Berücksichtigung der Empfehlung, wie sie in der Leitlinie gemacht wird, und unter Berücksichtigung von allen anderen wesentlichen Entscheidungskriterien die bestmögliche Vorgehen zu finden (vgl. mit Kant Zitat 2) um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen.

Man soll also eine Leitlinie als Empfehlung zu einer therapeutischen Handlung im Hinblick auf die individuelle Situation prüfen und überlegen welche anderen Kriterien ebenfalls von Relevanz sind und erst sodann die anstehende Entscheidung – etwa für oder gegen eine Indikation zu treffen.  (vgl. mit Kant Zitat 2)

Demgemäß soll man den Stellenwert einer Leitlinie nicht überschätzen. Kurz gesagt: man soll mündig und im Sinne der Aufklärung aufgeklärt sein und erst nach reiflicher Überlegung entscheiden. (vgl.mit Kant Zitat 11)

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Weiteres zum Thema Leitlinien in meinem Buch:

Diagnostik, Klassifikation und Systematik in Psychiatrie und Medizin

erschienen im April 2019 im Verlag tredition

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(letzte Änderung 10.11.2019, abgelegt unter: Definition, Leitlinie, Medizin, Neurologie, Psychiatrie, Wissenschaft)

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