Nosologie der Psychischen Krankheiten von Wilhelm Griesinger

Der Internist und Nervenarzt Wilhelm Griesinger (*1817-1868) hat im Jahr 1845 die erste systematische psychiatrische Nosologie der Psychischen Krankheiten: „nach der Art und Weise der psychischen Anomalie“ in seinem Buch: „Pathologie und Therapie der Psychischen Krankheiten“ veröffentlicht.

Nachfolgend finden Sie ein Zitat aus der 2. Ausgabe dieses Buches:

Wilhelm Griesinger schreibt auf Seite 211: ( 2. Aufl., Berlin 1867, Seite 211, Auszug aus dem Nachdruck des Verlages E. J. Bonset, Amsterdam 1967)

“ § 110

Eine Eintheilung der psychischen Krankheiten nach ihrem Wesen, d.h. nach den ihnen zu Grunde liegenden anatomischen Veränderungen des Gehirns ist derzeit nicht möglich (§6); sondern, wie die ganze Classe der Geisteskrankheiten nur eine symptomatologisch gebildete ist, so lassen sich als ihre verschiedenen Arten zunächst nur verschiedene Symptomencomplexe, verschiedene Formen des Irreseins angeben. Statt des anatomischen Einteilungsprinzips müssen wir das funktionelle, physiologische festhalten, und dieses wird hier, da die Störungen des Vorstellens und Strebens die hauptsächlichsten und auffallendsten sind, zum psychologischen. Nach der Art und Weise der psychischen Anomalie ist also das Irresein einzutheilen; während es nun aber die Aufgabe des clinischen Unterrichts ist, die Mannigfaltigkeit der psychischen Störungen in den concreten Erkrankungsfällen hervorzuheben und zu analysieren, muss sich die Nosologie mit der Aufstellung weniger Hauptgruppen psychischer Störungen, weniger psychisch-anomaler Grundzustände begnügen, die sich aus der Übereinstimmung sehr vieler Fälle in gewissen charakteristischen Merkmalen ergeben und auf die sich daher alle Mannigfaltigkeit des einzelnen Erkrankens zurückführen lässt. Diese Grundzustände und ihre äussere Erscheinung haben wir hauptsächlich hier zu schildern, und wenn dabei die Varietäten und Übergänge der einzelnen Formen in einander freilich wohl beachtet werden müssen, so kann dies doch niemals in erschöpfendem Detail geschehen.“ (Ende des Zitates)

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Auf der Grundlage der psychischen Anomalie hat Wilhelm Griesinger in diesem Buch auf phänomenologischer Basis drei Hauptgruppen unterschieden:

Erster Abschnitt:   Die psychischen Depressionszustände

Zweiter Abschnitt: Die psychischen Exaltationszustände

Dritter Abschnitt:   Die psychischen Schwächezustände

Diese drei Hauptgruppen hat Griesinger in noch weitere Untergruppen gegliedert.

Es war damit also erstmals möglich alle vorkommenden krankheitswertigen psychischen Auffälligkeiten innerhalb dieser Nosologie bzw. innerhalb dieser psychiatrischen Klassifikation systematisch zu erfassen.

Wie aus der Geschichte der Psychiatrie bekannt ist wurde dieses Einteilungsschema weiter entwickelt. Emil Kraepelin (1856 – 1926) hat diese psychiatrische Klassifikation wesentlich weiter entwickelt und weitere diagnostische Einheiten in die psychiatrische Klassifikation eingeführt.

Auf dieser Grundlage entstanden durch die weitere Differenzierung vorerst in den verschiedenen Ländern unterschiedliche psychiatrische Klassifikationen.

Schließlich ging aus der psychiatrischen Klassifikation, die im Wesentlichen von Emil Kraepelin gebildet worden war in den U.S.A. die DSM Klassifikation hervor und es entstand einige Zeit später in Europa und für viele Länder verbindlich die psychiatrische ICD Klassifikation, wie sie von der WHO definiert worden ist.

Diese zwei psychiatrischen Klassifikation sind die derzeit die am meisten in Verwendung befindlichen Klassifikationsschemata in denen die psychischen Störungen im Wesentlichen auf der Grundlage der psychischen Anomalie weiterhin diagnostisch erfasst werden.

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(Beitrag in Arbeit, letzte Änderung 19.9.2014, Psychiatrie, Diagnostik, Medizinische Diagnostik)

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