medizinische Theorie

Eine medizinische Theorie ist eine Theorie durch die man den Zusammenhang von Dingen und/oder Erscheinungen in der Medizin sinnvoll erklären und verstehen kann.

Man kann durch die medizinische Theorie etwa den Zusammenhang der klinischen Erscheinung der gesundheitlichen Störung mit einer gewissen Ursache verstehen und erklären.

Es gibt medizinische Theorien, die empirisch überprüfbar sind. Eine solche Theorie kann in der medizinischen  Praxis am konkreten Fall auf ihr Zutreffen überprüft werden, weil sie sich auf Merkmale bezieht, die „physisch“ nachgewiesen werden können. Zum Beispiel kann man die Theorie, dass die Minderdurchblutung des Herzmuskels zu Herzrhythmusstörungen führt und in weiterer Folge zu Herzkammerflimmern führen kann „physisch“ am konkreten Fall durch die praktischen Erfahrungen beweisen bzw. wird diese Theorie durch die Erfahrungen unmittelbar bestätigt, wenn etwa im Bereich einer schon bestehenden Koronarstenose eine noch weitere Verengung eintritt.

Andererseits gibt es medizinische Theorien, die in der Praxis nicht am konkreten Fall bestätigt bzw. überprüft werden können, weil eine solche Theorie (Vorstellung) sich auf Merkmale bezieht, die nicht „physisch“ aufgezeigt und die daher nicht „physisch“ nachgewiesen werden können. Zum Beispiel kann nicht „physisch“ überprüft werden, ob  bei einem Patienten mit Kopfschmerzen vom Typ einer Migräne eine vaskuläre Störung die Ursache ist oder ob eine sonstige Ursache der Grund dieser Kopfschmerzen ist. Das heißt man kann in diesem Fall nicht beweisen, dass diese oder eine andere Ursache der Grund der klinischen Erscheinung und damit dieses klinischen Erscheinungsbildes ist, daher kann man die Theorie der Ursache einer Migräne nicht beweisen.

Es kann also nur eine Theorie, die sich letztlich auf ein „physisches“ Objekt zurückgeführt werden kann und die auf „physischer“ Ebene direkt oder indirekt nachgewiesen werden kann, empirisch „physisch“ überprüft werden. Nur wenn die Theorie bzw. die Vorstellung direkt auf der Grundlage eines real existenten Objekts bzw. auf der Grundlage eines objektiven Befundes bewiesen werden kann, nur dann ist die Theorie objektiv gültig und damit im Hinblick auf ihre Richtigkeit allgemein gültig. (vgl. mit Kant Zitat 9)

Immanuel Kant spricht bei Objekten, die uns tatsächlich als Objekte (direkt oder indirekt) in der Anschauung gegeben sind von „Gegenständen schlechthin“ im Gegensatz zu Erkenntnisobjekten, die uns nur als „Gegenstände in der Idee“ gegeben sind. (vgl. mit Kant Zitat 7)

Die Tatsache, dass eine medizinische Theorie sich auf „physisch“ aufzeigbare und nachweisbare physische Objekte gründet, ist also der Grund warum eine solche Theorie überprüft werden kann.

Hingegen kann eine medizinische Theorie, die sich auf mentale Objekte bezieht bzw. eine Theorie die den Zusammenhang zwischen mentalen Objekten – etwa zwischen nicht-objektivierbaren Phänomenen und körperlichen Ursachen erklärt, nicht „physisch“ überprüft werden. So kann man z.B. bei einer “Migräne” nicht aufzeigen und damit auch nicht allgemein anerkannt beweisen, ob die Migräne, etwa in Folge einer vaskulären Störung aufgetreten ist (vaskuläre Theorie), oder, ob die Migräne in Folge einer Entzündung aufgetreten ist (Entzündungstheorie), oder, ob die Migräne in Folge einer funktionellen Störung im Hirnstammbereich (Hirnstammtheorie) aufgetreten ist. In gleicher Weise kann man auch bei anderen gesundheitlichen Störungen, die auf der Grundlage eines medizinischen Konzepts erkannt werden, die tatsächliche Ursache nicht aufzeigen und damit nicht beweisen.

Es kann also eine medizinische Theorie nicht „physisch“ im konkreten Fall überprüft werden, wenn sie sich auf Merkmale bezieht, die uns nur als mentale Objekte gegeben sind, wie dies bei den Symptomen und bei den nicht-objektivierbaren Phänomenen der Fall ist. Es können also verschiedene Theorien verschiedene Kausalzusammenhänge erklären – aber das Zutreffen einer solchen Theorie kann man nicht „physisch“ beweisen weil, sie sich auf  ein Konzept bezieht, das seinerseits aus mentalen Objekten – im gegebenen Fall aus Symptomen und aus nicht-objektivierbaren Phänomenen – abgeleitet worden ist.

Bei einer solchen Theorie handelt es sich um ein regulatives Prinzip durch das man den Zusammenhang von gewissen Dingen nach der Analogie der Erfahrung erklärt. Man kann einen solchen Sachverhalt daher unter verschiedenen Gesichtspunkten bzw. unter verschiedenen Sichtweisen betrachten und daher durch verschiedene Theorien erklären.

Abschließend kann man also sagen, dass es in der Medizin beweisbare Theorien gibt. Eine solche Theorie kann auf der Ebene der körperlichen Fakten überprüft werden, wohingegen eine Theorie, die nur auf der Ebene der Ideen erfasst werden kann und die nicht auf der Ebene der körperlichen Fakten überprüft werden kann, eine nicht beweisbare medizinische Theorie ist. (vgl. mit Kant Zitat 7)

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Weiteres zu dieser Thematik in meinem Buch:

Diagnostik, Klassifikation und Systematik in Psychiatrie und Medizin

erschienen im April 2019 im Verlag tredition

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(letzte Änderung 27.08.2020, abgelegt unter: Medizin, Medizinische Diagnostik, Theorie)

 

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